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# taz.de -- Sparpläne der Bundesregierung: Ökologisch und unsozial
> Längst nicht überall sind die Details der Einsparungen so klar wie im
> sozialen Bereich. Umweltverbände erfreuen sich an der AKW-Steuer, die
> Wirtschaft ist uneins
Bild: Die von Merkel & Co geplante Ticketabgabe wird wohl auch auf Überflieger…
Für die Gewerkschaften und die Sozialverbände ist der Fall klar: Sie
kritisieren die Kürzungen bei Arbeitslosen und Eltern in Höhe von zunächst
5 Milliarden und später 11 Milliarden Euro jährlich und kündigen Proteste
an. "Das sogenannte Sparkonzept der Bundesregierung ist ein Dokument der
Perspektivlosigkeit und sozialen Schieflage", sagte DGB-Chef Michael
Sommer. "Die Antwort der Gewerkschaften wird nicht ausbleiben." Die
Gewerkschaften würden die Diskussion in die Betriebe und Verwaltungen
tragen und auch gegen die Kürzungen im öffentlichen Dienst mobilisieren.
Auch die Diakonie Mitteldeutschland kritisierte das Sparpaket der
Bundesregierung als "fatales Signal der Entsolidarisierung". Während bei
den niedrigsten Familieneinkommen gekürzt werde, stehe eine Erhöhung des
Spitzensteuersatzes nicht zur Debatte, sagte Diakonie-Chef Eberhard
Grüneberg. "Bei der eigentlichen Aufgabe, Armut vorausschauend und
nachhaltig zu bekämpfen, hat das Kabinett keine Lösungen", ergänzte die
Chefin der "Berliner Tafel", Sabine Werth.
Als "unsozial und ökonomisch unsinnig" bezeichnete das
globalisierungskritische Bündnis Attac das Sparpaket. Für Samstag, den 12.
Juni, rufen Attac und andere linke Gruppen bereits zu Demonstrationen in
Berlin und Stuttgart auf. "Die neoliberale Politik des schlanken Staates
hat versagt", so Steffen Stierle von Attac. Der Erlös der von der
Bundesregierung angekündigten Finanzmarktsteuern in Höhe von 2 Milliarden
Euro jährlich sei viel zu gering. "Da könnte man locker einen zweistelligen
Milliardenbetrag herausholen."
Weniger eindeutig fällt die Reaktion der Umweltverbände aus, zumal in
diesem Bereich noch viele Details offen sind. Etwa bei der neuen Steuer für
die Betreiber von Atomkraftwerken, die jährlich 2,3 Milliarden Euro
einbringen soll: Hier hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der
Vorstellung der Sparpläne am Montag den Eindruck erweckt, dass diese an die
Laufzeitverlängerung gekoppelt sei, die die Regierung plant, deren
Realisierung aber wegen der fehlenden schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat
unsicher ist.
Wenn es eine solche Koppelung gäbe, würde durch die geplante Atomsteuer der
Druck steigen, die Laufzeiten auch tatsächlich zu verlängern. Entsprechend
kritisch war zunächst etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Am
Dienstag stellte das Finanzministerium aber klar: Die Steuer soll völlig
unabhängig von einer Laufzeitverlängerung kommen: "Diese Steuer steht für
sich", sagte ein Sprecher. Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter
Altmaier, erklärte, dass im Fall von Laufzeitverlängerungen von den
Energiekonzernen zusätzliche finanzielle Gegenleistungen verlangt würden,
die über die Steuer hinausgehen. "Es ist erfreulich, dass Schwarz-Gelb
jetzt die schon lange erhobene Forderung umsetzt, endlich auch
Atombrennstoffe zu besteuern", sagte der Geschäftsführer der Deutschen
Umwelthilfe, Rainer Baake. Der Stromkonzern RWE reagierte hingegen empört
auf die Ankündigung.
Auf großen Zuspruch stößt bei Umweltschützern die geplante
Luftverkehrsabgabe. Diese sollen alle Passagiere zahlen, die von einem
deutschen Flughafen abheben; sie könnte 10 bis 20 Euro betragen und soll
jährlich 1 Milliarde Euro einbringen. "Die Ticketabgabe ist eine gute
Sache", so Werner Reh, Verkehrsexperte beim BUND. Andere Länder wie
Frankreich oder Großbritannien hätten sie bereits; jetzt komme es darauf
an, dass neben Deutschland auch die Niederlande nachzögen. Allerdings seien
die Pläne der Bundesregierung noch zu zaghaft, 3 Milliarden Euro ließen
sich leicht durch die Abgabe einnehmen. Die Abgabe soll abhängig sein vom
Preis des Tickets sowie vom Verbrauch und Lärm der gewählten Maschine. Die
Luftverkehrsbranche kritisierte die Ticketabgabe dagegen scharf.
Zurückhaltend positiv äußerte sich das Forum Ökologisch-Soziale
Marktwirtschaft zu den Plänen, die Ökosteuer konsequenter anzuwenden.
Grundsätzlich sei es richtig, die Ausnahmeregelungen für energieintensive
Unternehmen abzuschaffen, sagte deren Geschäftsführer Damian Ludewig. Die
bislang noch vage formulierte Absichtserklärung der Regierung interpretiere
er so, dass das produzierende Gewerbe künftig mehr als die bislang
festgesetzten 60 Prozent der Ökosteuer bezahlen müsse. Arndt G. Kirchhoff,
Mittelstandssprecher beim Bund der Deutschen Industrie, begrüßte das
Sparpaket insgesamt, warnte aber vor "bedenklichen Einzelpunkten". Die
produzierende Industrie dürfe nicht höher belastet werden als bisher, weil
andernfalls eine Abwanderung ins Ausland zu befürchten sei.
Kritik äußerte das Bündnis "Bahn für alle" zu den Plänen, der Bahn jährli…
eine halbe Milliarde Euro an Dividende abzunehmen. "Wenn dieses Geld in den
allgemeinen Haushalt fließt, handelt es sich de facto um eine Kürzung der
Mittel für die Schiene", so Bündnis-Sprecher Carl Waßmuth. Zudem zahle der
Bund ohnehin jährlich rund 15 Milliarden Euro für die Bahn. Unklar ist
zudem, ob die 200 Millionen Euro, die das Bundesverkehrsministerium jedes
Jahr pauschal weniger ausgeben soll, auch zu Lasten der Schiene gehen. Auch
die Bahngewerkschaft Transnet kritisierte die geplante Dividendenzahlung.
"Wer den Gewinn, den die Deutsche Bahn voraussichtlich erwirtschaften wird,
abschöpft, um damit Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen, nimmt dem
Unternehmen die Möglichkeit, weiter in die Verbesserung der Infrastruktur
zu investieren", hieß es.
An den Börsen wurden die Sparpläne mit Skepsis aufgenommen. Der Börsenindex
DAX fiel am Dienstag um 1 Prozent auf 5.847 Punkte. Herbe Kursverluste gab
es bei den im Index schwer gewichteten Versorger-Aktien, weil die
Atomkonzerne künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Auch die Aktien von
Fluggesellschaften standen gestern weit oben auf der Verkaufsliste.
9 Jun 2010
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