# taz.de -- Uferstreit in Potsdam: Neue Mauern am Mauerweg | |
> Am Groß Glienicker See tobt ein Kampf: Anwohner riegeln ihre Grundstücke | |
> ab, die Stadt Potsdam droht mit Enteignung. Der Uferweg, Symbol der | |
> Vereinigung, spaltet erneut. | |
Bild: Das will hoffentlich keiner wiederhaben: Ein Mauerrest am Griebnitzsee. | |
Flanieren entlang dem See, Picknick am Ufer, Baden in der Frühjahrssonne - | |
diese Idylle gehört am Groß Glienicker See der Vergangenheit an. | |
Stattdessen liefern sich Anwohner des zwischen Potsdam und Berlin geteilten | |
Sees und Politiker sowie Bürger aus dem Ort seit Wochen eine unappetitliche | |
Schlammschlacht. Der Streit dreht sich um das Zugangsrecht zum Ufer und | |
gipfelte zur Wochenmitte in der Androhung der Stadt Potsdam, Anrainer | |
notfalls zu enteignen. | |
Am Montagabend demonstrierten 250 Menschen am See gegen vier Anwohner, die | |
den Uferweg auf ihren Grundstücken für die Allgemeinheit gesperrt hatten. | |
Demonstranten begannen, auf dem Weg gepflanztes Grün aus dem Boden zu | |
reißen. Ein Wachmann schritt ein, es kam zum Handgemenge. Der Mann und sein | |
Gegenüber zeigten sich gegenseitig an, Anwohner und Wachleute erstatteten | |
Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Nötigung. | |
Die Stadt Potsdam hat den Anrainern nun ein Ultimatum gestellt: Wenn sie | |
den Weg bis Freitag nicht freiräumen, müssen sie ein Zwangsgeld vermutlich | |
in vierstelliger Höhe zahlen. Zugleich sollen etwa zehn Anwohner in dieser | |
Woche Kaufangebote für die Grundstücksteile erhalten, auf denen der Weg | |
verläuft. Formal ist das der erste Schritt zur Enteignung; zwar betont | |
Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) den Willen zur gütlichen Einigung, | |
stellt aber klar: Notfalls wird Eigentum entzogen. | |
Anwohner-Anwalt Christoph Partsch sagt, bisher sei kein Angebot | |
eingegangen. Ohnehin habe die Stadt schon seit Langem die Möglichkeit | |
gehabt, Flächen zu kaufen. "Aber die Stadt wollte sie für 500 Prozent unter | |
Wert haben", sagt Partsch. Die Stadtverwaltung kontert, die Preise | |
orientierten sich am Verkehrswert. Viel mehr solle es nicht geben, sagt | |
Sprecher Stefan Schulz. Die Stadt sei bereit, vor das Verwaltungsgericht zu | |
ziehen, Anwalt Partsch droht mit dem Gang vors Bundesverfassungsgericht. | |
Der Weg war seit 1990 öffentlich zugänglich. Der einstige Postenweg der | |
DDR-Grenztruppen ist Teil des Mauerwegs, der auf fast 200 Kilometern Länge | |
durch und um Berlin führt. Auf dem Bebauungsplan ist das 2,5 Kilometer | |
lange Stück eingezeichnet, allerdings nicht in exaktem Verlauf - der Weg | |
ist nicht formal festgeschrieben. Die Verhandlungen um den Uferzugang | |
laufen seit Jahren; Anwohner haben der Stadt wiederholt vorgeworfen, | |
Verhandlungen zu verzögern und letztlich die Flächen ohne angemessene | |
Gegenleistung haben zu wollen. Die Potsdamer Politiker wiederum hätten | |
Ärger vermeiden können, hätten sie beim Erstellen des Bebauungsplans | |
handwerklich sauber gearbeitet. | |
Schon beim vorangegangenen Streit um das Ufer am Griebnitzsee war den | |
Verantwortlichen vorgeworfen worden, nur zu reagieren, anstatt eine Lösung | |
im Sinne des Allgemeinwohls zu forcieren. Der Uferweg dort ist seit dem | |
Sommer gesperrt. Ein neuer Bebauungsplan liegt aus. "Wenn der beschlossen | |
ist, wollen wir einen Weg finden, um das Ufer freizubekommen", sagt Schulz. | |
Auch am Griebnitzsee handelt es sich um den Mauerweg. Indes war dort auf | |
den Plänen gar kein Weg eingezeichnet; mehrere Gerichte hatten den | |
Anwohnern das Recht zum Abriegeln ihrer Grundstücke zugestanden. | |
In Groß Glienicke ist eine Lösung in weiter Ferne. Nun rissen Eigentümer | |
auch noch am Nordufer den Betonweg auf; ein herbeigeeilter Ortsbeirat | |
erreichte zumindest, dass die Baustelle mit Flatterband abgeriegelt wurde | |
und Passanten weiter durchgehen dürfen. Die Groß Glienicker, geprüfte | |
Leidtragende zwischen den Fronten, wollen regelmäßig montags demonstrieren. | |
8 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mauerradweg in Berlin: Geschichts-Erfahrung mit Lücken | |
Der Mauerradweg auf dem alten Grenzstreifen rund um Westberlin ist in | |
desolatem Zustand. Rot-Schwarz hat ihn vernachlässigt. Der Beginn der | |
Sanierung ist offen. | |
Kommentar zum Uferstreit in Potsdam: Die Arschlöcher von Potsdam | |
Die Dreistigkeit der Eigentümer zeigt: Am Groß Glienicker See ist ein | |
Machtkampf im Gang. |