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# taz.de -- Nach Regionalwahl in Frankreich: CO2-Steuer der Wahltaktik geopfert
> Nach der Schlappe bei den Regionalwahlen nimmt die französische Regierung
> die geplante Klimaabgabe zurück - und konzentriert sich jetzt auf die
> Rentenreform.
Bild: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy (links) und Premierminister Franco…
Eine CO2-Abgabe auf fossilen Energien steht in Frankreich nicht mehr auf
der Tagesordnung. Nach der Schlappe bei den Regionalwahlen gab die
Regierung bekannt, dass die Abgabe "sine die" verschoben sei. Stattdessen
soll sich nun die EU darum kümmern. Das hat am Dienstag Premierminister
François Fillon vor den Abgeordneten der Regierungspartei UMP erklärt.
Dass nicht Präsident Nicolas Sarkozy die Rücknahme der Initiative
ankündigt, die eine der großen Prioritäten seiner Präsidentschaft sein
sollte, sondern sein Regierungschef, ist bezeichnend. Die Schlappe bei den
Regionalwahlen wurde allgemein als persönliche Niederlage des Präsidenten
analysiert. Sie hat ganz offensichtlich eine Neuverteilung der Rollen und
des politischen Gewichts ausgelöst. Fillon hat die Geschäftsführung
übernommen. Er macht zunächst eine Inventur der Umweltpolitik des
Präsidenten: "Alle Beschlüsse im Bereich der nachhaltigen Entwicklung
müssen in Bezug auf unsere Wettbewerbsfähigkeit analysiert werden. Das gilt
auch für die Kohlenstoffabgabe."
Die Idee einer Energiesteuer zur Verminderung des Erdöl-, Gas- und
Kohlenverbrauchs wird nicht verworfen, sondern mit dem Ziel einer
gemeinsamen und konzertierten Klimapolitik an die Europäische Union
weitergereicht. Fillon möchte, dass eine diesbezügliche Entscheidung nur
"zusammen mit den anderen europäischen Ländern" getroffen wird. Noch vor
Kurzem wollte Sarkozy, dass Frankreich mit der Einführung einer Klimaabgabe
als Musterschüler in Europa vorangeht. Die Abgabe auf fossile Energie
sollte nach und nach die steuerliche Belastung der Arbeit ersetzen.
Diese ehrgeizigen Reformpläne sind nun "passé". Und wahrscheinlich nicht
nur im Umweltschutz, sondern auch bei der "Moralisierung des
Finanzkapitalismus" und im Kampf gegen Steuerflucht und -hinterziehung. Die
französische Staatsführung ist dabei, ihre Prioritäten im Licht der
vorhandenen Mittel und Kräfteverhältnisse zu überprüfen.
Geplant war ursprünglich eine mit den Jahren wachsende Abgabe pro Tonne
Kohlendioxidausstoß beim Verbrauch fossiler Energieträger im Verkehr, bei
der Heizung und in der Produktion. Eine erste Vorlage wollte aus
Wettbewerbsgründen die Industrie von dieser zusätzlichen Steuer verschonen,
weil sie bereits andere europäische Klimavorgaben respektieren muss. Dieses
Gesetz wurde vom Verfassungsgericht für nicht konform mit dem Grundsatz der
Gleichbehandlung und somit ungültig erklärt. Gegen eine Ausweitung der
Abgabepflichtigen und gegen das Prinzip einer Besteuerung ihres
Energieverbrauchs protestierten Bauern, Straßentransportfirmen und die
Industrie. Auch die bürgerliche Parlamentsmehrheit war für diesen Druck aus
Wirtschaftskreisen nicht unempfindlich.
Der Arbeitgeberverband reagierte darum mit Erleichterung auf Fillons
Ankündigung, dass diese Klimasteuer nun nicht mehr auf seinem Programm
steht. In der Staatskasse jedoch werden Ende des Jahres mehr als zwei
Milliarden Euro fehlen, die bereits als Einnahmen der Klimasteuer von der
Privathaushalten eingeplant waren. Insgesamt sollte die Klimaabgabe pro
Jahr 4,5 Mrd. Euro einbringen. Im Gegenzug war aber bereits eine andere
Steuer für Firmen, die so genannte "Taxe professionelle", abgeschafft
worden. Der Verzicht auf die Klimaabgabe bringt den Staatshaushalt aus dem
Lot.
Die links-grüne Opposition kritisiert die Aufgabe der Klimaabgabe als
Kapitulation vor Wirtschaftsinteressen. Der frühere sozialistische
Premierminister Michel Rocard, der zusammen mit seinem bürgerlichen
Kollegen Alain Juppé die Vorschläge zur Einführung eine Klimasteuer
ausgearbeitet hatte, meint bedauernd: "Die Regierung spielt das
Kurzfristige gegen das Langfristige aus, das ist nie gut in der Politik."
Die Ökologie-Staatssekretärin Chantal Jouanno distanzierte sich vom
Verzicht auf die Klimaabgabe. Sie sei "nicht auf dieser Wellenlänge" und
finde es "zum Verzweifeln, dass die Öko-Skeptiker obsiegen". Das einzige
Klima, für das sich Sarkozy, der seine "grüne" Rhetorik über Bord geworfen
habe, jetzt noch interessiere, sei das innerhalb seiner Partei und
Mehrheit, meint die linksliberale Libération. Er müsse dem Unmut in der UMP
Rechnung tragen. Nun werden alle Kräfte für die nächste "Schlacht", die
Rentenreform, gesammelt. Auf den Linksrutsch bei den Wahlen folgt eine
Rechtswende der Regierungspolitik.
25 Mar 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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