Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flugverbot in Leipzig: Die Ruhe im lautesten Dorf
> Die Bewohner von Kursdorf bekommen sonst die Dröhnung des Airports
> Leipzig ab. Jetzt ist es still. Aber keiner freut sich.
Bild: Auch die Frachtmaschinen müssen in Leipzig am Boden bleiben.
KURSDORF taz | Eine schwarze Katze lauert in der Wiese auf Beute. Ihr
Ehrgeiz ist begrenzt. Die Sonne scheint. Die Blüten des Goldregens leuchten
gelb. Eine ländliche Idylle, wie sie sich an diesem und anderen Sonntagen
tausende Male in Deutschland zeigt. Auch in Kursdorf ist es an diesem
Mittag sehr ruhig - so ruhig wie seit Jahren nicht. Keine Boeing 757 lässt
die Hauswände zittern, kein Antonov-Schwertransporter dröhnt nur wenige
Meter entfernt über die Startbahn. 464.291 Passagiere sind in den ersten
drei Monaten dieses Jahres vom Flughafen Leipzig-Halle losgeflogen. 150.107
Tonnen Luftfracht sind neben, über und um Kursdorf herum auf den Weg
gebracht worden, an dem riesigen ostdeutschen Drehkreuz.
Es gibt einen Grund, warum manche diesen Ort, der direkt daran grenzt, das
"lauteste Dorf Deutschlands" nennen. An diesem Sonntag hat die isländische
Vulkanasche ihm Stille geschenkt. Keine Maschine verlässt den Flughafen
Leipzig-Halle. Die Hallen sind leer. Es ist recht ruhig in Kursdorf. Und
trotzdem hat Gunter Beyer kaum bessere Laune als sonst.
Der Kfz-Meister steht im Blaumann in seiner Werkstatt und schraubt an
Autoteilen herum. Der überraschenden Pause vom Krach der Turbinen kann er
nicht viel abgewinnen. "Mir ist das gleich", sagt Beyer. Und es klingt, als
würde er die Ruhe kaum wahrnehmen. Vielleicht liegt das daran, dass sein
Dorf ohnehin gerade ausstirbt. Etwa zwanzig Leute von einst 300 leben noch
in ihren Häusern. Der Rest ist fortgezogen. Weg vom Lärm und Gestank des
Leipziger Flughafens. Gunter Beyer ist geblieben, erst einmal.
Es ist zu spüren, dass der Kampf gegen den Ausbau des Rollfelds Narben
hinterlassen hat. Oft fallen die Worte "der kleine Mann" und "die Großen da
oben". Er sei damit durch, sagt Beyer, und bekräftigt doch mit jedem Satz,
dass es ihn noch immer aufregt. Lange haben sich die Kursdorfer gegen den
übermächtigen Flughafen, gegen Beamte und die Landesregierung gewehrt.
Jetzt hat sogar Gunter Beyer aufgegeben. Er ist nur Halbtags-Kursdorfer.
Gerade baut der 55-Jährige ein neues Haus in Schkeuditz. Der Flughafen hat
ihm das Grundstück als Austauschland angeboten. Für Leipziger liegt auch
Schkeuditz direkt am Airport. Auch dort klagen viele Einwohner über
Fluglärm. "Es ist schon deutlich ruhiger", sagt dagegen Beyer. Hinter ihm
surrt der Verkehr der Autobahn 14, den er kaum wahrnimmt. Wer hier wohnt,
darf nicht empfindsam sein.
Die Start- und Landebahnen ragen quasi in die Vorgärten der Leute.
"Erholung am Rollfeld" nennt sich selbstironisch eine winzige
Kleingartenanlage. Sie umfasst nur wenige Parzellen. Von der ungewöhnlichen
Ruhe fühlt sich niemand eingeladen. Alle Gärten sind leer.
Das Gros der Kursdorfer hat dem Ort den Rücken gekehrt. Die Fenster der
leerstehenden Häuser sind von heruntergelassenen Jalousien verdeckt. An der
Anschlagtafel neben der Bushaltestelle hängt hinter Glas ein
Einladungsschreiben für eine Ortschaftsversammlung im August 2007. Nur die
Ansetzungen des FSV Kursdorf sind aktuell. Der Verein aus der Kreisklasse
existiert noch. Nahezu alle Spieler wohnen aber im Exil.
An diesem Sonntag finden sich fünf Autos über das Dorf verteilt. Ein junger
Mann mit Baseballkappe wäscht seinen Wagen. "Mir ist das egal mit den
Flugzeugen", sagt er und zieht an seiner Zigarette. Dazu rauscht die
Autobahn.
***
Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne
Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns
freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können
wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.
Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 |
Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".
19 Apr 2010
## AUTOREN
Christian Grimm
## TAGS
Protest
Protest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protest gegen Flughafenausbau Leipzig: DHL-Blockierer wieder frei
Weil sie die DHL blockiert hatten, wurden rund 50 Menschen in
Polizeigewahrsam genommen. Manche kritisieren eine „entwürdigende
Behandlung“.
Protest gegen Flughafenausbau in Leipzig: 49 Aktivist:innen in Gewahrsam
Festnahmen beim Protest für Klimaschutz und gegen den Ausbau des Flughafens
Leipzig/Halle. Und die DHL will 1,5 Millionen Euro Schadensersatz.
Air Berlin macht Testflüge: Nur Fliegen wäre schöner
Mehrere Fluggesellschaften haben am Wochenende Testflüge absolviert - und
hatten keine Probleme mit Vulkanasche. An mehreren Flughäfen wurde das
Flugverbot zeitweise gelockert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.