# taz.de -- Missbrauchsvorwürfe gegen "Konkret"-Gründer: "Kleine Lolitas, kok… | |
> Anja Röhl erhebt Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Vater, den | |
> "Konkret"-Gründer Klaus Rainer Röhl. Die "Konkret" mutierte Ende der 60er | |
> vom Sprachrohr der Apo zum Pädo-Pornoblatt. | |
Bild: Die "guten Onkels" und die Lolitas: Konkret in den 70ern. | |
Übergriffige Patres, lüsterne Reformpädagogen, Zeitungen, die | |
Pädophilentexte drucken - und jetzt auch Konkret: Der Skandal um sexuellen | |
Missbrauch von Minderjährigen, losgetreten durch ehemalige Schüler einer | |
Jesuitenschule, hat längst auch die politische Linke erfasst. Nun erhebt | |
Anja Röhl, Tochter des Konkret-Gründers Klaus Rainer Röhl, schwere Vorwürfe | |
gegen ihren Vater. Der Kopf der in den Sechzigerjahren einflussreichen | |
linken Politzeitschrift soll sie bereits mit fünf Jahren begehrt, später | |
auch missbraucht haben. | |
Das beschreibt die heute 55-Jährige in einem bewegenden Bericht im | |
aktuellen Stern. Röhl habe sie und ihre Halbschwestern Regine und Bettina | |
von klein auf mit anzüglichen Bemerkungen und Berührungen traktiert, um sie | |
an seine sexuelle Neigung zu gewöhnen. Dass er nur Mädchen unter 13 Jahren | |
attraktiv fand, hätten viele gewusst: Kollegen, Freunde und auch seine | |
spätere Ehefrau Ulrike Meinhof, die Mutter der Zwillinge Regine und | |
Bettina. | |
"Er verriet mir […], dass er mich schon auf dem Wickeltisch erotisch | |
gefunden habe, und setzte mir des Öfteren seine Theorie auseinander, dass | |
junge Mädchen besser durch ältere, erfahrene Männer defloriert werden | |
sollten", schreibt Röhl. Als sie mit fünf Jahren allein mit ihrem Vater im | |
Winterurlaub gewesen sei, habe er sich im Bett an ihren nackten Körper | |
gedrückt und onaniert. Damals war sie 5 Jahre alt, mit 14 habe sich der | |
Vater ihr zum letzten Mal genähert - um einen Zungenkuss zu | |
"demonstrieren". | |
Jahrelang blieb Anja Röhl mit ihren Erinnerungen allein, nur wenigen | |
Freunden gegenüber soll sie sich offenbart haben. Dass sie jetzt an die | |
Öffentlichkeit geht, liegt auch an der aktuellen Debatte über sexuellen | |
Missbrauch. "Endlich wird den Opfern zugehört", sagt Stern-Autor Arno Luik. | |
"Das hat ihr den Mut für die richtigen Worte gegeben, die sie lange nicht | |
gefunden hat." Zu Luik, der vor vielen Jahren eine Reportage über eine | |
missbrauchte Frau schrieb, hatte Röhl Vertrauen gefasst und ihn dann | |
plötzlich angerufen. In drei Stunden habe sie den Text "herausgewürgt", der | |
heute im Stern erscheint. | |
Vor dem Hintergrund von Röhls Enthüllungen müsse die Geschichte der | |
bundesrepublikanischen Linken neu bewertet werden, findet Luik. Mindestens | |
aber die Geschichte der 1955 gegründeten Zeitschrift Konkret, die unter | |
Röhls Führung zunächst zur intellektuellen Hauszeitschrift der | |
Studentenbewegung aufstieg und später zum Pornoblättchen verkam. Das | |
kritische Magazin, das - wie nach 1990 herauskam - mit Stasi-Geldern | |
finanziert wurde, machte anfangs durch prominente Autoren wie Peter | |
Rühmkorf und durch Kampagnen, etwa gegen Atomkraft, von sich reden. | |
1973, nach dem Niedergang von Konkret, wurde Röhl geschasst und widmete | |
sich als Herausgeber der Magazine das da und spontan weiter | |
pseudo-sexualaufklärerischen Geschichten mit minderjährigen Mädchen in den | |
Hauptrollen. | |
Der Verleger Röhl, der gern ausschweifende Prominenten-Partys auf Sylt | |
feierte, war nicht der Einzige, der das libertäre Meinungsklima der | |
damaligen Zeit für die Verbreitung pädophiler Positionen nutzte. Unter | |
anderen auch der Päderast Peter Schult durfte seine Neigung zu 'koketten' | |
Minderjährigen als freie Liebe unter Gleichberechtigten darstellen. Es war | |
schließlich der taz-Artikel über Pädophilie in der Linken (taz vom 22. 4.), | |
der Anja Röhl zu ihrem Stern-Text veranlasste. | |
"Sie war empört, dass unter all den Namen ausgerechnet der ihres Vaters | |
fehlte", sagt Stern-Autor Luik. "Einen der wichtigsten Männer, die offen | |
die Pädophilie propagiert haben, habe ich in der eigenen Familie gehabt, er | |
heißt Klaus Rainer Röhl und war mein Vater", schreibt sie. Und wird | |
konkret. "Er nannte Mädchen zwischen 5 und 13 ,kleine Lolitas' und | |
bezeichnete sie als ,kokett' und ,gerissen'. Er sagte solche Dinge in | |
meinem Beisein schon zu Zweijährigen und bezeichnete in meiner Gegenwart | |
meine Halbschwester Bettina des Öfteren als das ,sinnlichste Baby', das er | |
je kennengelernt habe." | |
Im Umfeld des Verlegers hätten alle gewusst, dass er pädophil sei, so die | |
übereinstimmende Meinung von Zeitzeugen. Dem Stern liegen mehrere | |
eidesstattliche Erklärungen dazu vor. Dass Röhl seine Neigung mit | |
mindestens einer seiner Töchter auch auslebte, mögen viele geahnt haben. | |
Gesprochen wurde darüber nicht. So wie auch Anja Röhl mit niemandem darüber | |
sprach. Nur ihrer Stiefmutter Ulrike Meinhof, die mit Röhl von 1961 bis | |
1967 verheiratet war, schrieb sie 1969 einen Brief aus dem Internat. Darin | |
erklärte sie, warum sie nicht mit der Familie in Berlin leben wolle. | |
Offenbar verwendete Meinhof den Originalbrief später vor Gericht: 1970 | |
kontaktierte die mittlerweile steckbrieflich gesuchte Terroristin ihren | |
Anwalt und übergab ihm den Brief. Damit wollte sie aus dem Untergrund | |
heraus verhindern, dass die Töchter beim pädophilen Vater untergebracht | |
werden, mit dem sie im Sorgerechtsstreit war. Ulrike Meinhof wurden die | |
Kinder zwar zugesprochen, der Vater behielt aber ein vorläufiges | |
"Aufenthaltsbestimmungsrecht". | |
Vor diesem Hintergrund erscheint die "Sizilien-Entführung" der | |
Röhl-Zwillinge durch RAF-Mitglieder in einem anderen Licht. Ließ Meinhof | |
die Kinder 1970 aus Sorge für vier Monate nach Sizilien bringen, von wo aus | |
sie zu Meinhofs Schwester oder in ein palästinensisches Waisenhaus gebracht | |
werden sollten? Tat der ehemalige Konkret-Redakteur Stefan Aust, der Wind | |
vom Aufenthaltsort der Zwillinge bekommen hatte, den Kindern mit der | |
Befreiung und der Rückführung zum Vater damit wirklich einen Gefallen? | |
Mit ihrem Text kratzt die Röhl-Tochter jedenfalls am Nimbus des prominenten | |
Linken-Ehepaars Ulrike Meinhof/Klaus Rainer Röhl. Vieles spricht dafür, | |
dass sich zwischen dem Kopf der legendären "Hauszeitschrift" der 68er und | |
der Ikone des "bewaffneten Kampfs" ein in Missbrauchsfamilien gängiger | |
Konflikt abspielte: Er missbraucht, sie ahnt, schweigt - und geht. Und | |
führt einen ohnmächtigen Kampf gegen die Allmacht seiner Liebe, deren | |
Krankhaftigkeit so schwer zu beweisen ist. | |
Bettina Röhl wollte sich gestern zunächst nicht zu den Vorwürfen ihrer | |
Halbschwester äußern und das heutige Erscheinen der sechsseitigen | |
Geschichte im Stern abwarten. Erst wenn sie wisse, was Anja Röhl | |
geschrieben habe, wolle sie darüber nachdenken, ob sie sich äußern wird. | |
Anja Röhls Text ist mehr als nur die Anklage eines Opfers, sie sucht nach | |
Erklärungen. Für den Selbsthass, der den Vater immer befiel, bevor er sich | |
ihr näherte. Für seine Abneigung gegen erwachsene Frauen, die für ihn | |
"Nutten" gewesen seien. Für seine Sehnsucht nach der Reinheit des Kindes, | |
das noch keinen Sex kenne. Vielleicht, schreibt sie, habe ihn die frühe | |
Kriegserfahrung als 16-jähriger Soldat zu dem gemacht, was er später | |
geworden sei. Klaus Rainer Röhl bestreitet die Vorwürfe seiner ältesten | |
Tochter. Sie seien "absurd", äußerte er sich gegenüber dem Stern und sagt: | |
"Da war nichts." | |
6 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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