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# taz.de -- Katholische Kirche & Missbrauch: Papst schweigt zu deutschen Fällen
> Der Pontifex prangert den Missbrauch in der katholischen Kirche recht
> deutlich an. Erzbischof Zollitsch spricht von einem Skandal. Den Laien
> aber reicht das noch lange nicht.
Bild: "Schande und Reue": Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. hat in einem Hirtenbrief die Missbrauchsfälle in der
katholischen Kirche Irlands scharf verurteilt. In dem kirchenrechtlich
nicht bindenden Schreiben an die irische Kirche sprach das Oberhaupt von
weltweit 1,1 Milliarden Katholiken von "Verbrechen" und einer "schweren
Sünde", die an schutzlosen Kindern begangen wurden. Er kritisierte zudem
deutlich das Versagen einiger Bischöfe sowie "schwerwiegende Fehlurteile"
und Fehler in der Leitung der Kirche Irlands. Eine eindeutige Bitte um
Vergebung enthält das elfseitige Papier nicht, doch es erwähnt das Bedauern
und die "Schande und Reue", die die Kirche empfinde.
Der Hirtenbrief war mit einiger Spannung auch in Deutschland erwartet
worden, weil einige gehofft hatten, dass sich der Papst auch zu den
Missbrauchsfällen der vergangen Jahrzehnte in seiner deutschen Heimat
äußern würde. Benedikt XVI. bleibt auch im Hirtenbrief bei seinem
öffentlichen Schweigen über die deutschen Fälle, dennoch macht er
grundsätzliche Aussagen über die oftmals vertuschten Verbrechen. Im
November vergangenen Jahres hatte der Staat ermittelt, dass es in der
Kirche Irlands jahrzehntelang Missbrauchsfälle und über 14.000 Opfer gab.
Es muss dringend gehandelt werden", fordert der Papst in dem für
Kirchentexte erstaunlich schnörkellosen Hirtenbrief. Direkt an die Opfer
gewandt, schreibt er: "Ihr habt viel gelitten und ich bedauere das
aufrecht." Benedikt XVI. spricht davon, dass "Ungerechtigkeiten" wieder
gutgemacht werden müssten, was wohl als Plädoyer für eine Entschädigung der
Opfer zu verstehen ist. Als Ursachen der Missbrauchsfälle sieht das
Kirchenoberhaupt, durchaus selbstkritisch, etwa Fehler bei der Auswahl der
Priesteramtskandidaten und in ihrer Ausbildung. Auch die Neigung, Skandale
vermeiden zu wollen, die Kirche zu "favorisieren" und das Versagen beim
Gebrauch der kirchenrechtlichen Strafen für die Täter benennt der Papst als
Ursachen von Missbrauchsfällen. Dazu gehöre auch eine falsche Lesart des
Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) sowie eine "wohlmeinende, aber
fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu
vermeiden". Der Papst verweist auf seine Mahnung an die irischen Bischöfe
im Jahr 2006, die Vorgaben der Justiz voll einzuhalten.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof
Robert Zollitsch, sagte, das Schreiben sei "eindeutig eine Botschaft auch
an uns in Deutschland". Der Papst habe eine "schonungslose Analyse"
vorgelegt. Der Missbrauchsskandal sei kein bloß irisches Problem, sondern
"er ist der Skandal der Kirche in Deutschland". Zollitsch wertet das
Schreiben auch als eine Bitte um Vergebung. Er räumte ein, dass die Kirche
Missbrauchsfälle auch vertuscht habe. Er persönlich habe in seinem
Erzbistum in den 90er-Jahren keinesfalls einen Missbrauchsfall vertuscht.
Laienorganisationen in der deutschen Kirche werteten den Hirtenbrief
unterschiedlich. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen
Katholiken (ZdK), Alois Glück, sagte, das Schreiben könne helfen, "die
richtigen Konsequenzen" zu ziehen. Glück forderte etwa eine engere
Kooperation der Bistümer mit der Polizei in Missbrauchsfällen und eine
bessere Priesterausbildung. Die "Initiative Kirche von unten" kritisierte,
der Hirtenbrief bleibe "bei verbaler Betroffenheit" stehen. Der Papst
ignoriere, dass die Verbrechen an die theologische Substanz gingen und die
Entfernung der Kirche von ihren Wurzeln bedeuteten. "Gerade Papst Benedikt
selbst ist einer der Architekten des Systems, das diese Verbrechen
jahrzehntelang begünstigt und vertuscht hat." Die Kirchenvolksbewegung "Wir
sind Kirche" bedauerte, dass der Papst nichts zu den hiesigen Fällen gesagt
hat. "Dies darf kein Schlussstrich sein", allenfalls der Anfang eines
langen "Läuterungs- und Umkehrprozesses".
Wenngleich Benedikt XVI. schon früher Missbrauchsfälle in der Kirche
verurteilt hat, vermeidet er eindeutige Entschuldigungen. Die letzten
Bitten um Vergebung vonseiten eines Papstes äußerte Benedikts Vorgänger
Johannes Paul II. im Jahr 2000. Auch da entschuldigte sich der Papst nur
für die Sünden der Vergangenheit.
22 Mar 2010
## AUTOREN
Philipp Gessler
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