# taz.de -- Jutta Ditfurth über Klaus Rainer Röhl: "Die Grenze zog er bei 13,… | |
> Meinhof-Biografin Jutta Ditfurth hat den Fall Röhl recherchiert, sie hält | |
> Anja Röhls Geschichte für realistisch. Röhl sexualisierte die Kleinen | |
> früh, ließ sie beim Sex zuschauen und schwärmte von "junger Haut". | |
Bild: Dreirad. | |
taz: Frau Ditfurth, der Konkret-Gründer Klaus Rainer Röhl streitet die | |
Vorwürfe seiner Tochter Anja ab, dass sie von ihm als Kind und Jugendliche | |
sexuell missbraucht wurde. Wem glauben Sie? | |
Jutta Ditfurth: Es geht nicht um glauben. Auch Herr Röhl hat | |
selbstverständlich Rechte. Aber ich habe seinen Fall schon vor Jahren | |
recherchiert. Auch die Präzision, mit der Anja Röhl ihre Geschichte im | |
Stern beschreibt, ist überzeugend. Sie hat es mir vor Jahren erzählt. Ich | |
habe in den Sorgerechtsakten von Meinhofs Anwalt Heinrich Hannover weitere | |
Belege gefunden. Ulrike Meinhof befürchtete, dass Röhl ihre gemeinsamen | |
Töchter missbrauchen würde. Röhl sexualisierte die Kleinen früh, war mal | |
der witzige Vater, dann tat er ihnen weh. Er ließ sie als Kleinkinder | |
zuschauen, wenn er mit seinen erwachsenen Freundinnen schlief. Er erklärte | |
schon den Kleinkindern, dass junge, sehr zarte Haut "alter Haut" | |
vorzuziehen sei. Die Grenze zog er bei 13, 14 Jahren. Er gab ihnen | |
Anschauungsunterricht und zeigte ihnen, welche Brüste und Körperlichkeiten | |
er bei erwachsenen Frauen schätzte. Er gab damit an, dass er seine ältere | |
Tochter Anja entjungfern wollte. Er verantwortete in seinen Zeitschriften | |
aggressive pädophile Texte. | |
Vieles spricht dafür, dass das Umfeld der Familie Röhl/Meinhof von den | |
Vorwürfen wusste - aber offenbar schwieg jeder. | |
Ulrike Meinhof protestierte dagegen, dass er eines der Babys schon auf dem | |
Wickeltisch "sinnlich" fand. Sie schritt ein, wenn er die kleinen Mädchen | |
in die Oberschenkel zwickte oder sie schlug, bis sie weinten. Er nannte das | |
"patschen". Durch ihre Heimkinderreportagen ab 1965 wusste sie mehr über | |
sexuellen Missbrauch als die meisten, aber Röhl benahm sich in ihrer | |
Gegenwart nicht eindeutig. 1969, ein Jahr nach der Scheidung, verstand sie, | |
dass es nicht nur um abstoßende Sprüche, um Erotisierung und körperliche | |
Gewalt ging, sondern dass ihre Töchter Gefahr liefen, vom Vater sexuell | |
missbraucht zu werden. Genau deshalb sorgte sie vor der Baader-Befreiung im | |
Mai 1970 dafür, dass die Kinder bei ihrer Schwester Wienke leben sollten, | |
solange sie im Untergrund war. Eine gute Entscheidung, wie das Berliner | |
Landgericht im Juli 1970 befand. | |
Wenn die Missbrauchsvorwürfe berechtigt sind: Waren sie dann womöglich der | |
eigentliche Grund für den Sorgerechtsstreit Röhl - Meinhof? | |
Ja - ihr einziger Grund. Beim Geld, darüber spottet Röhl in seinen Büchern | |
gern, hatte Meinhof sich bei der Scheidung im April 1968 mit einer | |
lächerlichen Summe abfinden lassen, obwohl sie Miteigentümerin der Villa | |
und des Verlages war. | |
Der frühere Spiegel-Chef Stefan Aust, so schien es bisher, hat die | |
Röhl-Zwillinge durch seine recht bekannte Italienreise vor einem | |
palästinensischen Waisenhaus bewahrt - erscheint diese Aktion heute nicht | |
in einem anderen Licht? | |
Auf die Wahrheit schien lange kein Licht. 2003 hat Aust in einem Interview | |
selbst zugegeben, dass sein Motiv ein Wettkampf mit der RAF war. ,Ich fand | |
das auch sportlich interessant, denen die Kinder abzunehmen', sagte er. | |
Aust behauptete, Röhl sei zufällig in Rom gewesen. Aber der erklärte dem | |
Gericht, er habe die Kinderpässe abgeholt und Aust sei in seinem Auftrag | |
gefahren. Ja, Aust hat die Kinder Röhl gebracht. | |
Muss die Linke heute noch ihre, sagen wir: frühere Indifferenz gegenüber | |
dem Thema Pädophilie aufarbeiten? | |
Diese angebliche Indifferenz ist ein neuer Mythos von rechts. Die | |
antiautoritären Linken, die ich kannte und kenne, konnten immer gut | |
zwischen ausgebeuteter kindlicher Sexualität und verabscheuungswürdigen | |
Herrschaftsbeziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern einerseits | |
unterscheiden und andererseits freier, selbstbestimmter Sexualität. | |
Sind Sie bei der Recherche zu Ihrer Meinhof-Biografie bereits auf Hinweise | |
auf den möglichen Missbrauch gestoßen? | |
Ja. Und es liegt noch längst nicht alles offen. | |
7 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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