# taz.de -- Schwarz-Gelb plant Akw-Laufzeiten: 20 Jahre mehr Atom | |
> Während Umweltminister Norbert Röttgen die Laufzeiten um maximal acht | |
> Jahre verlängern wollte, lässt die Regierung fürs Energiekonzept nun 20 | |
> Jahre Zuschlag durchrechnen. | |
Bild: Szenarien mit einer Laufzeitverlängerung von 5, 10, 15 und 20 Jahren. | |
In ihrem Energiekonzept, das bis zum Herbst vorliegt und die Grundlage für | |
die weitere Atompolitik bilden soll, geht die Bundesregierung von einer | |
Verlängerung der AKW-Laufzeiten von bis zu 20 Jahren aus. Wie die taz aus | |
Regierungskreisen erfuhr, sollen Szenarien mit Laufzeitverlängerungen von | |
5, 10, 15 und 20 Jahren durchgerechnet werden. Als Vergleich gilt der von | |
Rot-Grün beschlossene Atomkonsens; dieser sieht für jedes Atomkraftwerk | |
eine Laufzeit von 32 Jahren vor, sodass der letzte Reaktor 2022 vom Netz | |
ginge. | |
Mit der Festlegung auf Szenarien mit bis zu 20 Jahren Laufzeitverlängerung | |
hat sich offenbar das Wirtschaftsministerium gegen das Umweltministerium | |
durchgesetzt. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte sich zuvor | |
wiederholt dafür ausgesprochen, die Laufzeiten maximal um acht Jahre zu | |
verlängern. "Die Kernkraftwerke sind auf 40 Jahre ausgelegt, nicht auf 60 | |
Jahre", hatte er im Februar gesagt. Wenn man darüber hinausgehen würde, | |
wäre eine "ganz neue sicherheitstechnische Bewertung" nötig. Zudem hatte | |
Röttgen erklärt, dass Atomkraftwerke in dem Moment überflüssig seien, in | |
dem der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bei 40 Prozent | |
liegt; das würde nach derzeitigen Prognosen - wenn überhaupt - nur eine | |
Laufzeitverlängerung von wenigen Jahren bedeuten. | |
Röttgens Aussagen waren vom Koalitionspartner FDP und von Teilen seiner | |
eigenen Partei scharf kritisiert worden. Als Konsequenz hat das | |
Wirtschaftsministerium, das formal für die Ausschreibung des | |
Energiekonzepts zuständig ist, nun offenbar die Prüfung der deutlich | |
längeren Laufzeiten durchgesetzt. | |
Für "völligen Blödsinn" hält Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen | |
Umwelthilfe, die Szenarien, die die Regierung nun durchrechnen lassen will. | |
Obwohl im letzten Jahr mit Biblis A und B sowie Krümmel und Brunsbüttel | |
vier Atomkraftwerke nicht am Netz waren, habe Deutschland weit mehr Strom | |
exportiert als importiert. "Das zeigt, dass diese AKWs längst durch | |
erneuerbare Energien ersetzt worden sind", so Baake. "Eine pauschale | |
Verlängerung der Laufzeiten, wie die Regierung sie offenbar plant, ist | |
darum überhaupt nicht zu begründen." | |
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters wird das Energiekonzept | |
von den Forschungsinstituten Prognos und EWI berechnet, die auch schon im | |
Jahr 2007 die Energieszenarien für die große Koalition erarbeitet hatten. | |
In den zuständigen Ministerien hieß es jedoch, über die Vergabe sei noch | |
nicht endgültig entschieden. Dennoch sollen laut Wirtschaftsministerium | |
schon Mitte Mai erste Zwischenergebnisse vorgelegt werden. Der Hauptbericht | |
soll bis Ende Juni erarbeitet und bis Oktober um weitere Analysen ergänzt | |
werden. | |
Die Energiekonzerne stellen sich unterdessen offenbar schon auf die | |
verlängerten Laufzeiten ein: Den ältesten deutschen Reaktor, das AKW Biblis | |
A, will Betreiber RWE heute oder morgen wieder hochfahren - nach mehr als | |
einem Jahr pannenbedingter Wartungsarbeiten. Die Strommenge, die ihm laut | |
Atomkonsens noch zusteht, würde bei normalem Betrieb noch sechs Monate | |
reichen. Weil bis dahin nicht mit einer Gesetzesänderung zu rechnen ist, | |
bemüht sich RWE um eine Übertragung von Strommengen vom stillgelegten | |
Eon-Kraftwerk Stade. Falls dies nicht klappe, sei eine "optimierte | |
Fahrweise" eine Option, so RWE-Sprecherin Stephanie Schunck der taz - eine | |
Reduzierung der Leistung, um den Abschalttermin hinauszuzögern. | |
18 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
60 Jahre Atomlaufzeit: Union erwägt ewige Akws | |
CDU/CSU-Fraktionschef Kauder prüft eine Laufzeitverlängerung der | |
Atomkraftwerke um bis zu 28 Jahre – und ärgert damit Umweltminister | |
Röttgen. | |
Anti-Atom-Bewegung: 120 Kilometer Protest erhofft | |
Die Anti-Atom-Bewegung mobilisiert: Im Großraum Hamburg soll am 24. April | |
die bislang längste Menschenkette entstehen. Am Wochenende wird in | |
Neckarwestheim demonstriert. | |
Kommentar paradoxe Atom-Debatte: Merkels Notausstieg | |
Merkels Notbremsung vom Wochenende scheint daher die These zu bestätigen, | |
dass man über mögliche schwarz-grüne Bündnisse beiderseits nicht vor der | |
Wahl schon reden sollte. | |
Ausstieg aus dem Atomausstieg: Schwarz-Gelb kennt die Tücken | |
Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist schwierig, steht in einem | |
CDU-Strategiepapier. Doch die Spitzen von Union und FDP tun so, als wüssten | |
sie von nichts. | |
Laufzeiten und Reststrom: Die Notoperation der Atomindustrie | |
Solange der rot-grüne Atomkonsens gilt, sind drei Reaktoren nur durch den | |
Transfer von Strom am Leben zu erhalten. Experten zweifeln an der | |
Rechtmäßigkeit. |