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# taz.de -- Wahl in Nordrhein-Westfalen: Rüttgers historische Niederlage
> Ministerpräsident Rüttgers schwarz-gelbe Regierung verliert die Macht.
> Umso größer ist der Jubel in der Düsseldorfer SPD-Parteizentrale. Woran
> lag es?
Bild: Rüttgers Angstwahlkampf gegen das rot-rote Gespenst hat nichts mehr gen�…
BERLIN taz | Der Fall hätte tiefer nicht sein können. Das blanke Entsetzen
steht den Wahlkämpfern in der CDU-Landesgeschäftsstelle in der Wasserstraße
im Gesicht, als um Punkt 18 Uhr die erste Prognose über den Bildschirm
flattert. Eine Stimmung "wie im Kühlschrank" diagnostiziert ein Reporter -
keine Reaktion, nichts. Mit einem schlechten Ergebnis hatten die
Christdemokraten ja gerechnet. Aber so schlecht?
34,3 Prozent, ein beispielloser Absturz: Noch nie schnitt die
nordrhein-westfälische CDU in der Geschichte des Landes schlechter ab. Vor
fünf Jahren lagen die Christdemokraten noch bei 44,8 Prozent. Nach nur
einer Legislaturperiode ist das schwarz-gelbe Experiment an Rhein und Ruhr
beendet - und die politische Karriere von Jürgen Rüttgers vielleicht auch.
"Eine bittere Niederlage" musste CDU-Landtagsfraktionschef Helmut Stahl
einräumen.
Besonders für den christdemokratischen Ministerpräsidenten. Verbissen hatte
sich Rüttgers in den letzten Tagen gegen die drohende Niederlage gestemmt.
Doch auch sein Angstwahlkampf gegen das rot-rote Gespenst hat nichts
genützt: Gegen die Wistleblower in den eigenen Reihen, die Rüttgers
Sponsoringaffäre um verkaufte Gespräche mit ihm ebenso öffentlich machten
wie den nachfolgenden CDU-Spendenskandal, hatte er kaum eine Chance.
Desto größer ist der Jubel in der Düsseldorfer Parteizentrale der
Sozialdemokraten. Niemand hätte zu Beginn des Wahlkampfs auf Hannelore
Kraft gewettet. Jetzt ist die SPD-Spitzenkandidatin obenauf: mindestens
34,7 Prozent - die SPD ist wieder auf Augenhöhe mit der CDU. Und Kraft hat
die Chance, die nächste Regierungschefin Nordrhein-Westfalens zu werden.
"Das System Rüttgers ist klar abgewählt. Ich bin fest davon überzeugt, dass
Hannelore Kraft Ministerpräsidentin wird", so SPD-Generalsekretär Michael
Groschek in einer ersten Reaktion.
"Die SPD ist wieder da", jubelte Kraft um 18.26 Uhr. Doch ob sie den
Tabubruch wagt und die in NRW als chaotisch verschriene Linkspartei in die
Regierung hievt, wird sich frühestens morgen entscheiden: Bisher hatte sie
die NRW-Linke stets als "weder koalitions- noch regierungsfähig"
bezeichnet. Am Montagnachmittag will der SPD-Landesvorstand über die
weitere Marschrichtung entscheiden - sollte es für ein rot-grünes Bündnis
allein nicht reichen.
Klarer Sieger der NRW-Wahl aber sind die Grünen. Sie konnten ihr Ergebnis
von 2005 mit einem Plus von 6,3 Prozent etwa verdoppeln und liegen jetzt
bei 12,4 Prozent. Doch wie 2009 im Bund könnte es trotz massiver
Stimmengewinne nicht für eine Regierungsbeteiligung reichen: Eine
schwarz-grüne Koalition ist angesichts der CDU-Verluste von über 10 Prozent
kaum noch möglich - dabei gilt die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann
als Anhängerin eines solchen Bündnisses. Im Vorfeld der Wahl hatte sich die
53-jährige Lehrerin auffallend um ein gutes Verhältnis zu CDU-Chef Rüttgers
bemüht.
Als größter Verlierer der Wahl stehen die Liberalen fest: Sie werden an
einer künftigen Landesregierung nicht mehr beteiligt sein. Sie liegen nach
einer ersten Hochrechnung mit 6,6 Prozent zwar 0,4 Punkte über ihrem
Wahlergebnis von 2005. Dabei hatte das fulminante Ergebnis der
Bundestagswahl, bei der die FDP auch in NRW über 14 Prozent der Stimmen
holen konnte, die Erwartungshaltung der Partei in unerreichbare Höhen
geschraubt: Entgegen allen Umfragen setzte die FDP-Spitze noch Tage vor der
Wahl auf ein Ergebnis von "10 Prozent plus x".
Doch machten die Liberalen unter Führung Pinkwarts, der in
Nordrhein-Westfalens als "Innovationsminister" das Ressort für Hochschule
und Forschung führte und gleichzeitig als stellvertretender
Ministerpräsident amtierte, im Wahlkampf von Anfang an eine unglückliche
Figur: Eine Revolte des 49-jährigen Pinkwart gegen die
Steuererleichterungen für Hoteliers und damit gegen den
FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle floppte schon Ende Januar. Die
Liberalen wurden von der Mehrheit der WählerInnen als "Mövenpick-Partei"
und Pinkwart selbst als Umfaller wahrgenommen.
Der Kontrast könnte nicht größer sein: Um 18 Uhr bricht in der
Jugendherberge im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel frenetischer Jubel aus.
Hier, am weitesten vom Landtag entfernt auf der anderen Rheinseite, haben
sich die Anhänger der Linkspartei versammelt. Von der politischen
Konkurrenz waren sie im Wahlkampf als "Extremisten", "Spinner" und
"Chaoten" verunglimpft worden. Jetzt feiern sie ausgelassen - und haben
allen Grund dazu.
Erstmalig seit 1950 ist einer Partei links von der SPD der Einzug in das
Düsseldorfer Parlament gelungen. 5,5 Prozent erhielt seinerzeit die KPD,
jetzt sind es laut der ersten ARD-Hochrechnung 5,7 Prozent für die
Linkspartei. "Das ist ein riesengroßer Erfolg", sagt der 60-jährige
Linken-Landesvorsitzende Wolfgang Zimmermann, der gemeinsam mit der
54-jährigen Förderschullehrerin Bärbel Beuermann die Landesliste angeführt
hat. Falls es für SPD und Grüne alleine nicht reiche, sei seine Partei zu
Gesprächen bereit. "Aber die SPD muss auf uns zukommen", betont Zimmermann.
"Wir wollen einen Politikwechsel."
10 May 2010
## AUTOREN
P. Beucker
A. Wyputta
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