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# taz.de -- Apples neues Gerät im taz-Test: Das iPad - ein Kuschelmedium
> Was kann das iPad wirklich? Unser Autor ist ein Techniktrottel. Und er
> testete das Ding. Am Küchentisch und auf der Couch. Sein Fazit: das Gerät
> ist für die Freizeit gemacht.
Bild: Das Symbol der Digitalnomaden, von den Beatles geklaut: der Apple.
Was soll ich nur mit ihm machen? Um es in einer Hand zu halten, ist das
iPad zu groß und zu schwer. Nehme ich beide Hände, fehlt mir eine zum
Bedienen. Lege ich das Ding auf das Tischchen vor mir, muss ich mich
vorbeugen, um überhaupt etwas zu sehen. Balanciere ich es auf dem Schoß,
ist es nicht breit genug, und ich muss die Beine zusammenkneifen. Also
schlage ich das rechte Bein übers Linke, balanciere das iPad darauf,
sichere es mit der linken Hand und lehne mich zurück.
Ich sitze im "St. Oberholz", ein Café in Berlin-Mitte, unbegrenzter
WLAN-Zugang, hier tippen die Digitalnomaden und investieren ihr Budget in
Latte macchiato oder Minztee. Ein IBM-Laptop, vier weiße MacBooks, sechs
silberne MacBook Pros. Und ein iPad. Das habe ich.
Es ist Donnerstag, 17.40 Uhr. Drei Monate nachdem Apple-Chef Steve Jobs das
iPad vorgestellt hat. Seitdem ist es hochgeschrieben worden - und wieder
runter. In Manhattan juchzten die Fans vorm Apple Store, in Pittsburgh
zerdepperte ein Junge sein Exemplar mit dem Baseballschläger. In
Deutschland aber wurde der Verkaufsstart auf Ende Mai verschoben.
So lange raunen, schwärmen und mäkeln die Leute über etwas, das es
eigentlich noch gar nicht gibt. Eigentlich. Weil Nelli, eine Bekannte von
mir, doch eins hat. In ihrer Firma in Berlin entwickeln sie Designs für
Zeitungen - vielleicht ist das iPad für sie die Zukunft. Deshalb hat Nellis
Chef sich welche aus den USA schicken lassen. Und sie hat mir ihres zum
Testen geliehen.
Damit bin ich gezielt ins "Oberholz". Distinktionsgewinn soll doch eine der
wichtigsten Anwendungen sein, die das iPad bietet - also bitte. Ein Typ
starrt mich an, sonst äugt kaum jemand. Ich bin etwas enttäuscht. Ich
wische mit dem Zeigefinger über die Oberfläche des Gerätes. Entriegelt. Ich
patsche auf das Symbol für Safari, den Internetbrowser. Tippe auf die
Adresszeile, eine Tastatur erscheint. Schreibe taz.de, scrolle durch eine
Wischbewegung und suche mit weiteren Fingerpatschern Artikel aus. Klappt.
Mailen ist mühsam
Eine Mail zu schreiben, ist dagegen mühsam. Eigentlich arbeite ich mit zehn
Fingern, aber als ich das versuche, flutscht mir das iPad beinahe vom Bein.
So tippe ich die Buchstaben mit dem Zeigefinger an. Pick, pick, pick. Ich
lege das Gerät aufs Tischchen, um doch mit zehn Fingern zu schreiben. Für
die Screen-Tastatur sind meine Hände zu groß.
Als ich aufschaue, sehe ich gerade noch den höhnischen Blick eines
Lockenkopfes, der sich wieder hinter sein MacBook verzieht. Wahrscheinlich
liest er gerade in einem Blog, was das iPad nicht kann. Keine mobile
Internetverbindung, keine Anschlüsse, keine Kamera, zu wenig Speicherplatz.
Vielleicht bekomme ich deshalb so wenig gierige Blicke von den
Web-2.0-Jüngern im "Oberholz". Was sollen sie anfangen mit einem Gerät,
über das sie nur beschwerlich selbst etwas in die Netzwelt einbringen
können?
Ich habe das iPad ernst genommen, weil Apple mit dem MacBook Prophezeiungen
eingelöst hat, an die ich schon nicht mehr glaubte. Dass Computer, Telefon,
Radio und Fernsehen verschmelzen, wurde seit Mitte der Neunziger
geweissagt. All das kam aber erst in meinem Alltag an, nachdem ich mir 2007
ein MacBook angeschafft hatte. Ich Techniktrottel konnte Songs und Filme
laden. Ich knipste die Geburtstagsgäste meines Sohnes mit PhotoBooth und
skypte mit meiner Schwester in den USA.
Das iBook und später das MacBook konnten mehr als ein PC-Laptop. Und das
iPhone konnte mehr als ein Handy. Eine Steigerung der Vorgängergeräte.
Jetzt erwartet man natürlich vom iPad auch eine Steigerung. Weil es größer
ist als das iPhone und neuer als das MacBook. Und nun kann ich nicht mal
anständig darauf schreiben, mein Bein schläft auch noch ein.
"Können wir Playmobil gucken?"
19.23 Uhr, zu Hause. Jakob, sechs Jahre, hat schon den Schlafanzug an.
"Heute Abend wird das iPad ausprobiert!", kündige ich an. "Was ist das?",
fragt er. "So ähnlich wie der Computer." - "Können wir Playmobil gucken?" -
"Klar", verspreche ich. Jakob tippt playmobil.de ein. Das iPad rechnet. Es
rechnet. Sollte nicht alles wahnsinnig schnell gehen? Der Bildschirm färbt
sich playmo-blau.
Jakob und ich bringen uns bei, wie wir alles vergrößern oder verkleinern,
indem wir auf dem Screen Daumen und Zeigefinger abspreizen oder wieder
zusammenführen. Er tippt ein Zirkus-Telespiel an. "Schade, Sie haben kein
Flash-Plugin installiert! Um unsere Zirkusseite nutzen zu können, bitten
wir Sie, das kostenlose Flash-Plugin von Macromedia herunterzuladen." Ich
tippe und werde weitergeleitet. "Sorry, Adobe® Flash® Player is not
available from adobe.com for your devices operating system or browser."
"Wollen wir lieber den Computer nehmen?", fragt Jakob. "Nein, heute Abend
ist iPad!" Ein Erfolgserlebnis muss her. Wir gucken ein Youtube-Video, auf
dem ein Bär einen Puma angreift. Das Bild ist okay, der integrierte
Lautsprecher klingt gut. Der Puma siegt, der Bär trollt sich.
20.40 Uhr. Ich wähle tatort.de. Wieder kein flash®. Verdammt, ich will mich
entspannen. Ich besuche den iTunes Store. Die Anwendung kenne ich vom
MacBook: ein virtueller Laden, der Apple mit Musik und Film reich macht.
Und mit der ich den hochnäsigen Videothekar in der Mittenwalder Straße aus
meinem Leben streichen konnte.
Es gibt eine Auswahl Hollywoodfilme. Ich kuschele mich aufs Sofa, das iPad
bekommt ein Kissen zum Anlehnen. Ich sehe mir Trailer an. Bilder scharf,
Ton super. Ich wähle "Sherlock Holmes" und gebe die Nutzerdaten ein, die
ich im iTunes Store auf dem MacBook benutze. Das Gerät rechnet und rechnet.
Rechnet. "Ihr account ist nur für Einkäufe im deutschen Store gültig."
Langsam reichts. Muss ich US-Bürger werden, damit sie mein Geld nehmen?
Ich patsche gereizt auf dem Touchscreen herum. Holmes fände all die
Abdrücke toll. "Hallo Georg!" Ich bin in den deutschen iTunes Store
überführt worden. 31 Kauf- und Leihfilme, alle auf Deutsch. Der Videothekar
in der Mittenwalder hat mich zwar belehrt und vollgequarzt, mir aber nie
vorgeschrieben, in welcher Sprache ich einen Film anschauen muss.
Ich kaufe für 13,99 Euro "The Boys Are Back". Doch der Film geht nicht los.
Auf dem MacBook kann ich Videos schon während des Ladevorgangs ansehen. Zum
Ausgleich schaue ich mir das Youtube-Video des Teenagers aus Pittsburgh an.
Der Junge, der mit der Baseballkeule auf sein neues iPad eindrischt.
22.20 Uhr. Am Küchentisch. "The Boys Are Back" lädt noch. Ich tippe auf das
Symbol der iBook-Bibliothek. Ein Buch ist schon da: "Winnie The Pooh". Ich
blättere die Seiten um, indem ich von rechts nach links wische. Fast wie
bei einem richtigen Buch. Im iPad zu lesen, kommt mir anstrengender für die
Augen vor, weil es ein bisschen spiegelt. Dafür kann ich durch
Fingerspreizen die Schrift vergrößern. Die Zeichnung von Kanga und Baby Roo
strahlt wunderbar.
Freitag, 8.50 Uhr. Ich liege auf dem Sofa und lese im iPad. "The Boys Are
Back" mag ich nicht mehr gucken. Zwei Lektionen von gestern: Das iPad ist
ein Fläz- und Kuschelmedium. Und: Das Lesen ist vergnüglich. Die New York
Times hat schon eine iPad-Anwendung. Ich kann die aktuelle Ausgabe lesen.
Sieht sehr nach Zeitung aus. Ich erkenne die Schriftart wieder, das Lay-out
ist streng, vierspaltig, wenn man das Gerät querformatig hält und
dreispaltig, sobald man es ins Hochformat dreht. Schick.
Ruhe durch Reduzierung
Auf dem MacBook rufen morgens immer die Mails, der Kalender, die Arbeit.
Jetzt lese ich entspannt. Vielleicht, weil die Times das Einzige ist, was
auf dem Bildschirm zu sehen ist. Vielleicht weil mir das Mailen mit der
Patsch-Tastatur zu umständlich wäre. Hätte ich kein WLAN, wäre ich sowieso
nicht in Versuchung. Man muss die Zeitung herunterladen, bevor man aus dem
Haus geht, denn die mobile Verbindung fehlt dem iPad noch.
Vielleicht ist das iPad keine Steigerung anderer Geräte. Aber in der
Reduzierung steckt Ruhe. Das Magazin Paris Match erscheint auch schon in
iPad-Version. Eigentlich untertrieben. Die elektronische Version schlägt
das Papier um Längen. Die Fotos leuchten. Es gibt eine Reportage über
Frühgeborene. Bineta, das Baby, liegt auf einer Waage, sie zeigt nur 1.035
Gramm an. Das Bild wirkt auf mich fast, als stünde ich vor Binetas
Bettchen.
11.20 Uhr, Nellis Büro. Sie sagt, sie fliegt bald in Urlaub nach
Griechenland. Sie überlegt, ob sie das iPad mitnimmt oder das MacBook. "Mit
dem MacBook hast du nie frei", sage ich. "Überall kannst du alles machen."
Das iPad beschränkt sich hauptsächlich auf die Freizeit. Eigentlich ist das
auch eine schöne Weiterentwicklung.
30 Apr 2010
## AUTOREN
Georg Löwisch
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