# taz.de -- Ortsbasiertes Netzwerk Foursquare: Der nächste große Hype | |
> Der ortsbasierte Dienst Foursquare wächst – trotz umstrittenem Konzept. | |
> Rabatte und Spieltrieb sollen für das freiwillige Bekanntgeben des | |
> Aufenthaltsortes sorgen. | |
Bild: Mit 100 Millionen Dollar bewerten Investoren die US-Firma Foursquare seit… | |
Nach dem Wirbel um Facebook und Twitter wendet sich das Netz einem neuen | |
Hype zu: Ortsbasierten Diensten, bei denen die Nutzer per "Check-in" der | |
Welt (oder auch nur ihren Freunden) via Handy den aktuellen Standort | |
durchgeben. Dann kann man sich ja vielleicht treffen, ist die Idee – und | |
ein bisschen angeben möglicherweise auch. Der bekannteste Dienst unter den | |
"Geolocation"-Firmen nennt sich [1][Foursquare] – und er reitet aktuell auf | |
einer Welle des weltweiten Nutzerwachstums. Und nun gibt es erstmals auch | |
richtig Geld für den Dienst: Mit 100 Millionen Dollar bewerten Investoren | |
die US-Firma seit Ende letzter Woche. | |
Auf Basis dieser Schätzung werden insgesamt 20 Millionen Dollar in | |
Foursquare gesteckt. Das Geld kommt von früheren Investoren wie Union | |
Square Ventures, O'Reilly Alphatech sowie vom neuen Finanzier Andreessen | |
Horowitz (AH). Foursquare hat sich damit bekannte US-Risikokapitalfirmen | |
angelacht: Union Square gehört zu den prominentesten Geldgebern von | |
Twitter, während bei AH der Internet-Pionier Marc Andreessen zu den | |
Namensgebern zählt, der den Browser Mosaic erfand und später den frühen | |
Web-Riesen Netscape gründete. | |
Das zweistellige Millionen-Investment ist für Foursquare eine große Sache: | |
Die 30-Mann-Firma hatte zuvor nur 1,35 Millionen Dollar Startkapital | |
eingeworben. Firmenchef Dennis Crowley kennt sich indes mit dem | |
Web-Geschäft aus: Bereits 2005 verkaufte er sein erstes Start-up Dodgeball, | |
das von der Grundidee her Foursquare erstaunlich ähnlich war, an den | |
Internet-Riesen Google. | |
Foursquare kombiniert den einfachen "Check-in"-Service mit einem Spiel: Wer | |
besonders häufig an einem Ort ist oder diesen beispielsweise mehrere Tage | |
hintereinander betritt, bekommt einen so genannten "Badge". Diese virtuelle | |
Auszeichnung ("Bürgermeister" gilt als höchste) sehen dann wiederum die | |
Freunde oder auf Wunsch der Rest der Welt. Dieses spielerische Element soll | |
die User möglichst lange bei Foursquare halten. | |
Privatsphärenschützer sehen solche ortsbasierten Dienste naturgemäß | |
kritisch. "Wer eine solche Anwendung nutzt, ist schlecht beraten", meint | |
beispielsweise der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo | |
Weichert. Die Nutzer könnten die möglichen Konsequenzen für ihre | |
Privatsphäre nicht ansatzweise nachvollziehen und das "Spiel" schnell ernst | |
werden. "So etwas kann durchaus eine Dummheit sein." So zeigte etwa die | |
niederländische Aktivisten-Website [2]["Please Rob Me"] bis vor kurzem, wie | |
man aus Foursquare-Daten Einbrechern das Leben leichter machen kann. | |
Und dann wäre da noch die Angreifbarkeit von Foursquare selbst. So | |
demonstrierte Ende Juni ein Hacker, wie sich aus simplen Profilbildern | |
eigentlich auf "unsichtbar" geschaltete Nutzer des Dienstes identifizieren | |
lassen. 875.000 "Check-Ins" sammelte der Programmierer Jesper Andersen in | |
San Francisco über drei Wochen durch diese Lücke – und damit für Unbefugte | |
durchaus interessante Bewegungsprofile. Zwar gibt es eine Möglichkeit, | |
[3][die Lücke] mit einem simplen Mausklick zu schließen – allerdings hatte | |
Foursquare wie so viele andere US-Dienste auch standardmäßig eher offene | |
Privatsphäreneinstellungen gewählt. Nutzer müssen also ähnlich wie bei | |
Facebook ganz genau hinsehen. | |
Noch ist unklar, wie Foursquare genau Geld verdienen will. Mit den 20 | |
Millionen Dollar Risikokapital ist nun erst einmal ein Puffer geschaffen – | |
auch Vorbilder wie Twitter leben derzeit vor allem von Investorenmitteln. | |
Die Möglichkeiten, Online-Geschäft mit Offline-Werbung zu verknüpfen, sind | |
aber groß: So gibt es bereits jetzt Kooperationen mit einzelnen | |
Unternehmen, die Menschen, die besonders oft bei ihnen "einchecken", | |
Rabatte offerieren. | |
Auch ist denkbar, dass Foursquare-User nach einem "Check-in" auf | |
Sonderaktionen in der Nähe aufmerksam gemacht werden. Und dann wäre da noch | |
die Möglichkeit, mit den anfallenden Ortsstatistiken zu verdienen. Schon | |
jetzt zahlen Unternehmen gutes Geld für anonymisierte Daten, wie sich | |
Menschen in Städten bewegen, um beispielsweise besonders gut geeignete Orte | |
für die Einrichtung von Shopping-Centern zu finden. | |
5 Jul 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://foursquare.com/ | |
[2] http://pleaserobme.com/ | |
[3] http://www.wired.com/threatlevel/2010/06/foursquare-privacy/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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