Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausbeutung in Pflegeberufen: Kein Mindestlohn für viele Osteuropä…
> Ab dem 1. August soll ein Mindestlohn für Pflegekräfte gelten. Doch viele
> Beschäftigte aus Osteuropa, die hierzulande in der häuslichen Pflege
> arbeiten, bekommen ihn nicht.
Bild: Die helfende Hand: Pflegerinnen aus Osteuropa sind gefragt.
HAMBURG taz | "Helferinnen aus Polen sind nicht nur preisgünstiger, sondern
können sich auch besser um Sie kümmern, weil sie mit Ihnen unter einem Dach
wohnen. Es liegt in ihrer Natur, fürsorglich, warmherzig und liebevoll zu
sein." Mit diesen Worten preist das Unternehmen gute-wesen.de auf seiner
Internetseite seine Dienste in der Vermittlung von Pflegehilfen im
häuslichen Bereich an.
In Zusammenarbeit mit osteuropäischen Unternehmen, die die Pflegekräfte
offiziell anstellen, können sich Senioren und Pflegebedürftige
kostengünstig 24 Stunden betreuen lassen. Der Markt wächst. Nach
Schätzungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi arbeiten in der
häuslichen Pflege bereits 115.000 Menschen aus Osteuropa – Personal, für
das der zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Kirchen und
Gewerkschaftsvertretern ausgehandelte Mindestlohn in der Pflegebranche von
7,50 bzw. 8,50 (Ost/West) ab ersten August nicht gelten wird.
"Landläufig als Pflegekräfte bezeichnet, sind sie nach der Verordnung keine
echten", kommentiert eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales (BMAS), die namentlich nicht genannt werden will, die
osteuropäischen Arbeitskräfte. Zwar leisten vor allem Frauen aus Osteuropa
die typischen Tätigkeiten der Grundpflege wie kämmen, waschen, die Blase
leeren oder einkaufen, die im XI. Sozialgesetzbuch definiert sind und dem
flächendeckenden Mindestlohntarifvertrag für die Pflege zugrunde liegen.
Doch Arben Coli, Geschäftsführer der Firma "Deutsche Seniorenbetreuung",
erklärt: "Keiner der Personen darf hier pflegen." Die eigentlichen
Pflegekräfte werden kurzerhand zu Betreuungskräften oder Haushaltshilfen
dequalifiziert, wie auch ein Hinweis auf der Internetseite der
Vermittlungsagentur ost-profi.de zeigt. Erleichtert wird das Vorgehen, weil
die osteuropäischen Abschlüsse bis heute in Deutschland nicht anerkannt
werden.
Doch viele der Frauen aus Osteuropa haben Erfahrungen und Abschlüsse als
Krankenpflegerinnen. Sie verdienen hier zwar mehr als in ihrem
Herkunftsland, aber nur 25 bis 50 Prozent einer deutschen Pflegekraft. Je
nach Anforderungen und Sprachkenntnissen liegt der monatliche Verdienst für
einen 24-Stunden-Tag und einen Einsatz sieben Tage die Woche zwischen 1.300
bis 2.500 Euro Brutto, heisst es aus den Vermittlungsagenturen.
Selbstständige bekommen ein bisschen mehr.
Marco Jahrke, Geschäftsführer von Pflegeagentur24.de, kennt also den
Vorwurf der modernen Skalverei. Er spricht aber lieber von einer Grauzone,
in der Bereitschafts-, Arbeits- und Freizeit nicht klar getrennt seien.
"Klipp und klar sagen die Damen aus Polen, dass sie keine 60 Stunden die
Woche arbeiten", sagt Jahrke. Für viele Familien sind die niedrigen Löhne
zudem die einzige Form, pflegebedürftige Angehörigen zu Hause versorgen zu
lassen.
Gabriele Feld-Fritz, Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Altenpflege
bei Verdi, vermutet "eine Polin im Keller jedes dritten Haushalts". Sie
bezeichnet die häusliche Pflege als "ausbeuterisch". Es ist nicht das
einzige Schlupfloch zur Umgehung des Mindestlohns. Auch wenn die
angeblichen Haushaltshilfen ihren Vertrag direkt mit dem Pflegebedürftigen
oder seiner Familie schließen, greife der Mindestlohn nicht, heisst es aus
dem BMAS.
8 Jun 2010
## AUTOREN
Kendra Eckhorst
## TAGS
Familie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dokumentarfilm über Altenpflege: Das wahre Gesicht von Familie
Eine polnische Altenpflegerin in Bochum: „Family Business“ von Christiane
Büchner erzählt von sozialer Distinktion und Interkulturalität.
Mindestlohn in der Pflege: Nichts geht mehr unter 7,50 Euro
Arbeitgeber und Gewerkschaften einigen sich auf Mindestlöhne in der Pflege.
Schwarz-Gelb will die neuen Pflege-Mindestlöhne zur Pflicht machen, weitere
Branchen sollen folgen.
Kristina Schröders Pflegemodell: Pflege ist kein Halbtagsjob
Familienministerin Kristina Schröder plant ein Gesetz, das die
Teilzeitpflege von Angehörigen ermöglichen soll. Doch was taugt das Modell
tatsächlich?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.