# taz.de -- Nach dem Angriff auf Gaza-Hilfskonvoi: Kritik an Israels Aufklärung | |
> Wer den Angriff Israels auf den Hilfskonvoi untersucht, ist weiter | |
> unklar. Menschenrechtsorganisationen kritisieren auch frühere interne | |
> Untersuchungen des Verhaltens israelischer Soldaten. | |
Bild: Wer sorgt für Aufklärung des israelischen Angriffs auf den Gaza-Hilfsko… | |
KAIRO taz | Der UN-Sicherheitsrat hat eine "schnelle, objektive, | |
glaubwürdige und transparente Untersuchung" des israelischen Angriffs auf | |
den Gaza-Hilfskonvoi gefordert. Doch nach einer über zehnstündigen Debatte | |
war nicht klar, wer diese Untersuchung durchführen soll. Die Türkei und die | |
arabischen Staaten wollen eine internationale Untersuchung, die USA | |
bevorzugen, dass Israel diese selbst durchführt. | |
Das stößt auf verbreitete Skepsis. "Wenn wir darauf blicken, wie | |
unzulänglich Israel in der Vergangenheit unrechtmäßige Tötungen seitens | |
seines Militärs untersucht hat, dann sollten wir darauf bestehen, dass die | |
internationale Gemeinschaft jede Art von Untersuchung ganz genau | |
beobachtet, um sicherzustellen, dass diese gemäß internationaler Standards | |
durchgeführt wird," erklärt Sarah Leah Whitson, Nahost-Direktorin der | |
US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). "Die Vergangenheit | |
hat gezeigt, dass Israel nicht den politischen Willen hat, seine | |
Streitkräfte bei ernsthaften Verletzungen von Menschenrechten und des | |
Kriegsrechts zur Rechenschaft zu ziehen", erklärt HRW. | |
Beispiel: Israels Untersuchungen über das Verhalten seiner Armee im | |
Gazakrieg vergangenes Jahr, bei dem 1.400 Palästinenser umkamen, darunter | |
viele Frauen und Kinder. Die israelische Armee hat in diesem Zusammenhang | |
150 Einzelfälle begutachtet und in 36 Fällen Strafverfahren eingeleitet. | |
Das Ergebnis: Ein Soldat wurde verurteilt - für das Stehlen einer | |
Kreditkarte aus einem palästinensischen Haus. | |
Der prominenteste Fall war die Untersuchung des Beschusses des | |
UN-Hauptquartiers in Gaza am 15. Januar 2009, in dem 700 palästinensische | |
Zivilisten Schutz gesucht hatten. Brigadegeneral Eyal Eizenberg und der | |
Kommandeur der Givati-Brigade, Oberst Ilan Malka, wurden dafür gemaßregelt, | |
einen Granatbeschuss entgegen der Einsatzregeln autorisiert zu haben, die | |
es verbieten, Artillerie in dicht bewohnte Gebiete abzufeuern. Es wurde | |
aber kein Strafverfahren eingeleitet. Der Einsatz von Phosphor, der nach | |
internationalem Recht nur gestattet ist, damit dessen Rauch | |
Truppenbewegungen verbirgt, und nicht gegen Zivilisten, war kein Gegenstand | |
der Untersuchung. Laut Israels Regierungssprecher Mark Regev haben die | |
beiden Offiziere kein Verbrechen begangen, sondern seien lediglich ihrem | |
Leitfaden nicht gefolgt. Sie erhielten einen Eintrag in ihrer Akte. "Der | |
Cover-up zu dieser Affäre zeigt einmal mehr, dass sich die israelische | |
Armee nicht selbst untersuchen kann", schreibt die israelische | |
Menschenrechtsorganisation BTselem. | |
Die meisten der israelischen Untersuchungen waren "operationelle | |
Befragungen, die die Armee innerhalb der Armee unter der | |
Militärgesetzgebung abhielt", so HRW. Diese Befragungen werden | |
normalerweise im Rahmen der Kommandokette von Offizieren durchgeführt, die | |
in der gleichen Einheit dienen wie die Soldaten, deren Aktionen sie | |
begutachten. "Derartige operationelle Befragungen verzögern eine | |
unparteiische strafrechtliche Untersuchung, da sie nicht veröffentlicht und | |
in einem Gericht verwendet werden können", erklärt HRW weiter. Außerdem | |
gehe es nicht um die Rechtmäßigkeit des Befehls, sondern darum, ob er | |
korrekt ausgeführt wurde. | |
Es wurden einige weitergehende "Felduntersuchungen" durchgeführt, außerhalb | |
der Kommandokette, mit Offizieren relativ niedriger Ränge. "Damit steht die | |
Unabhängigkeit der Untersuchung in Frage, wie auch das Ergebnis beweist, | |
das in allen Fällen lautet, dass die israelischen Streitkräfte rechtmäßig | |
gehandelt haben", so HRW. | |
Auch frühere Untersuchungen des Militärs lassen Zweifel aufkommen. Die | |
israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din hat sich die Mühe gemacht, | |
bei den Operationen der israelischen Armee in den Jahren 2000 bis 2008 | |
nachzuhaken. In dieser Zeit wurden in den besetzten Gebieten 2.000 | |
palästinensische Zivilisten von der Armee außerhalb einer Kampfsituation | |
getötet. Im gleichen Zeitraum wurden 1.246 Soldaten und deren Umgang mit | |
palästinensischen Zivilisten strafrechtlich untersucht. In nur 13 Fällen | |
wurden Soldaten für die unrechtmäßige Tötung von Zivilisten angeklagt, in | |
fünf Fällen führte das zu einer Verurteilung. | |
8 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach dem Angriff auf Gaza-Hilfskonvoi: Israel ernennt Untersuchungskommission | |
Neben einem ehemaligen israelischen Richter sollen auch zwei ausländische | |
Beobachter in der Kommission sitzen. Die Türkei vertraut dem Gremium | |
dennoch nicht. | |
Druck auf Israel wirkt: Lockerung der Blockade in Sicht | |
Nach der Blockade der "Rachel Corrie" werden die Passagiere des | |
Solidaritätsschiffes ausgewiesen. Doch die Aktivisten wollen weitermachen. | |
Gaza-Krise: Ägypten öffnet die Grenze nicht | |
Entgegen Agenturmeldungen ändert sich an der Grenzen von Ägypten zu Gaza | |
nichts Wesentliches. Ein entsprechender Bericht an dieser Stelle beruhte | |
auf einer Falschmeldung. | |
Proteste gegen Blockadepolitik: Solidarität mit Gaza | |
Mehr als 10.000 Personen demonstrieren für die Beendigung der Blockade des | |
Gazastreifens und kritisieren den israelischen Militäreinsatz gegen den | |
Schiff-Hilfskonvoi. |