# taz.de -- Riskante Ölförderung: Im Rausch der Tiefe | |
> Der Weg bis zum Tiefseeöl ist weit, die Förderung riskant und teuer. Aber | |
> so lange der Ölpreis hoch ist, werden die Ölkonzerne weiter machen. | |
Bild: Ölplattform im Atlantik, 100 Kilometer vor den Falkland-Inseln. | |
BERLIN taz | Mag die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko BP noch so teuer zu | |
stehen kommen, werden BP und die übrigen Ölkonzerne die technisch | |
aufwendige und risikoreiche Ölförderung aus der Tiefsee nicht aufgeben. | |
Denn sie lohnt sich, jedenfalls solange der Ölpreis hoch ist und | |
kostenträchtige Unfälle wie der aktuelle die Ausnahme bleiben. | |
Denn der Ölbedarf der Welt wird weiter steigen. Etwa 85 Millionen Fass - | |
mit jeweils 159 Liter Inhalt - sind es derzeit. Bis zum Jahr 2030 könnten | |
es 105 Fass sein und damit 40 Prozent mehr, schätzt die Internationale | |
Energieagentur (IEA). Zugleich sinken die Vorkommen in den bereits | |
erschlossenen Ölfeldern. | |
So weist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in einem | |
aktuellen Report darauf hin, dass "unter den gegebenen Rahmenbedingungen | |
des Erdölmarktes einer optimalen Nutzung der Reserven und Ressourcen das | |
globale Maximum der Förderung von konventionellem Erdöl um 2020 erreicht | |
werden wird". | |
Zwar argumentieren die Ölkonzerne, dass die Reserven noch Jahrzehnte | |
reichen und durch bessere Fördertechnik immer mehr Ölfelder erreichbar | |
werden. Allerdings liegen drei Viertel der Reserven in politisch | |
problematischen Gebieten wie Russland und im Nahen Osten. Deshalb wagen | |
sich die Ölkonzerne auf hoher See mittlerweile in große Tiefen vor. | |
Im Golf von Mexiko erreichen die Bohrer erst in einer Tiefe von 2.852 | |
Metern den Meeresgrund und müssen danach noch massive Gesteinsschichten | |
durchdringen. Der Weg bis zum Rohöl kann somit bis zu 10.000 Meter weit | |
sein. Auch die Kosten dafür sind gewaltig. Für eine Ölplattform wie die vor | |
Louisiana gesunkene zahlt BP rund 500.000 Dollar - am Tag. | |
Zu einem weiteren Anstieg des Ölpreises führt diese aufwendige Förderung | |
allerdings nicht unbedingt, sagt Hans-Jochen Luhmann vom Wuppertal Institut | |
für Klima, Umwelt und Energie. "Der steigende Ölpreis ist knappheits- und | |
nicht kostengetrieben." Zwischen den Förderkosten in den leichter | |
zugänglichen Ölquellen im Nahen Osten und dem Preis auf dem Weltmarkt gebe | |
es eine erhebliche Spanne. | |
Öl aus dem Meer an die Oberfläche zu pumpen sei zwar weniger lukrativ, aber | |
offenbar immer noch profitabel. Zudem würden inzwischen auch sogenannte | |
tertiäre Fördermethoden stärker genutzt. Während das Öl sonst bloß durch | |
den eigenen Druck aus dem Bohrloch strömt, wird bei diesem Verfahren | |
künstlich nachgeholfen, was die Ausbeutung der Vorkommen erhöht. | |
Doch die Bohrinseln belasten die Meere - auch im Alltagsbetrieb. "Im | |
Umkreis der Plattformen sind keine größeren Meerestiere mehr zu finden", | |
sagt Greenpeace-Ölexperte Christian Bussau über die 400 Öl- und | |
Gasplattformen in der Nordsee. Dort suche man etwa Schlangensterne, | |
Muscheln oder Borstenwürmer vergebens. | |
Rund 10.000 Tonnen Öl fließen jährlich in die Nordsee, weil sie zusammen | |
mit dem Produktionswasser von den Bohrinseln ins Meer geleitet werden. Denn | |
statt reinen Öls pumpen die Plattformen ein Gemisch aus Gas, Öl und Wasser | |
an die Oberfläche. Schon allein aus Kostengründen werde zwar versucht, | |
möglichst viel Öl aus dem Gemisch abzuschöpfen, erklärt Bussau. Doch eine | |
Restmenge bleibe im Wasser zurück und werde wieder ins Meer abgelassen. | |
Außerdem landen nach Schätzungen Bussaus rund 300.000 Tonnen Chemikalien | |
durch die Bohrinseln in der Nordsee. Sie werden beim Bohrbetrieb zum | |
Beispiel als Kühl- oder Schmiermittel eingesetzt. | |
Besonders stark leidet der Boden in der unmittelbaren Umgebung der | |
Bohrplattformen. Bussau nahm an solchen Stellen bereits mehrfach | |
Bodenproben und stieß am Meeresgrund auf schwarze, ölige Reste und | |
Chemikalien, die von den Plattformen hinabsanken. | |
Auch auf das Klima wirkt sich die Ölförderung ebenfalls schon negativ aus. | |
Denn die aus der Tiefe nach oben geförderten Begleitgase werden laut Bussau | |
vielfach direkt abgebrannt, weil eine Nutzung zu aufwendig wäre. "Es wird | |
sehr, sehr viel Gas abgefackelt, was dann auch noch das Klima beeinflusst", | |
sagt der Ölexperte. | |
4 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Jens Klein | |
Stephan Kosch | |
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