# taz.de -- Nach Horst Köhlers Rücktritt: Wie geht's weiter mit dem Amt? | |
> Bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten kommt es auf die Mehrheit in | |
> der Bundesversammlung an. Laut einem Experten ist diese für Schwarz-Gelb | |
> "komfortabel". | |
Bild: Wartet auf einen neuen Bewohner: Schloss Bellevue in Berlin. | |
BERLIN taz | Der Mann, der ab sofort die Gesetze abzeichnet, ist | |
Sozialdemokrat: Jens Böhrnsen, der Bremer Bürgermeister. Laut Grundgesetz | |
vertritt der amtierende Präsident des Bundesrats den Bundespräsidenten "bei | |
vorzeitiger Erledigung des Amtes". | |
Jetzt drängt die Zeit: Bis zum 1. Juli muss ein neuer Präsident oder eine | |
neue Präsidentin her. Das Grundgesetz verlangt, dass die Bundesversammlung | |
spätestens 30 Tage nach dem Zeitpunkt einer vorzeitigen Amtsbeendigung | |
zusammentritt. Die Bundesversammlung besteht aus den 622 | |
Bundestagsabgeordneten und derselben Anzahl von LändervertreterInnen. | |
Nach einigen Stunden Rechnens erklärten am Montagnachmittag mehrere | |
Wahlarithmetik-Experten, dass in der 14. Bundesversammlung Schwarz-Gelb | |
eine Mehrheit habe. Matthias Moehl von [1][election.de] ging von einer | |
"komfortablen Mehrheit" von 647 der 1.244 Sitze für Union und FDP aus. | |
Prompt erklärte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, er erwarte von | |
der Koalition also auch "weitere Vorschläge" - einen Kandidaten. | |
Die Stimmenverteilung im Bundestag ist klar: Hier stehen 332 | |
Koalitionsmitglieder 290 Mitgliedern der Opposition aus SPD, Linksfraktion | |
und Grünen gegenüber. Die Auswahl der Ländervertreter entspricht | |
grundsätzlich den Sitzverteilungen in den Landtagen. Demnach dürfte etwa | |
aus NRW - wie aus vier weiteren Ländern - eine rot-grün-rot dominierte | |
Gruppe entsendet werden, selbst wenn es dort keine solche Regierung gibt. | |
Doch offenbar bringen die großen schwarz-gelben Bundesländer wie Bayern und | |
Niedersachsen mehr auf die Waage. | |
In Berlin begann in der Minute von Köhlers Rücktritt auch das Kalkulieren, | |
ob es eine Chance für einen anderen oder eine andere KandidatIn als | |
Alternative zu dem der Bundesregierung gäbe - und ob und wie die | |
Linkspartei einzubeziehen wäre. Immerhin war die Sozialdemokratin Gesine | |
Schwan zweimal als aussichtsreich gehandelt worden. Aus der Bundes-SPD hieß | |
es, es werde intensiv über eine KandidatInnenaufstellung beraten. Der neue | |
niedersächsische SPD-Landeschef Olaf Lies preschte allerdings vor und | |
schlug die Exbischöfin Margot Käßmann vor. | |
Als möglicher Kandidat der Bundesregierung fiel manchem Wolfgang Schäuble | |
(CDU) ein. Der Finanzminister galt vielen in der Union schon 2004 als der | |
bessere Kandidat. Nicht zuletzt angesichts seiner starken körperlichen | |
Beschwerden wäre er vielleicht in Bellevue besser aufgehoben als im | |
Nonstop-Management der Finanzkrise. Denkbarer neuer Finanzminister wäre | |
Roland Koch (CDU), der sowieso gerade seinen Rückzug als hessischer | |
Ministerpräsident angekündigt hat. | |
Als Ersatzminister in einer Kabinettsrochade wie als denkbarer Kandidat für | |
das Präsidentenamt galt auch Jürgen Rüttgers, der auf diese Weise als | |
NRW-Ministerpräsident entsorgt würde, um der SPD dort entgegenzukommen und | |
die nun für Angela Merkel umso notwendigere Bildung einer großen Koalition | |
in NRW zu beschleunigen. Würde der Niedersachse Christian Wulff Kandidat, | |
wäre Merkel einen weiteren Konkurrenten los. | |
1 Jun 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://election.de | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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