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# taz.de -- Wolfram Weiße, Gründer der Akademie der Weltreligionen: "Dialog i…
> Eine Akademie der Weltreligionen soll das Gespräch der Religionen an der
> Universität Hamburg etablieren. Im Persönlichen seien
> Glaubensgewissheiten notwendig, sagt ihr Gründer Wolfram Weiße, im
> Bereich des Austauschs aber unmöglich.
Bild: Wer glaubt, kann auch miteinander reden: Papst Benedikt XVI. verabschiede…
Herr Weiße, am Mittwoch eröffnen Sie die Akademie der Weltreligionen.
Glauben Sie an Gott?
Wolfram Weiße: Ich kann Ihre Frage mit "Ja" beantworten, möchte aber
Folgendes erläuternd hinzufügen: Wir werden der Frage nach Gott nie vollauf
gerecht werden können. Deswegen gibt es im Judentum, im Christentum und im
Islam ein Bilderverbot. Das hat seinen Grund darin, dass man sich des
unverfügbaren Gottes nicht durch eine konkrete Vorstellung bemächtigen
soll. Aber man kann sich mit Menschen des gleichen und auch anderen
Glaubens einig wissen: Wir haben eine Verbundenheit gegenüber dem, den wir
nicht einfangen, den wir nicht besitzen können, auf den wir aber vertrauen
und zu dem wir in unterschiedlicher Weise beten können.
Dient also die Akademie der Weltreligionen dazu, sich auf
wissenschaftlicher Basis zwischen den Religionen zu verständigen?
Das ist in der Tat der Fall. Es geht darum, den Dialog zwischen den
Religionen verstärkt in das wissenschaftliche Denken aufzunehmen. Dialog
ist nicht Luxus, nach der Devise, dass man sich den anderen erst dann
zuwenden kann, wenn man sich das Eigene erarbeitet hat. Sondern Dialog ist
ein Kern von Theologie. In einem wissenschaftlichen Ansatz des Dialogs kann
verstärkt beides wahrgenommen werden: Worin man mit anderen übereinstimmt
und wo es Differenzen gibt.
Wie eng muss ein Lehrstuhlbewerber der Religion verbunden sein, deren
Theologie er betreiben soll?
Bisher war die Tradition in den Bundesländern unterschiedlich.
Staatskirchenverträge - seit kurzem auch mit Hamburg - erlauben es den
Kirchen, beratend, kontrollierend aber auch sanktionierend einzugreifen.
Davon unbeschadet werden die Professuren über die universitären Gremien
ausgeschrieben und damit wird der wissenschaftliche Standard gewahrt.
Zumeist werden die Mitwirkungsmöglichkeiten eher im Sinne einer "Notbremse"
verstanden. Wenn Professoren Grundlegendes des Glaubens über Bord werfen,
dann schreitet in vereinzelten Fällen die Kirche ein.
Käme eine solche Professur auch für jemanden, wie den Münsteraner Professor
Sven Kalisch in Frage, der die Existenz des Propheten Mohammed bezweifelt?
Sven Kalisch hat öffentlich erklärt, er sei nicht mehr Muslim. Damit ist
auch deutlich, dass er die islamische Religion nicht aus einer Innensicht
akademisch bearbeiten kann, was für Professuren in islamischer Theologie
unabdingbar ist. Wie sich die Berufungspraxis und die Mitwirkung der
Religionsgemeinschaften bei Berufungen von Professuren in islamischer,
jüdischer Theologie oder Buddhismus weiter entwickelt, muss man abwarten.
Hierzu hat der Wissenschaftsrat vorgeschlagen, religiöse Beiräte
einzurichten, aber diese Frage ist noch nicht gelöst. Deutlich ist, dass
man das bisherige Modell, das für Berufungen im Bereich evangelischer oder
katholischer Theologie gilt, nicht einfach übertragen kann.
Warum nicht?
Muslimische Organisationen vertreten nur eine Minderheit der Muslime in
Deutschland. Man kann nicht erwarten, dass sie kirchenähnliche Strukturen
annehmen und möglichst alle Muslime dort Mitglieder werden. Man wird in
einer Art Pilotprojekt überlegen müssen, wie man sich die Kompetenz der
Verbände zunutze machen kann, aber auch Muslime, die nicht organisiert
sind, mit einbezieht.
Sie haben sich mit der Wechselwirkung zwischen Religionen und
gesellschaftlichen Umbrüchen befasst. Ist die Einwanderung bei uns auch ein
solcher Umbruch?
Unsere Gesellschaft hat sich pluralisiert. Sie ist bunter geworden. Es gab
auch Phasen, in denen das als gefährlich für unsere Gesellschaft bezeichnet
worden ist. Wir sind dagegen immer schon wissenschaftlich von einem
ressourcenorientierten Ansatz ausgegangen. Das spiegelt sich jetzt auch
stärker in der öffentlichen Diskussion. Man sagt heute: Es ist eine
Bereicherung für unsere Gesellschaft, dass Menschen mit ihren Potenzialen
aus unterschiedlichen Kulturen und mit ihren Religionen hergekommen sind
und: Sie sind Teil der Bevölkerung. Und das ist auch gut so.
Versprechen Sie sich vom Dialog der Religionen eine Integrationswirkung?
Das kann man jetzt schon deutlich sehen. Man sollte aber nicht nur
theoretisch auf die Möglichkeiten wechselseitiger Verständigung blicken,
sondern auch Vertrauensverhältnisse aufbauen. Hamburg ist als die
Hauptstadt des interreligiösen Dialogs bezeichnet worden: Hier gibt es
Dialogkreise seit Anfang der 1990er Jahre. Menschen mit unterschiedlichen
Hintergründen haben sich über die Jahre kennengelernt, so dass man auch
über "Schlechtwetterthemen" reden kann. Das ist der Test für die
Tragfähigkeit eines interreligiösen Dialogs.
Sie haben zum Thema Religion und Gesellschaft zuerst in Südafrika
geforscht. Was haben Sie dabei gelernt?
Die unterschiedlichen Positionen zum Thema Rassismus innerhalb der Kirchen
haben mir gezeigt: Manchmal ist es gar nicht das entscheidende Kriterium,
welcher Kirche man angehört, sondern die Kombination zwischen
konfessioneller und sozialer Zugehörigkeit ist der Punkt. Für mich als
Protestanten war es besonders bitter, bei den weißen lutherischen Kirchen
in Südafrika einen starken Rassismus zu sehen und Absetzbewegungen
gegenüber den schwarzen Lutheranern. Dies nicht nur sozial, sondern auch
religiös.
Steht die Religion bei solchen gesellschaftlichen Prozessen im Vordergrund
oder geht es nicht vielmehr darum, scharfe Gruppenidentitäten zu bilden?
Identität kann unterschiedlich verstanden werden. Oft wird sie als
kompaktes System gesehen, wo - durch wen auch immer - in einem fest
umschnürten Paket klar definiert ist, was einen "richtigen" evangelischen
Christen oder Buddhisten ausmacht. Das ist ein problematisches Verständnis
von Identität. Schon in der Praxis kann man sehen, dass das so nicht
funktioniert. Menschen derselben Religionszugehörigkeit haben oft ein stark
abweichendes Verständnis von dem, was ihre Religion ausmacht. Und
theoretisch gibt es auch andere Zugänge: Wir gehen auf Ansätze zu, wie sie
Emmanuel Lévinas, Paul Ricoeur oder Helmut Peukert vertreten, die sagen:
Identität hat mit Entwicklung zu tun. Identität ist kein Besitz. Sie darf
nicht als Machtinstrument verwendet werden. Identität ist nur zu erreichen
im Angesicht anderer.
Wenn man sich mit Hilfe der Theologie zu begegnen versucht, muss jede
Religion bereit sein, sich selbst in Frage zu stellen. Das wird nicht jedem
gefallen?
Es gibt in allen Religionen Menschen, die sich in einem eigenen Zirkel,
vielleicht auch einem eigenen Schutzraum bewegen, die fundamentalistisch
sind und sagen: Die Wahrheit ist ungeteilt, und nur unsere Religion ist
wahr. Im persönlichen Bereich sind Glaubensgewissheiten notwendig. Aber im
Bereich des Austauschs wäre es auch objektiv gar nicht möglich, dass die
Religionen, die einen Alleinvertretungsanspruch formulieren, alle Recht
haben können. Es ist ein Schmerz, den Religionen aushalten müssen, wenn sie
sagen: Wir haben einen Wahrheitsanspruch, wir haben eine Orientierung, die
uns Sicherheit bietet, aber es gibt auch andere Religionen, die einen
Wahrheitsanspruch vertreten und ihren Anhängern Sicherheit bieten.
Der wissenschaftliche Diskurs der Moderne hat das Christentum geschwächt.
Können Sie verstehen, dass Gläubige anderer Religionen ähnliche Prozesse
befürchten?
Angst ist immer ernst zu nehmen und hat Wurzeln. Sie kann zur Vorsicht
raten, dass man nicht alles aus der Hand gibt und dass nicht alles diffus
wird. Dies würde die Möglichkeiten von Religionen verringern, Menschen zu
bestärken, aber auch ethisch herauszufordern. Daneben ist es die Frage, ob
das Christentum wirklich nachhaltig geschwächt worden ist. Wir haben es
keinesfalls mit einem Prozess zu tun, durch den die Religion "verdunstet".
Wir dürfen zurückgehende Kirchenmitgliedszahlen nicht als alleiniges Indiz
für den Rückgang von Religiosität interpretieren. Im akademischen Bereich
sprechen wir zudem nicht mehr von der Säkularisierung - dem Verschwinden
der Religion - sondern von Pluralisierung. In Hamburg gibt es über 100
Religionen.
Trotzdem mag der eine oder andere den Dialog als Gefahr für die eigene
Frömmigkeit empfinden ...
Die meisten gehen von der Annahme aus, dass fromme Menschen sich in das
Gehäuse ihrer religiösen Vorstellung und Praxis zurückziehen. Aber es gibt
eine andere religiöse Tradition, die tief innerlich und fromm ist und
zugleich mit einem öffentlichen Wirken zusammengeht. Kronzeugin hierfür ist
Dorothee Sölle, die gesagt hat, die Mystik - das Tiefinnere - sei die
Basis, um öffentlich zu wirken. Das sehe ich auch so.
20 Jun 2010
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Niedersachsen
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