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# taz.de -- Küstenschutz: Deiche kriegen auf den Deckel
> Mit breiteren Deichen will Schleswig-Holstein dem Anstieg des
> Meeresspiegels begegnen. Wissenschaftler: Marsch zur Seenlandschaft
> umgestalten.
Bild: Könnte bald zu beiden Seiten auf Wasser blicken: Deichschaf in Schleswig…
Mit einem neuen Generalplan Küstenschutz will Schleswig-Holsteins
Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Juliane Rumpf
(CDU), den Auswirkungen des Klimawandels begegnen. „Ohne Deiche stünde ein
Viertel des Landes mehrmals im Jahr unter Wasser“, sagte Rumpf am
Donnerstag in Brunsbüttel. Die Politik müsse sich auf einen Anstieg des
Meeresspiegels von „bis zu eineinhalb Metern“ bis zum Ende des Jahrhunderts
einstellen. Deshalb müsse die zehn Jahre alte Planung bis Ende 2012
grundlegend überarbeitet werden. Erstmals werde auch ein Schutzplan für die
Ostsee erstellt werden, „um der gewachsenen Bedeutung des Schutzes an der
Ostseeküste Rechnung zu tragen“.
Von zentraler Bedeutung sei es, so Rumpf, „ausreichend Freiräume für
künftige Küstenschutzmaßnahmen“ zu schaffen und eine „neue Deichbauweise…
festzuschreiben. Dazu soll die Außenböschung der Meeresdeiche mit einer
flacheren Neigung ausgestaltet und die Deichkrone von bisher 2,5 auf fünf
Meter verbreitert werden.
Das erhöhe kurzfristig die Sicherheit und schaffe zudem langfristig „eine
Baureserve für spätere Nachverstärkungen“, wie das Ministerium bereits im
vorigen September angekündigt hatte. Dadurch könnte noch in Jahrzehnten mit
geringem Aufwand den Deichen eine zusätzliche „Kappe“ aufgesetzt werden.
Im Land zwischen Nord- und Ostsee leben etwa 300.000 Menschen in den
Küstenniederungen. Bisher werden Deichverstärkungen mit einem
„Klimazuschlag“ von 50 Zentimetern Höhe ausgeführt. 36 Kilometer
Landesschutzdeiche wurden bereits verstärkt, weitere 76 Kilometer sollen
folgen. Allein im laufenden Jahr werden nach Rumpfs Angaben 60 Millionen
Euro für den Küstenschutz ausgegeben.
Nach Auffassung des Meeresforschers Karsten Reise sollte jedoch besser die
Nordseeküste „am Reißbrett“ neu gestaltet werden: „Die ganze Landschaft
muss umstrukturiert werden“, damit die Küste mit dem steigenden
Meeresspiegel mitwachsen könne, sagt der Leiter des
Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in List auf Sylt.
Verstärkte und erhöhte Deiche reichten in Zukunft wahrscheinlich nicht aus,
um die Küstenbewohner vor Sturmfluten zu schützen, erklärt der Experte:
„Wenn der Meeresspiegel höher steigt, geht vor den Deichen der
Wattenmeer-Puffer verloren.“ Bislang wirke die flache Küste nämlich wie ein
Wellenbrecher. Aber bei der künftigen Geschwindigkeit des Klimawandels
wachse die Küste nicht mehr mit, befürchtet Reise: „Sie geht einfach
unter.“
Deshalb müsse die küstennahe Marschlandschaft umstrukturiert werden. Die
Deiche sollen als Sturmflutbarrieren bleiben, hinterm Deich aber solle das
Land nicht mehr entwässert, sondern teilweise sogar wieder unter Wasser
gesetzt werden: Häuser müssten dann auf Pontons oder auf Warften gebaut
werden und Landwirte ihr Gemüse in schwimmenden Treibhäusern anbauen oder
auf Wasserfarmen mit Fischzucht umsatteln. Natürlich wolle niemand die
ganze Marsch unter Wasser setzen, versichert Reise: „Aber man kann eine
Hälfte vertiefen und die andere erhöhen.“ Ein solche künftige
Seenlandschaft könne auch „touristisch sehr interessant sein“.
Ministerin Rumpf setzte am Donnerstag erstmal den ersten Spatenstich für
eine Deichverstärkung vor Brunsbüttel. Für 20 Millionen Euro soll ein mehr
als 50 Jahre alter Deich erhöht werden. Anlass für die örtliche
Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe, auf die zusätzlichen
Gefahren für die Deichsicherheit durch den Neubau von drei Kohlekraftwerken
in der Kleinstadt an der Elbmündung hinzuweisen. Die Umweltministerin sei
„gleichermaßen für die Kohlekraftwerke, Klimawandel und Deichsicherheit
zuständig“, erinnerte Sprecher Karsten Hinrichsen: „Sollte Rumpf die
geplanten Kohlekraftwerke, die den Klimawandel mit ihren enormen
CO2-Emissionen zusätzlich anheizen würden, tatsächlich genehmigen, dann
wäre dies eine inkonsequente Politik.“
2 Apr 2010
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
Sven-Michael Veit
## TAGS
Küstenschutz
Deiche
Schleswig-Holstein
Ostsee
Nordsee
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Kommentar Küstenschutz: Höhere Deiche für neue Kohlemeiler
Über die Folgen des Klimawandels und den Umgang mit ihnen wird weiter
trefflich gestritten. Und in Schleswig-Holstein, meerumschlungen, ist die
Diskussion naturgemäß besonders intensiv.
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