Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Amnesty-Studie zu Polizeigewalt: Schläger in Uniform
> Amnesty International hat 15 Fälle von Misshandlungen dokumentiert und
> fordert Konsequenzen von der Innenministerkonferenz. So sollten
> Polizisten bei Einsätzen individuell gekennzeichnet werden.
Bild: Gegenseitiges Decken, verschwindende Beweismittel, ungerechtfertigte Prü…
Keine unabhängigen Ermittlungen, Polizisten, die sich gegenseitig durch
Falschaussagen schützen, Beweismittel, die einfach verschwinden: In einem
gestern vorgestellten Bericht von Amnesty International (AI) prangert die
Menschenrechtsorganisation Misshandlungen durch die Polizei an, die nie
aufgeklärt werden. "Das Prinzip, dass nicht ordentlich ermittelt wird,
zieht sich durch. Wir sehen darin ein strukturelles Problem", sagte die
Generalsekretär von AI in Deutschland, Monika Lüke.
"Wir wissen aber auch, dass die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei
einen unglaublich schwierigen Job machen", sagte sie. Systematische
rechtswidrige Polizeigewalt gebe es in Deutschland nicht. Trotzdem mangele
es an Aufklärung der Fälle, was dauerhaft das Vertrauen der Bürger in den
Staat untergrabe.
Gewalt durch die Polizei in 15 Fällen hat Amnesty ausführlich recherchiert,
in dreien starben die Opfer. Insgesamt haben sich in den letzten Jahren 850
Menschen an die Organisation gewandt. Von einem "Klima der Straflosigkeit"
ist in dem Bericht die Rede. Eines der größten Problem sei, dass Polizisten
in geschlossenen Einheiten, etwa bei Demonstrationen oder Razzien, keine
persönliche Kennzeichnung tragen. In Berlin ist im Jahr 2008 in 636 Fällen
gegen Beamte wegen Körperverletzung ermittelt worden, es kam jedoch zu
keiner Verurteilung. "Wir fordern eine eindeutige Kennzeichnung von Beamten
und wollen dazu Antworten von den Innenministerien hören", sagte David
Díaz-Jogeix, Europa-Experte bei AI in London. In Spanien, Großbritannien
und Schweden habe es gute Erfahrungen mit einer Kennzeichnungspflicht von
Polizisten gegeben. Amnesty fordert zudem Videoaufzeichnungen in
Polizeistationen, um Misshandlungen vorzubeugen. In Katalonien werde das
bereits praktiziert, dort sei die Zahl der Prügelvorwürfe gegen die Polizei
deutlich zurückgegangen, sagte Díaz-Jogeix. In Deutschland dokumentierte
Amnesty besonders viele Fälle, in denen Ausländer oder Asylbewerber auf
Polizeiwachen verprügelt wurden.
Manche Polizisten hätten zudem ein "falsch verstandenes Wir-Gefühl",
kritisierte Lüke - immer dann, wenn sich Beamte gegenseitig mit falschen
Aussagen deckten oder nicht gegen Kollegen aussagen.
Immerhin werden seit 2009 Ermittlungen gegen Polizisten bundesweit erfasst.
Deutschland hat außerdem einen "Nationalen Präventionsmechanismus"
eingeführt. Er überwacht in den 450 Einrichtungen der Bundespolizei, ob
Personen, die festgenommen worden sind, nicht misshandelt werden. Die
Stelle hat eine Mitarbeiterin und einen ehrenamtlichen Leiter.
Polizei ist Ländersache, die Reaktionen auf die AI-Forderungen
unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland erheblich. In Berlin will
Polizeipräsident Dieter Glietsch noch in diesem Jahr Polizisten
verpflichten, Namensschilder oder Dienstnummern zu tragen. "Dass dies
möglicherweise in Einzelfällen auch die Identifizierung eines
Polizeibeamten erlaubt, der einer Straftat verdächtigt wird, ist aus meiner
Sicht ein positiver Nebeneffekt", sagte er der taz. Auch in Brandenburg
liegt ein entsprechender Gesetzestext vor, der auch von der CDU unterstützt
wird."Nummern oder Zeichen auf Uniformen sind Unfug", erklärte dagegen der
Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Sie stellten
alle Polizisten unter Generalverdacht und ermöglichten es, Beamte
willkürlichen Vorwürfen auszusetzen.
Glietsch lehnt zudem unabhängige Stellen, die gegen Polizisten ermitteln
sollen, ab. "Sie wären lediglich eine durch nichts gerechtfertigte
politische Misstrauenserklärung gegenüber Polizei und Justiz." Hamburg hat
dagegen als einziges Bundesland eine Ermittlungsstelle für Amtsdelikte, die
nicht der Polizei unterstellt ist. Videoüberwachung von Polizeidienstellen
lehnen Baden-Württemberg, Berlin und die Polizeigewerkschafen ab, Hamburg
rüstet seine Dienststellen bereits um. "Mit Kameras auf
Polizeidienststellen könnte man letztlich alle Kritiker überzeugen", sagt
Pressesprecher Ralf Kunz der taz.
9 Jul 2010
## AUTOREN
Ingo Arzt
Ingo Arzt
## TAGS
Großbritannien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sexuelle Gewalt durch britische Beamte: Mehr als 400 Polizisten angezeigt
Hunderte britische Polizisten sollen im Amt sexuelle Übergriffe begangen
haben. In einem Bericht heißt es, der Amtsmissbrauch werde nicht
ausreichend geahndet.
Kommentar Polizeigewalt: Die Unberührbaren
Anwendung von Gewalt gehört zu den legitimen Einsatzmitteln der Polizei.
Aber gerade weil sie dieses Privileg genießt, bedarf es besonderer
Kontrollregularien.
Beispiele von Polizeigewalt: Brüche, Hiebe, Hämatome
Dessau, Hagen, Berlin - drei Bespiele aus dem Amnesty-Bericht zur
Polizeigewalt. Für die Polizeibeamten bleiben die brutalen Übergriffe
zumeist folgenlos.
POLIZEIGEWALT: Linke fordert Polizei-Kontrolle
Die Linkspartei drängt bei der Novellierung der Polizeigesetze auf einen
unabhängigen Polizeibeauftragten und fordert die Kennzeichnungspflicht für
Polizisten.
FDP-Staatssekretär über Polizeigewalt: "Kein Sonderstrafrecht für Polizisten"
Max Stadler, FDP-Staatssekretär im Bundesjustizministerium hält nichts von
der Unions-Forderung nach schärferen Strafen bei Gewalt gegen
Polizeibeamte.
STRAFRECHT: Polizisten suchen Schutz
Den Tatbestand "tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" wollen Bremer
Polizei-Gewerkschaft und CDU im Gesetz verankern. Juristen kritisieren den
Vorstoß
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.