| # taz.de -- Neues ökologisches Gleichgewicht: Tintenfische erobern die Nordsee | |
| > Kraken und Kalmare könnten das ökologische Gleichgewicht verändern. Die | |
| > Tintenfische kommen und gedeihen in der Nordsee, weil das Meer in den | |
| > letzten 40 Jahren etwa zwei Grad wärmer wurde. | |
| Bild: Vermehrt in der Nordsee zu finden: Kraken und Kalmare. | |
| HAMBURG taz | Kraken und Kalmare sind den Bewohnern der Nordseeküste aus | |
| ihrem Mittelmeerurlaub vertraut. Seit einigen Jahren scheinen jedoch immer | |
| mehr Tintenfische in der wärmer gewordenen Nordsee zu gedeihen. Dort | |
| könnten sie das ökologische Gleichgewicht verschieben, sagt der Kieler | |
| Biologe Daniel Osterwind. Im Rahmen seiner Doktorarbeit will er | |
| herausfinden, wie sich die zunehmende Zahl an Kraken und Kalmaren auf das | |
| Fressen und Gefressen werden in dem Randmeer auswirkt. | |
| "Die Fischer haben mich auf die Idee gebracht", sagt Osterwind. Sie hätten | |
| davon berichtet, dass ihnen immer mehr Tintenfische in die Netze gingen. | |
| Das könnte Folgen haben - gerade für die Fischerei, dachte sich der | |
| Biologe. Denn Tintenfische als reine Fleischfresser verspeisen nicht nur | |
| Krebse und andere Kopffüßler, sondern auch Speisefische. Fangen die Fischer | |
| zu viele Raubfische wie Kabeljau, Seehecht oder Schellfisch, werden die | |
| Tintenfische selbst nicht mehr gefressen. Sie können sich ungehindert | |
| vermehren und noch mehr Fisch vertilgen. Es droht ein fataler Kreislauf. | |
| Dirk Sander, der Präsident des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, | |
| bestätigt, dass seine Kollegen in den vergangenen zehn Jahren vermehrt | |
| Tintenfische gefangen haben. Zwei Kutter in den benachbarten Niederlanden | |
| hätten sich sogar auf Tintenfische umgestellt. Sie fischten allerdings | |
| weiter draußen auf See, weil die Tiere nur im tiefen Wasser groß würden. | |
| Auch wenn immer wieder welche in emsländischen Netzen landeten: Ein Problem | |
| für die Fischerei in der südlichen Nordsee sei das nicht. "So viel mehr ist | |
| das nicht geworden", sagt er. Noch nicht. | |
| Osterwind versucht die Erfahrung der Fischer mit Hilfe von Forschungsfängen | |
| zu untermauern. An 90 von 121 Fangstationen sind in diesem Winter | |
| Tintenfische ins Netz gegangen. Zwölf Arten hat der Forscher darin | |
| gefunden. Weil die Fangmengen in seinen drei Forschungsjahren stark | |
| schwankten, vergleicht er die Zahlen mit Daten aus den 60er und 70er | |
| Jahren, die allerdings unsystematisch ermittelt worden seien. Demnach gäbe | |
| es heute sehr viel mehr Tintenfische als vor 40 oder 50 Jahren. | |
| Dass sie in die Nordsee kommen und hier gedeihen, liege wohl an der | |
| Erwärmung des Meeres, sagt Osterwind. Die Nordsee sei in den letzten vier | |
| Jahrzehnten im Mittel 1,5 bis zwei Grad wärmer geworden. Das lässt die | |
| Neuankömmlinge schneller wachsen. Bei den Shetland-Inseln schafft es eine | |
| Art, in 15 bis 18 Monaten 90 Zentimeter lang zu werden. Entsprechend viel | |
| müssen die Viecher fressen. | |
| An Beute kommen sie leicht. "Das sind richtig schnelle Jäger", sagt | |
| Osterwind. In ihren Mägen hat er nicht nur Grundeln und Heringe gefunden, | |
| sondern auch pfeilschnelle Makrelen. Durch die Analyse des Mageninhalts | |
| versucht der Biologe festzustellen, wie viel und welche Biomasse die | |
| Tintenfische fressen. Dann kann er vielleicht einschätzen, ob Gefahr für | |
| die Fischerei droht. | |
| 29 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
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