# taz.de -- Ramsauer über Verkehr der Zukunft: "Am Ende gibt es Grenzen" | |
> Wenn die Münchener Autobahn acht Spuren hat und der Frankfurter Flughafen | |
> vier Landebahnen, ist ein weiterer Ausbau unmöglich. Dann wird die | |
> Fortbewegung teurer, sagt Bundesminister Peter Ramsauer. | |
Bild: "Elektroautos nützen mir nichts, wenn sie in Schlaglöchern Achsbrüche … | |
taz: Herr Ramsauer, als Verkehrs- und Bauminister sind Sie für rund 70 | |
Prozent des deutschen Energieverbrauchs verantwortlich. Können Sie | |
angesichts der Prognosen zur Erderwärmung noch ruhig schlafen? | |
Peter Ramsauer: Auf dem letzten Klimagipfel in Kopenhagen wurde zwar | |
weniger erreicht, als ich erhofft hatte. Aber die Zielsetzungen fließen in | |
die Arbeit meines Ministeriums ein. Ich habe zum Beispiel schon immer dafür | |
geworben, den Anteil fossiler und nuklearer Energieträger zu verringern. | |
Allerdings halte ich eine Reduktion auf null nicht für realistisch - anders | |
als Hermann Scheer, mit dem ich im Übrigen seit vielen Jahren befreundet | |
bin. | |
Dann sind also Sie der Klimaminister? | |
Diesen Titel würde ich Norbert Röttgen niemals streitig machen. Wir sind | |
jedoch darin einer Meinung, dass mein Haus in Klimafragen ein großes Wort | |
mitreden muss. Ich habe für dieses Thema deshalb eine eigene Unterabteilung | |
gegründet. Klima und Umwelt sind wichtige Bereiche, für die ich meine | |
Mitarbeiter begeistern will. | |
Ihre Vorgänger von der SPD haben sich für das Thema zu wenig interessiert? | |
Ich mache meinen Amtsvorgängern keine Vorwürfe. Jedes Thema braucht seine | |
Zeit. Jetzt ist es so weit - und ich packe die Aufgaben beherzt an. | |
Die Ziele des Koalitionsvertrags sind gleichwohl sehr bescheiden. Zum | |
Autoverkehr heißt es beispielsweise nur, bis 2020 sollen eine Million | |
Elektroautos unterwegs sein. Das wären gerade mal 2 Prozent der | |
Fahrzeugflotte. | |
Ich habe immer gesagt: Diese Anzahl an Elektroautos ist eigentlich zu | |
wenig. | |
Wie viele sollten es denn sein? | |
Es wäre vermessen, jetzt schon eine konkrete Zahl zu nennen. Schließlich | |
geht es nicht nur um einen neuen Motor, sondern um ein völlig neues | |
Fahrzeug - mit anderen Materialien, mit einer anderen Kraftübertragung. | |
Führende Automobilhersteller in Deutschland haben mir zugesichert, dass sie | |
im Jahr 2014 mit kundentauglichen Elektroautos auf den Markt kommen werden. | |
Das halte ich für anspruchsvoll, aber realistisch. | |
Warum fördern Sie das nicht stärker, zum Beispiel mit einer Prämie für | |
Autokäufer? | |
Das ist eine typisch deutsche Diskussion. Ich kann doch keine Prämie | |
ausloben für ein Auto, das noch gar nicht auf dem Markt ist. Deshalb | |
fördern wir die Forschung und Entwicklung mit rund 2 Milliarden Euro. | |
Bei der Abwrackprämie waren Sie schneller. | |
In der damaligen Not war die Abwrackprämie vertretbar. Aber sie war | |
ordnungspolitisch höchst bedenklich. Deshalb sollte sie für künftige | |
Entscheidungen kein Vorbild sein. Hinzu kommt: Angesichts völlig | |
überforderter Haushalte können wir derzeit keine Milliardenbeträge | |
versprechen. | |
Sie könnten das Geld etwa beim Straßenbau abknapsen. | |
Dann würde ich an der falschen Stelle sparen. Die schönsten Elektroautos | |
nützen mir nichts, wenn sie in Schlaglöchern Achsbrüche erleiden. | |
Wie werden wir uns in zwanzig Jahren fortbewegen? Genügt ein neuer Antrieb, | |
oder müssen wir unser Leben umstellen? | |
Wir haben in den vergangenen zwanzig Jahren dieselben Verkehrsmittel | |
benutzt wie heute. Sie sind allerdings sicherer und umweltschonender | |
geworden. So wird es auch in den nächsten zwanzig Jahren sein. Am Ende gibt | |
es aber Grenzen. Wenn die Autobahn im Norden von München acht Spuren hat | |
und der Frankfurter Flughafen vier Landebahnen, dann ist das Ende der | |
Durchsage erreicht. Mehr Kapazitäten sind nicht mehr möglich. | |
Und dann? | |
Dann wird das der Markt regeln. Zum Beispiel wird sich der Transport von | |
Mineralwasser aus dem Chiemgau nach Japan einfach nicht mehr rechnen. Aber | |
damit wir uns richtig verstehen: Wir reden hier über eine ferne Zukunft. | |
Wird ein Politikerleben, wie Sie es führen, dann noch möglich sein - | |
werktags in Berlin arbeiten, am Wochenende in den Chiemgau fliegen? | |
Auf die Fliegerei würde ich gern verzichten, wenn mich ein anderes | |
Verkehrsmittel in der gleichen Zeit nach Traunstein brächte. Frau Künast | |
von den Grünen wirft mir immer vor, ich würde mich über die Bahn besoffen | |
reden. Ja und? Auch die Grünen werden mich nicht davon abhalten, die | |
Attraktivität der Schiene zu erhöhen. Auch nicht mit politischen Protesten | |
gegen Großprojekte wie die Y-Trasse nach Hamburg und Bremen. Dieses | |
Vorhaben ist für die Anbindung des Seeverkehrs von enormer Bedeutung. | |
Wollen Sie Gesetze ändern und Beteiligungsrechte einschränken, um den | |
Bahnausbau zu beschleunigen? | |
Das haben wir bereits getan. Anders als beim Aufbau Ost funktioniert es im | |
Westen aber nicht optimal. Da hilft nur eines: Wir müssen die Betroffenen | |
zu Beteiligten machen - die Grundeigentümer, die Bürgermeister, die | |
Anwohner. Auch den Umweltstandards kann ich mich nicht verschließen. | |
Da geraten Klimaschutz und Naturschutz in Konflikt? | |
Das sehe ich nicht. Es gibt einfach berechtigte Anliegen, die wir bei der | |
Planung berücksichtigen müssen - auch wenn es Zeit erfordert. | |
Demnächst beginnen die Verhandlungen über den Sparhaushalt 2011. Welche | |
Schienenprojekte werden Sie sich dann noch leisten können? | |
Als Chef der CSU-Landesgruppe habe ich die Schuldenbremse mitbeschlossen, | |
da kann ich vor den Haushaltszwängen nicht einfach die Augen verschließen. | |
Trotzdem: Wenn ich alle Projekte realisieren soll, die das Parlament von | |
mir verlangt, müsste es mir auch das nötige Geld bewilligen. Das würde für | |
die Schiene neue Spielräume bringen. | |
Und wenn das nicht klappt? | |
Langfristig werden wir auch auf private Mittel zurückgreifen müssen. Beim | |
Autobahnbau tun wir das bereits vereinzelt - mit öffentlich-privaten | |
Partnerschaften. Auch die Trassenentgelte könnten in die Schiene | |
reinvestiert werden. | |
Oder kommt am Ende doch der Börsengang? | |
Die Privatisierung bleibt auf der Tagesordnung, nur müssen die äußeren | |
Umstände stimmen. Bei den heutigen Börsenkursen würden wir | |
volkswirtschaftliches Vermögen verschleudern. | |
Aber die Börsenorientierung hat die Bahn doch in das aktuelle Desaster | |
geführt. | |
Die Bahn muss wirtschaftlich geführt werden. Zugleich hat sie sich an den | |
Kunden auszurichten. Meine Stichworte lauten: Pünktlichkeit, Schnelligkeit, | |
Sicherheit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit. Diese Aspekte sind in den | |
vergangenen Jahren vernachlässigt worden. In der Wirtschaftswissenschaft | |
gibt es dafür den Begriff der Grenzmoral: Man fährt das Angebot so weit | |
herunter, dass man gerade eben keine Sanktionen befürchten muss. | |
Für eine Privatisierung ist der Wettbewerb noch nicht weit genug gediehen? | |
Privatisierung ist das eine, Wettbewerb ist das andere. Wenn die Bahn nicht | |
ein Quasimonopolist wäre, dann hätte der Wettbewerb bereits mehr | |
Kundenorientierung erzwungen. | |
Welche Rolle spielt dabei die Industrie, die unsolide Züge liefert? | |
Wenn die Bahn Kosten sparen will und in ihrer Ausschreibung keine | |
dauerfesten Züge verlangt, dann bekommt sie eben nur zeitfeste Züge | |
geliefert. | |
Dann ist also die Bahn schuld, nicht die Industrie? | |
Das kann man so nicht sagen. Die Industrie hat der Bahn zum Beispiel | |
zweistellige Millionenbeträge zugesagt - aus Kulanzgründen. Insofern ist | |
die Wahrheit weder schwarz noch weiß. Die Bahn ist jedoch anderen | |
Unternehmenszielen gefolgt. Aus meinem Studium der Betriebswirtschaft kenne | |
ich dieses Denken. Das Thema "kurzfristige Erfolgsrechnung" hatte ich an | |
der Münchener Universität gelehrt bekommen. | |
Die rot-grüne Bundesregierung war also zu sehr der neoliberalen Ideologie | |
verfallen? | |
Da will ich keine einseitigen Vorwürfe erheben. Die Bahnreform wurde 1994 | |
in der Hoffnung auf einen pluralistischen Wettbewerb beschlossen. Es hat | |
sich seitdem sehr viel Positives getan. Das darf man bei allem Ärger nicht | |
vergessen. Die Staatsbahn alter Prägung wünsche ich mir jedenfalls nicht | |
zurück. | |
Der Berliner Senat erwägt nach dem Desaster bei der S-Bahn, das Unternehmen | |
selbst zu kaufen. Sind Sie als Eigentümer dazu bereit? | |
Die Berliner S-Bahn wird nicht verkauft. Da bin ich mit Bahnchef Grube | |
einer Meinung. Es gibt keinen politischen oder unternehmerischen Grund | |
dafür, dass sich die Deutsche Bahn von ihrer Tochter trennen sollte. | |
Jenseits der aktuellen Probleme hat das Unternehmen durchaus einen | |
substanziellen Wert. Und der ist bei der Bahn in guten Händen. | |
Das alles klingt nach dem kuscheligen Mittekurs der Kanzlerin, nicht mehr | |
nach der alten, rauflustigen CSU. | |
Was ich in meinem Ressort mache, ist eine ausgezeichnete Ausformung von | |
CSU-Politik. Man muss nicht Konflikte heraufbeschwören nur um des Raufens | |
willen, wie es beispielsweise Don Quichotte in der kastilischen Pampa getan | |
hat. | |
15 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralph Bollmann | |
Richard Rother | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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