# taz.de -- Die Sparpläne der Regierung: Sparen bei den Schwächsten | |
> Vor allem Behinderte und Jugendliche könnten von den Kürzungen im | |
> Bundeshaushalt betroffen sein. Die Diakonie warnt vor steigender | |
> Altersarmut | |
Bild: Dank der Sparpläne der Regierung: Im Alter mit leeren Händen? | |
BERLIN taz | Einen Tag nach Verkündung des Sparpakets herrschte am Dienstag | |
in der Bundesagentur für Arbeit (BA) weitgehend Unklarheit darüber, bei | |
welchen Posten der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gekürzt werden soll. | |
"Wir wissen auch nicht mehr, als dass es den politischen Willen gibt, die | |
Ausgaben zu straffen", sagte BA-Sprecherin Anja Huth zur taz. Jetzt müsse | |
beraten werden, "was überhaupt geht". | |
Die Regierung könnte vor allem an den Ausgaben für arbeitslose Behinderte | |
und Jugendliche sparen, fürchtet Huth. Denn genau dort bestünden derzeit | |
die "größen Blöcke der Pflichtleistungen". Dagegen liegt die Entscheidung, | |
ob Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen, aber auch 1-Euro-Jobs für | |
erwachsene Bezieher von Arbeitslosengeld I bzw. II ("Hartz IV") gewährt | |
werden, bereits heute im Ermessensspielraum der Jobcentermitarbeiter. | |
Arbeitslose Jugendliche und Behinderte hatten zum Beispiel bislang einen | |
Rechtsanspruch auf finanzielle Hilfe, um einen Hauptschulabschluss | |
nachzuholen oder eine Ausbildung auch in großer Entfernung von der | |
elterlichen Wohnung aufzunehmen. Bei Behinderten werden Zuschüsse für die | |
Arbeit in Werkstätten oder auch Kost und Logis bei der Unterbringung in | |
behindertengerechten, berufsausbildenden Einrichtungen gezahlt. | |
Selbst aus den eigenen Reihen erntete die Koalition deswegen Kritik. | |
Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) beschied, es | |
könne nicht angehen, dass Hilfen zur Eingliederung von Behinderten in den | |
Arbeitsmarkt eine Ermessensentscheidung würden. Im Bundesarbeitsministerium | |
selbst wollte man die Details nicht kommentieren. "Das müssen wir uns jetzt | |
genau anschauen", erklärte BMAS-Sprecherin Heike Helfer. | |
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen | |
Wohlfahrtsverbands, äußerte Unverständnis über Kürzungen für Jugendliche: | |
"Frau von der Leyen würde mit allem brechen, was sie hochgehalten hat." Er | |
fügte hinzu: "Wenn die Politik so meilenweit von den Nöten der Menschen | |
entfernt ist, sollte uns das beunruhigen." | |
Tatsächlich hatte die Bundesarbeitsministerin vor ein paar Wochen eine | |
"Vermittlungsoffensive" für arbeitslose Jugendliche, Alleinerziehende und | |
Langzeitarbeitslose angekündigt. "Die Sparpläne konterkarieren dieses | |
Vorhaben", so Schneider. Auf große Kritik stieß bei Sozialverbänden auch | |
die vollständige Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher. Anders | |
als das Kindergeld wurde diese Leistung von monatlich 300 Euro bisher nicht | |
auf das Arbeitslosgengeld II angerechnet. Klaus-Dieter Kottnik, Präsident | |
der Diakonie, kommentierte: "Junge Familien, insbesondere Alleinerziehende, | |
sind überproportional von Armut bedroht." Es sei deswegen "äußerst | |
problematisch", Familien im Hartz-IV-Bezug das Elterngeld vollständig zu | |
streichen. Tatsächlich stellen Alleinerziehende nach einer Analyse der BA | |
vom Dezember 2009 knapp 40 Prozent aller Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften. | |
Widerspruch regte sich auch zu den Plänen, die Zahlungen in die Rentenkasse | |
für Hartz-IV-Bezieher zu kappen. Derzeit führt die BA pro Person 40,80 Euro | |
im Monat an die Rentenversicherung ab. "Wir steuern damit auf eine neue | |
Altersarmut zu", sagte Kottnik. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des | |
Deutschen Städtetags, warnte vor steigenden Kosten für die Kommunen, wenn | |
diese immer häufiger für die Grundsicherung im Alter aufkommen müssten. | |
Allein zwischen 1998 und 2008 seien die Kosten von 7,2 auf 11,2 Milliarden | |
Euro jährlich angestiegen, die Zahl der Leistungsempfänger erhöhte sich im | |
gleichen Zeitraum von knapp 500.000 auf rund 712.500 Personen. Allerdings | |
erhalten Hartz-IV-Bezieher, die ins Rentenalter kommen, auch nur 2,09 Euro | |
im Monat für jedes Jahr, das sie im Hartz-IV-Bezug gesteckt haben und für | |
das Rentenzuschüsse abgeführt wurden. Letztlich dürften solche Beträge also | |
kaum dazu führen, Altersarmut tatsächlich zu verhindern. EVA VÖLPEL | |
9 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
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