# taz.de -- Sechs Monate Wehrpflicht: Kampf der Konzepte | |
> Verteidigungsminister Guttenberg stellt sein Modell für die sechsmonatige | |
> Wehrpflicht vor. Zwei Tage vorher präsentiert die FDP ein eigenes | |
> konträres Papier. | |
Bild: Sogar bei der Verkürzung der Wehrpflicht sind sich FDP (links Westerwell… | |
An das Warten hat sich der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold schon | |
gewöhnt. Aber das Schimpfen darüber hat er noch nicht aufgegeben. "Nichts | |
als öffentliche Ankündigungen", murrt er auf den Fluren des Bundestages. | |
"Typisch Guttenberg, der macht ne Überschrift und die Substanz fehlt. Na | |
ja." Arnold brummt. | |
Im Herbst, nachdem die schwarz-gelbe Koalition die Verkürzung der | |
Wehrpflicht in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte, hatte | |
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angekündigt, er werde bei | |
der Erarbeitung eines Konzepts die anderen Fraktionen einbinden. Er sagte | |
das auch mit Blick darauf, dass der eigene Koalitionspartner, die FDP, die | |
Wehrpflicht eigentlich abschaffen will. Wie auch Grüne und Linke. | |
Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, holte also sein | |
Papier von 2007 wieder heraus, in dem er eine "freiwillige Wehrpflicht" | |
entwirft. Ein kompliziertes Modell, in dem die Wehrpflicht keine Pflicht | |
mehr ist, aber auch nicht abgeschafft wird. Und Arnold wartete. Vor zehn | |
Tagen gab zu Guttenberg dann überraschend in einem Interview bekannt, sein | |
Konzept sei fertig. Am gestrigen Mittwoch stellte er im | |
Verteidigungsausschuss die Eckpunkte erstmals vor. | |
Demnach müssen Wehrdienstleistende in Zukunft nur noch zwei statt drei | |
Monate Grundausbildung absolvieren. Ein weiterer Monat soll nur dann | |
angehängt werden, wenn er für die Einheit, in der der Wehrdienstleistende | |
danach eingesetzt wird, das für nötig hält. In mehrere Teile gesplittet | |
werden kann der Dienst in Zukunft nicht mehr, Urlaubstage wird es nur noch | |
im mittleren einstelligen Bereich geben. Die Zahl der einzuberufenden | |
Grundwehrdienstleistenden soll auf 50.000 erhöht werden, im vergangenen | |
Jahr lag sie bei etwa 46.000. | |
Vielleicht war es die Reaktion auf zu Guttenbergs Kritik, er sei enttäuscht | |
über die geringe Beteiligung anderer Fraktionen an dem Konzept, | |
wahrscheinlich war es Provokation: Zwei Tage vor zu Guttenberg hatte die | |
FDP ein Eckpunktepapier zur Wehrdienstreform vorstellt. Mit konträren | |
Inhalten. | |
Der Dienst solle hin zu "einer besseren Nachwuchsgewinnung von | |
längerdienenden Soldaten sinnvoll genutzt werden", formuliert die FDP. Sie | |
schlägt vor, in die Ausbildung Praktika bei anderen Truppengattungen und | |
Teilstreitkräften je nach Wunsch zu integrieren. Als ersten Vorteil listet | |
das Papier auf: "Aktive Truppenwerbung durch gute und fundierte | |
Informationsmöglichkeiten (Modell für die Truppenwerbung der Zukunft!)." | |
Eine Guerillataktik gegen die Wehrpflicht. "Das wäre ein klarer | |
Verfassungsbruch", sagt Arnold. Männer zum Wehrdienst zu verpflichten, ist | |
laut Grundgesetz nur möglich, solange es für die Landesverteidigung nötig | |
ist. Das stellen Wehrpflichtgegner schon heute in Frage, der FDP-Vorschlag | |
gibt es zu. | |
"Praktika wird es nicht geben", sagt Norbert Rahn, Sprecher im | |
Bundesverteidigungsministerium zu dem Thema. Nachwuchsgewinnung sei ein | |
positiver Nebeneffekt des Wehrdienstes, kein Grundzweck. Einen Schritt in | |
die Richtung will das Ministerium allerdings gehen: "Ein Ziel ist, bei der | |
Wahl der Einsatzstelle noch mehr auf die zivilberufliche Qualifikation | |
einzugehen", sagt Rahn. Den Bürokaufmann wolle man gezielter als bisher in | |
die Schreibstube setzen. | |
Die Regierung will das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden. | |
Geplant ist, dass es erstmals für die Wehrdienstleistenden in Kraft tritt, | |
die zum ersten Oktober eingezogen werden. Zu spät, meint die FDP. Im | |
Koalitionsvertrag steht das "Ziel, die Wehrdienstzeit bis zum 1. Januar | |
2011 auf sechs Monate zu reduzieren". Bei allen bisherigen Verkürzungen | |
hieß dieser Stichtag, dass alle, die bis zu diesem Zeitpunkt sechs Monate | |
geleistet haben, entlassen werden können. Damit wären auch die | |
Wehrdienstleistenden vom 1. Juli betroffen. Die FDP will sie nicht | |
ungerecht behandeln. Und ihren Koalitionspartner provozieren. | |
25 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Luise Strothmann | |
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