# taz.de -- Speicherung von Fluggastdaten: 13 Jahre? Nicht mit Karlsruhe | |
> Die EU will Fluggastdaten künftig selbst auswerten. Das | |
> Bundesverfassungsgericht dürfte mit der geplanten 13-jährigen | |
> Speicherdauer aber kaum einverstanden sein. | |
Bild: Kein Terroranschlag - Flugzeug in der Abenddämmerung, gesehen bei Köln. | |
Die EU will dem Vorbild der Amerikaner nacheifern. Bald schon soll es ein | |
eigenes System zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten geben. Das | |
könnte jedoch Ärger mit dem Bundesverfassungsgericht geben. In seinem | |
letzte Woche verkündeten Urteil zur Vorratsdatenspeicherung hat das Gericht | |
Vorgaben für derartige Projekte aufgestellt, die von den bisherinen | |
EU-Plänen kaum erfüllbar sind. | |
Ein Vorschlag der EU-Kommission von Ende 2007 sah vor, dass die Daten aller | |
Fluggäste - zum Beispiel das Reiseziel, die benutzten Zahlungsmittel, | |
Telefon- und Emailkontakte - anlasslos 13 Jahre von den nationalen | |
Sicherheitsbehörden gespeichert werden müssen. Nach einem Anschlag sollen | |
so auch jahrelang zurückliegende Reisebewegungen noch rekonstruiert werden | |
können. | |
Außerdem sollen die Daten zum Profiling genutzt werden, das heißt bisher | |
unbekannte Gefährder sollen so erst erkannt werden. Wie das vor sich gehen | |
soll, konnte bisher niemand sagen. Allenfalls können so Kontaktpersonen von | |
so genannten "Gefährdern" erkannt werden. Wer immer in der gleichen | |
Maschine wie ein Gefährder fliegt, könnte auch ein Gefährder sein. | |
Schon die damalige Justizministerin Brigitte Zypries erklärte die | |
Kommissions-Vorschläg für eindeutig verfassungswidrig und auch einige | |
andere EU-Staaten waren skeptisch. Deshalb lag der Komissionsvorschlag | |
zunächst auf Eis. | |
Mit dem versuchten Anschlag auf eine Passagiermaschine von Amtersdam nach | |
Detroit drehte sich aber der Wind. Bei einer Sitzung der EU-Innenminister | |
in Toledo wurde die Kommission im Januar aufgefordert, einen neuen | |
Vorschlag vorzulegen. Dabei sollen jetzt auch alle Flüge innerhalb der EU | |
erfasst werden und nicht nur - wie im ersten Kommissions-Vorschlag - Flüge | |
aus der EU in Drittstaaten, | |
Die Kommission wollte ihren neuen Vorschlag bereits Ende März vorlegen, | |
dürfte nun aber wohl länger brauchen, nachdem das EU-Parlament ein | |
Gesamtkonzept verlangt, das die Abkommen mit Drittstaaten (siehe Text oben) | |
und das eigene Speichersystem umfasst. | |
Das Echo im deutschen Bundestag war aber eindeutig negativ, wie eine | |
Umfrage der taz (Ausgabe vom 26. 1. 2010) ergab. Selbst der Polizeiexperte | |
der CDU-CSU-Fration, Clemens Binninger, kritisierte: "Die Daten aller | |
Fluggäste anlasslos 13 Jahre lang zu speichern, dass ist | |
verfassungsrechtlich nicht machbar". (ggf. kürzen) Ihm würde ein | |
Mechanismus genügen, der sicherstellt, dass bekannte terroristische | |
Gefährder nicht unbemerkt ein Flugzeug besteigen können. | |
Starken Rückenwind bekamen die Kritiker voriger Woche vom | |
Bundesverfassungsgericht. In dessen Urteil zur Vorratsspeicherung von | |
Telefon- und Internetdaten werden solche anlasslose Speicherungen zwar | |
nicht generell verboten, doch das Gericht machte strenge Vorgaben - die die | |
bisherigen EU-Pläne zur Speicherung von Fluggastdaten meilenweit verfehlen. | |
So heißt es zur Speicherdauer, dass sechs Monate - wie bei der Speicherung | |
der Telekom-Daten - bereits "an der Obergrenze" des Zulässigen liegen. Der | |
EU-Vorschlag zur Speicherung von Fluggastdaten sah jedoch eine 13-jährige | |
Speicherung vor. Fünf Jahre lang sollen die Daten aktiv ausgewertet werden, | |
weitere acht Jahre sollen die Daten zumindest vorhanden sein, um | |
Sachverhalte rekonstruieren zu können. Die Karlsruher Obergrenze wird also | |
um 12,5 Jahre überschritten. | |
Auch beim Speicherort wird es Probleme geben. Zu Gunsten der | |
Telekom-Vorratsspeicheurng hatte Karlsruhe gewertet, dass die Telefon- und | |
Intenret-Daten dezentral bei den Providern gespeichert bleiben und die | |
Polizei nur im Verdachtsfall auf die Daten zugreifen kann. Die Pläne zur | |
Fluggastdatenspeicherung sehen jedoch vor, dass die Daten sofort beim Staat | |
gespeichert und ausgewertet werden. Ein Verdacht soll so erst gewonnen | |
werden. Dabei entsteht ein enormes Risiko von Falschverdächtigungen. | |
Überhaupt mahnt das Verfassungsgericht bei anlasslosen Speicherungen zu | |
großer Zurückhaltung. Die Einführung der Telekom-Vorratspeicherung verenge | |
jedenfalls den Spielraum für weitere ähnliche Projekte. Eine totale | |
Erfassung der Bürger sei auf keinen Fall möglich. Ausdrücklich mahnt das | |
Verfassungsgericht deutsche Politiker, sich auch auf EU-Ebene für diese | |
Grundsätze einzusetzen. Wenn sie verletzt werden, sei die | |
"verfassungsrechtliche Identität" Deutschlands bedroht. Das heißt: dann | |
würde das Verfassungsgericht eingreifen. | |
12 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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