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# taz.de -- Berliner Polizei bekommt neue Uniformen: Beginn der blauen Periode
> Nach gut dreißig Jahren in Olivgrün und Beige tragen Berlins
> Ordnungshüter wieder blaue Uniformen. Die Umstellung galt lange als zu
> teuer - bis am Ende der Trend siegte.
Bild: Blau, blau, blau … ist seit Neuestem auch die gute alte Berliner Polizei
Seit zwei Wochen sehen immer mehr Berliner blau: Mit den Beamten des
Abschnitts 32 im Bezirk Mitte tragen die ersten Hauptstadt-Polizisten die
Uniformen in der neuen Farbe. So stolz war Polizeipräsident Dieter Glietsch
bei der Vorstellung der Kollektion, dass er sogar die bisherige
Zeitrechnung außer Kraft setzte. "Es ist ein Schritt von der Antike zur
Moderne", verkündete Glietsch, bezog sich dabei aber mehr auf das neue
Online-Bestellverfahren für die Polizeiausstattung als auf die Farbe des
Outfits.
Zu Recht, denn das Polizei-Blau ist im Grunde nichts anderes die Neuauflage
einer ebenso traditionellen wie altbackenen Polizeimode. "Der
Mariannenplatz war blau, so viel Bullen waren da", sangen die Politrocker
von Ton Steine Scherben 1972 über die Räumung des selbstverwalteten
Georg-von-Rauch-Hauses im ehemaligen Bethanien-Krankenhaus in Kreuzberg.
Allerdings war es nicht Rio Reisers Song, der kurz darauf den ersten
Farbenwechsel bei der deutschen Polizei einleitete. Vielmehr, so die
Philosophie der damaligen Innenminister, würden dunkle Farben zumeist mit
Stärke und "Bösem" assoziiert, helle hingegen eher mit "Gutem" und
Freundlichkeit.
Die Polizei sollte also bürgerfreundlicher daherkommen. Und so erhielt der
Modeschöpfer Heinz Oestergaard den Auftrag, eine neue, bundeseinheitliche
Uniform zu kreieren. Als Einkleider von Prominenten und Berater des
Versandhauses Quelle stand Oestergaard quasi dafür, auch schickes Aussehen
zu demokratisieren. Das passte also zusammen.
Mit dem Jahr 1976 ging auch die blaue Periode der Polizei zu Ende. Berlins
Beamte trugen ab dem 1. Februar 1977 das neue Outfit. Farblich liegt die
polizeiliche Antike also gerade einmal 33 Jahre zurück. Auf echte
Begeisterung stieß der Wechsel damals nicht: Die Hose zu beige, die Jacke
zu grün. Wie Förster kämen sie sich vor, jammerten die Ordnungshüter. Und
überhaupt zwicke es überall, und generell sei alles zu "leicht
entflammbar", maulten die Gewerkschaften. Die grüne Uniform, die er selbst
jahrzehntelang getragen habe, "hat den Dienstanforderungen nie wirklich
entsprochen", findet heute auch Polizeipräsident Glietsch.
Bemerkt hat man davon über all die Jahre eigentlich nichts. Erst
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) besann sich im Sommer 2002 darauf,
dass die meisten europäischen Polizeien Blau tragen - er erkannte darin
einen "Nachholbedarf" für Deutschland. Während die Innenministerkonferenz
noch fröhlich über diesen Einfall stritt, wurde an der Alster bereits
polizeiliche Modegeschichte geschrieben. Hamburgs politisch kurzlebiger
Innensenator Ronald Schill fand Schilys Idee so gut, dass er den Designer
Luigi Collani im Alleingang beauftragte, die "schärfsten Uniformen des
Kontinents" zu entwerfen. Seit Herbst 2003 laufen die Polizisten in der
Hansestadt in einer Mischung aus Hollywood-Cop und Handelsmarine herum.
Wenig später folgte Innenminister Schily dem Beispiel, benannte den
Bundesgrenzschutz in Bundespolizei um und steckte diesen in blauen Zwirn.
Berlin stemmte sich zunächst gegen den Trend. "Das ist nicht kostenneutral
umzusetzen und kein dringliches Problem", hieß es aus dem Haus von
Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
schloss sich dieser Meinung an. Laut einer GdP-Umfrage vom Sommer 2004 war
den Berliner PolizistInnen die Farbe der Uniformen eher egal - nur bequemer
sollten sie werden.
Kaum ein halbes Jahr später sah die Sache anders aus. In einem Leser-Voting
des Tagesspiegels befürworteten mehr als 53 Prozent blaue Polizeiuniformen.
Auch Berlins GdP-Chef Eberhard Schönberg fand Blau nun "schicker".
Angesichts dessen wollte Innensenator Körting kein Modemuffel mehr sein -
er erkannte jetzt einen Trend, dem sich Berlin "nicht widersetzen" werde.
Zumal unterdessen in Brandenburg bereits die ersten Blaumänner getestet
wurden.
Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linkspartei im Herbst 2006
setzten dem geplanten neuen Polizei-Chic erst mal wieder ein Ende. Dem
Sparzwang folgend war Blau gemäß Goethes Farbenlehre wieder "ein reizendes
Nichts". Grüner Uniformersatz wurde "zum Schnäppchenpreis" (Körting) aus
den Altbeständen bereits blauer Bundesländer aufgekauft. "Peinlich und
traurig" fand das GdP-Landesgeschäftsführer Klaus Eisenreich. Das Blatt
wendete sich wieder, als Polizeipräsident Dieter Glietsch im Spätsommer vor
zwei Jahren eine Modenschau der Zentralen Beschaffungsstelle (ZfB) der
Polizei im brandenburgischen Wünsdorf besuchte. Offenbar gefiel, was er
dort sah, denn die schrittweise Beschaffung der neuen Polizeiklamotten wird
nun über die ZfB abgewickelt.
Unstimmigkeiten gab es im Vorfeld nur über die Form der neuen Mützen. "Aber
ich werde mich mit dem Polizeipräsidenten doch nicht um rund oder eckig
streiten", meint Karl-Heinz Dropmann vom Gesamtpersonalrat der Berliner
Polizei. Also befragte man die PolizistInnen selbst. Heraus kam ein
achteckiger Look im Stil "New York Cop". "Die wird man auf aber der Straße
kaum sehen", glaubt Dropmann, "die werden vermutlich alle eher das Basecap
tragen."
Bis Ende 2011 sollen alle Berliner PolizistInnen blau daherkommen. Dropmann
ist da eher skeptisch. "Bis ich damals meine grüne Uniform gekriegt habe,
sind gute drei Jahre vergangen", sagt er. Also erst mal eine
Patchwork-Polizei? Wie auch immer - je nach Ausstattung zwischen 780 und
820 Euro kostet jede neue Kluft in Outdoor-Qualität nach GdP-Angaben. Rund
17 Millionen Euro lässt sich die Stadt das kosten.
Laut dem Diplom-Psychologen und Autor des "Großen Handbuch der Farben",
Klausbernd Vollmar, drückt die Farbe Blau "Gediegenheit und Ruhe" aus. Es
schwingt aber "auch Macht mit, da die Farbe mit höheren Instanzen und auch
oft mit Gott in Verbindung gebracht wird". Um Himmels willen, das bitte
nicht. OTTO DIEDERICHS
3 Apr 2010
## AUTOREN
Otto Diederichs
## TAGS
Uniform
Polizei
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