# taz.de -- Saatgut in der Landwirtschaft: Laxere Vorschriften für Gentech-Pro… | |
> Trotz Saatgut-Kontaminationen will die Union Gen-Verunreinigungen mit | |
> "praktikableren" Vorschriften legalisieren. Die Grünen pochen auf die | |
> Sorgfaltspflicht des Staates. | |
Bild: 2009 ließ Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nach Protesten den… | |
BERLIN taz | Die Regierung will offenbar nicht mehr so genau hinschauen: | |
Immer wieder werden versehentlich gentechnisch veränderte Pflanzen | |
angebaut, weil konventionelles Saatgut verunreinigt ist. Doch anstatt die | |
Kontrollen zu verschärfen, plant Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner | |
(CSU), ungenauere Nachweisverfahren für Futter- und Lebensmittel | |
vorzuschreiben. | |
Bei Stichproben fanden Behörden allein in diesem Jahr in sieben | |
Bundesländern konventionelles Mais-Saatgut, das gentechnisch veränderte | |
Maissamen enthielt. Insgesamt 20 von 305 Proben waren verunreinigt, eine | |
aus Schleswig-Holstein stammende sogar gleich vierfach. Diese Ergebnisse | |
wurden diese Woche von Greenpeace veröffentlicht. | |
Vor allem für Biolandwirte stellt unentdecktes Wachstum von Genpflanzen ein | |
Problem dar. Der Präsident des Anbauverbands Bioland, Thomas Dorsch, | |
befürchtet eine "schleichende Verunreinigung". Auch Martin Hofstetter von | |
Greenpeace warnt: "Verunreinigtes Saatgut kann dazu führen, dass sich | |
Genpflanzen unkontrolliert ausbreiten und in die Nahrungskette gelangen." | |
Die FDP-Agrarexpertin Christel Happach-Kasan sieht dagegen "kein Risiko für | |
Verbraucher und Landwirte". Sie fürchtet vielmehr hohe Kosten für die | |
Lebens- und Futtermittelwirtschaft durch die sogenannte | |
Nulltoleranz-Regelung der EU. Denn bislang müssen Saatgut, Futter- und | |
Lebensmittel selbst bei kleinsten Verunreinigungen aus dem Verkehr gezogen | |
werden. | |
Diese Regelung versucht Ministerin Aigner in Deutschland nun offenbar | |
auszuhöhlen. Auf Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion gab ihr Ministerium | |
Mitte März an, an einer "für Wirtschaft und Überwachung praktikableren | |
Anwendung" der Nulltoleranz zu arbeiten. Das Gleiche forderte in diesem | |
Monat auch eine Arbeitsgruppe der Unionsfraktion im Abschlussbericht ihrer | |
Klausurtagung. Das kann nur heißen, dass amtliche Probenahme- und | |
Nachweismethoden für Futter- und Lebensmittel so angepasst werden sollen, | |
dass sie Verunreinigungen erst ab einem gewissen Prozentsatz erfassen. | |
Auf EU-Ebene gibt es ähnliche Pläne. Die Grünen-Agrarexpertin Ulrike Höfken | |
glaubt, dass eine "technische Lösung" missbraucht werden soll, um sich "aus | |
der politischen Verantwortung zu mogeln". Sie fordert statt methodischer | |
Tricks klare Haftungsregeln für Verunreiniger: "Die Politik darf die | |
Sorgfaltspflicht nicht schleifen lassen." | |
29 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schmid | |
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