# taz.de -- Keine weitere Ansiedlung von Flüchtlingen: Deutschland macht dicht | |
> Trotz des Drängens von Hilfsorganisationen verweigert das | |
> Innenministerium die Aufnahme weiterer irakischer Vertriebener im | |
> Kontingent. Dabei bestätigen alle, selbst De Maizière, dass die | |
> Erfahrungen damit gut waren. | |
Bild: Freundlicher Empfang: Ankunft der ersten irakischen Kontingentflüchtling… | |
BERLIN taz | Die Einschätzung fällt ungewöhnlich einhellig aus. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Flüchtlingsorganisationen, | |
Kirchen und Opposition sprechen von einer "weitgehend gelungenen Aktion". | |
Gemeint ist die Aufnahme von 2.500 irakischen Flüchtlingen, die Deutschland | |
im Rahmen eines EU-Programms aufgenommen hat und dauerhaft ansiedeln will. | |
Die weitaus meisten der Flüchtlinge, die zwischen März 2009 und April 2010 | |
eingereist sind, sind Christen, andere religiöse Minderheiten wie Mandäer | |
und Yeziden sind aber ebenso darunter. | |
"Bei der sozialen Ausgestaltung gibt es Verbesserungsbedarf", sagt Karl | |
Kopp, Referent der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. So müssten die | |
Flüchtlinge zum Teil lange auf ihre Integrationskurse warten, auch die | |
Verteilung sei mitunter problematisch. Einige Traumatisierte seien zum | |
Beispiel auf dem Land untergebracht, wo es keine angemessene psychosoziale | |
Betreuung gebe. "Insgesamt ist es aber ein sinnvoller Schritt", so Kopp. | |
Nicht ganz so einhellig fällt die Einschätzung aus, welche Konsequenzen | |
Deutschland aus der Aufnahme der Iraker ziehen soll. Opposition, Kirchen, | |
Flüchtlingsorganisationen und auch die FDP fordern eine Verstetigung des | |
Programms. | |
Die Bundesregierung solle ein Resettlementprogramm einführen, also jährlich | |
eine bestimmte Anzahl Flüchtlinge zusätzlich zum Asylverfahren aufnehmen | |
und dauerhaft ansiedeln, sagt Rüdiger Veit, der migrationspolitische | |
Sprecher der SPD, der taz. Eine Aufnahme von jährlich 10.000 Flüchtlingen | |
sei möglich. | |
"Die Aufnahme von irakischen Flüchtlingen kann nur ein Anfang gewesen | |
sein", sagte Josef Winkler, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen. | |
"Notwendig ist ein fest installiertes Neuansiedlungs-Programm, das | |
jährliche verbindliche Aufnahmequoten vorsieht." Ähnlich äußerte sich Ulla | |
Jelpke von der Linkspartei. | |
Flüchtlingsverbände und Kirchen fordern seit langem eine solches Programm, | |
auch die FDP ist dafür. "Ich unterstütze die Bestrebungen, ein europäisches | |
Neuansiedlungsprogramm zu etablieren", sagte deren migrationspolitischer | |
Sprecher Tören. Die EU-Kommission hat jüngst einen entsprechenden Vorschlag | |
gemacht. | |
Auch die FDP ist für ein solches Programm, allerdings als gemeinsame | |
EU-Maßnahme. "Ich unterstütze die Bestrebungen, ein europäisches | |
Neuansiedlungsprogramm für Flüchtlinge zu etablieren", sagt der | |
migrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, der taz. | |
Das Europaparlament hat sich im vergangenen Monat für ein solches Programm | |
ausgesprochen. "Die EU-Länder brauchen ein effizientes gemeinsames | |
Umsiedlungsprogramm", sagte der Berichterstatter Georgios Papanikolaou nach | |
der Abstimmung im Parlament. Das Europaparlament unterstützte damit einen | |
Vorschlag der EU-Kommission, der unter anderem finanzielle Anreize für | |
aufnahmewillige Länder angeregt hat. | |
Allerdings sieht es nicht so aus, als würde sich Bundesinnenminister de | |
Maizière dafür einsetzen. "Deutschland hat kein Neuansiedlungsprogramm, und | |
derzeit ist nicht beabsichtigt, daran etwas zu ändern", sagte ein Sprecher | |
des Ministers der taz. Die Aufnahme solle weiterhin "situations- und | |
anlassbezogen" erfolgen, wie derzeit die von 100 Flüchtlingen aus | |
Drittstaaten, die über Malta kamen, und 50 iranischen Flüchtlingen über die | |
Türkei. | |
24 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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