# taz.de -- Griechenland am Abgrund: Auf "Schrottwert" herab gestuft | |
> Um Griechenlands Finanzkrise zu meistern sind mehr als die bisher | |
> bekannten 45 Milliarden Euro notwendig. Bundeskanzerlin will auf | |
> Sanierungszusagen warten. | |
Bild: Die Börse in Tokio reagierte sofort nachdem die Kreditwürdigkeit Griech… | |
BERLIN/TOKIO rtr/afp/dpa | Die erneute Eskalation der Schuldenkrise | |
Griechenlands an den Finanzmärkten zwingt die Politik immer stärker zum | |
Handeln. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel den Spekulanten den | |
Schwarzen Peter zuschiebt, liegen die Nerven der Anleger wegen der weiter | |
als zögerlich wahrgenommenen Haltung der Bundesregierung mittlerweile | |
blank. Die jüngsten Turbulenzen hätten nach Meinung von Marktexperten durch | |
klare Ansagen und schnelles Handeln der Bundesregierung verhindert werden | |
können. | |
"Ich sehe die deutsche Politik unter der Führung von Angela Merkel und | |
Guido Westerwelle als primär schuldig an der Verschärfung der | |
Griechenland-Krise", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer | |
Landesbank. "Es ist verstörend zu sehen, dass die Verweigerungshaltung der | |
deutschen Politik die Chance vertan hat, dass allein eine verbale Garantie | |
für Griechenland ausreichend wäre, um die Spekulationswelle zu | |
neutralisieren." | |
Vor der Nationalversammlung in Paris foderte der französische | |
Ministerpräsident Francois Fillon die schnelle Bereitstellung eines 30 | |
Milliarden Euro schweren Hilfspakets für Griechenland. Er zeigte sich | |
zugleich überzeugt, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der | |
Griechenland-Krise die gleiche Haltung einnehme wie Frankreich. | |
Die Bundeskanzlerin will jedoch vor weiteren Entscheidungen zur Finanzkrise | |
Griechenlands die Ergebnisse der direkten Verhandlungen des Internationalen | |
Währungsfonds (IWF) mit Griechenland über ein Sanierungsprogramm abwarten. | |
"Wir haben jetzt im Augenblick erst einmal die Phase, dass der | |
Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission mit | |
Griechenland ein Programm ausarbeiten müssen", sagte Merkel in Berlin. "Ich | |
hoffe, dass das bis zum Ende der Woche geschieht. Davon hängt dann alles | |
Weitere ab", sagte Merkel. | |
Griechenland braucht zur Abwehr einer Staatspleite in diesem Jahr viel mehr | |
Geld als die bisher bekannten 45 Milliarden Euro. Deswegen gibt es | |
Spekulationen, dass die EU und damit auch Deutschland ihre Hilfen | |
kurzfristig erheblich aufstocken müssen. | |
Eigentlich hatten Experten gehofft, dass sich die Lage nach dem Hilfegesuch | |
der Griechen entspannen würde - das Gegenteil ist der Fall. Öl ins Feuer | |
goss die Ratingagentur Standard & Poor's, die mit der Bonitätsabwertung | |
Griechenlands neue Verkaufswellen bei den Anleihegläubigern auslöste. Die | |
Ratingagentur hatte die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf den | |
"Junk"-Status herab gestuft. Sie setzte damit griechische Anleihen also mit | |
"Schrott"-Papieren gleich. Zusätzliche Besorgnis löste die Nachricht aus, | |
dass auch das Euro-Land Portugal, das ebenfalls mit einem großen Defizit zu | |
kämpfen hat, erneut herabgestuft wurde. Experten warnen vor einer | |
Kettenreaktion. | |
Am Mittwoch stieg der von Investoren geforderte Risikoaufschlag für | |
zehnjährige griechische Anleihen bis auf ein Rekordhoch von 1021 | |
Basispunkten. Vor einer Woche waren es rund 500 Basispunkte, Anfang des | |
Monats rund 350. Die Ausfallversicherungen für Griechenland-Anleihen waren | |
die teuersten der Welt. Die Gemeinschaftswährung Euro stürzte bis auf | |
1,3144 Dollar und damit den tiefsten Stand seit einem Jahr. | |
In der Bundesregierung pocht man weiter darauf, das Vorgehen der | |
vergangenen Wochen sei in Wahrheit alternativlos gewesen. Denn Ende März | |
habe der EU-Gipfel den Märkten bereits das klare politische Signal gegeben, | |
dass man helfen wolle, heißt es. Nur sei von Anfang an klar gewesen, dass | |
die geplante dreijährigen Kredite für Griechenland nicht ohne Bedingungen | |
gegeben werden könnten. Das betonen Merkel und ihre Berater immer wieder. | |
Der kurzfristigen Krise stehe ansonsten eine langfristige Schwächung des | |
Euro als Weichwährung gegenüber. | |
Hätte sich die Bundesregierung sofort und klar zur Unterstützung | |
Griechenlands und einer schnellen Durchführung bekannt, wäre es nicht so | |
weit gekommen, meint Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of | |
Finance. "Die Politik versteht nicht, wie die Märkte funktionieren. Die | |
Politik hat versagt." Einerseits habe sie versucht, die Märkte zu | |
beruhigen, andererseits aber sehr zurückgezogen gehandelt. "Das hat | |
Unsicherheiten erzeugt und dann entsteht Raum für Spekulationen." | |
Chefvolkswirt Stefan Schilbe von HSBC Trinkaus kann nachvollziehen, dass | |
die Politik keine Hilfszahlungen gewähren will, ohne konkrete Zusagen zu | |
bekommen. "Wenn man sich aber zuviel Zeit lässt und dadurch institutionelle | |
Investoren in die Zwangsexekution treibt, dann wird die Rettungsaktion nur | |
teurer", betonte er. "Erst wenn Klarheit über die Gegenmaßnahmen | |
Griechenlands herrscht und die zur Verfügung gestellten Gelder vom IWF | |
eventuell sogar aufgestockt und pünktlich zum Zahlungstermin im Mai fließen | |
werden, werden wir eine Beruhigung sehen", ist sich Schilbe sicher. "Das | |
kann dann genauso schnell gehen wie die Verschärfung." | |
Eines ist allen Beteiligten klar: vor allen Dingen muss ein Domino-Effekt | |
vermieden werden. Je länger sich der Prozess hinziehe, desto schwieriger | |
werde es Ansteckungseffekte zu vermeiden, sagt Schilbe. "Jetzt ist es | |
erforderlich, dass nicht nur Griechenland sondern unter Umständen auch | |
andere Euroländer Kredithilfen in Anspruch nehmen müssen, um eine neue | |
Krise nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch global zu verhindern", | |
betont Hellmeyer. | |
28 Apr 2010 | |
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