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# taz.de -- Selbsttötung hinter Gittern: Abschiebehaft erneut am Pranger
> 34-jährige Indonesierin erhängte sich im Frauengefängnis. Politikern
> kommen langsam Zweifel an der Abschiebehaft. Schwarz-Grün will die
> Abschiebepraxis am Runden Tisch untersuchen.
Bild: Bittere Bilanz: Justizsenator Till Steffen (GAL).
Schon wieder ein Suizid in Abschiebehaft: Die Indonesierin Yeni P. ist am
Freitagmorgen von einer Justizvollzugsbeamtin im Frauengefängnis
Hahnöfersand tot aufgefunden worden. Sie hatte sich in ihrer Zelle erhängt.
Die 34-jährige P. war am 23. Februar in Untersuchungshaft gekommen. Am 9.
März ordnete das Amtsgericht Barmbek zudem präventive Abschiebehaft an,
noch ehe es P. am 7. April wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu
drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilte. Am 9. April war sie dann nach
Hahnöfersand verlegt worden.
Der zweite Suizid innerhalb weniger Wochen löste am Freitag allseits Kritik
an der Abschiebehaft aus. Der neuerliche Vorfall "hat mich tief getroffen",
erklärte der grüne Justizsenator Till Steffen. "Wir tragen derzeit alle
Informationen zu Yeni P. und ihrem Selbstmord zusammen und prüfen kritisch
die Abläufe."
Die Fraktionen von CDU und GAL kündigten an, einen Runden Tisch zur
"Abschiebepraxis" einzuberufen sowie in der kommenden Sitzung des
Innenausschusses die Selbstbefassung zu beantragen. An der Sitzung sollen
auch die Mitglieder des Rechtsausschusses teilnehmen. Ziel sei eine
transparente Information über Hintergründe und Umstände dieses Suizids.
"Dieser zweite tragische Fall innerhalb kurzer Zeit macht uns deutlich,
dass die Koalition dieses sensible Thema bewegen muss", sagte die
GAL-Innenpolitikerin Antje Möller.
Am Runden Tisch werde es aber auch um weitere Fragen gehen, so Möller:
"Etwa zur Rolle der Haftrichter, zur Berücksichtigung der psychosozialen
Situation der Betroffenen und zu den möglichen Alternativen, die es zur
Abschiebehaft gibt." Auch der CDU-Abgeordnete Kai Voet van Vormizeele
sagte, es sei "nicht akzeptabel, dass Menschen nur noch den Ausweg des
Selbstmordes sehen". Er erhoffe sich vom Runden Tisch Hilfestellung.
Der SPD-Parlamentarier Andreas Dressel kritisierte die Abschiebepolitik des
Senats: "Hier stimmt etwas nicht." So habe die Koalition erst kürzlich
einen SPD-Antrag abgelehnt, der "Regeln für Abschiebehaft" gefordert habe.
Der Linkspartei-Abgeordnete Mehmet Yildiz übte sich in Sarkasmus: "Wie
viele Tote muss es noch geben, bis der Senat Flüchtlinge endlich
menschenwürdig behandelt?" Seine Fraktionskollegin Christiane Schneider
forderte ein sofortiges Ende der Abschiebehaft: "Es ist eine Schande, dass
diese Praxis auch unter Schwarz-Grün fortgesetzt wird."
16 Apr 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
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