# taz.de -- Beispiele von Polizeigewalt: Brüche, Hiebe, Hämatome | |
> Dessau, Hagen, Berlin - drei Bespiele aus dem Amnesty-Bericht zur | |
> Polizeigewalt. Für die Polizeibeamten bleiben die brutalen Übergriffe | |
> zumeist folgenlos. | |
Bild: Tod im Polizeigewahrsam: Demonstration zum dritten Todestag von Oury Jall… | |
BERLIN taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International listet in | |
ihrem Polizeibericht zahlreiche Fälle von Gewalt auf. Hier drei Beispiele: | |
Der Fall Oury Jalloh: Am 7. Januar 2005 verbrannte der Asylbewerber aus | |
Sierra Leone in der Polizeiwache Dessau. Polizisten hatten den 23-Jährigen | |
in einer Ausnüchterungszelle ans Bett fixiert. Trotzdem soll er mit einem | |
Feuerzeug die Schaumstoffmatte angezündet haben. Alarmsignale wurden vom | |
Dienstgruppenleiter ignoriert, als die Beamten reagierten, war es zu spät. | |
Gut zwei Jahre nach dem Tod Jallohs begann vor dem Landgericht | |
Dessau-Roßlau der Prozess gegen zwei Polizisten. Einer der beiden, der bei | |
der Durchsuchung Jallohs laut Anklage das Feuerzeug übersehen hatte, musste | |
sich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung verantworten. Dieser | |
Vorwurf erwies sich als unhaltbar. Auch der Dienstgruppenleiter, der sich | |
wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge verantworten musste, wurde | |
freigesprochen. Zahlreiche Polizisten mauerten im Zeugenstand oder | |
widerriefen ihre bereits gemachten Aussagen. Der Vorsitzende Richter sagte | |
in der Urteilsbegründung, was die Polizei bei ihren schlampigen | |
Ermittlungen und vor Gericht bot, habe mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr | |
zu tun. | |
Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Die Richter hatten | |
erhebliche Zweifel an den Zeugenaussagen der Polizisten. Der Prozess gegen | |
einen Beamten wird vor dem Landgericht Magdeburg neu aufgerollt. | |
Fall "Jeton": Ein damals 33-jähriger Berliner, der als | |
Kommunikationsingenieur im Bundestag arbeitet, feierte am 20. August 2005 | |
in der Berliner Diskothek "Jeton" seinen Junggesellenabschied. Um 1.30 Uhr | |
stürmten etwa 300 Polizeibeamte, davon circa 100 SEK-Kräfte, das Lokal, | |
weil sie dort 150 bis 250 Hooligans vermuteten. Der Ingenieur wurde von | |
Polizisten mit Fußtritten und Schlägen traktiert und beschimpft. Ärzte | |
diagnostizierten später ein Schädel-Hirn-Trauma und Platzwunden. Insgesamt | |
wurden 21 Personen bei der Durchsuchung verletzt. Nach der Razzia gingen | |
bei der Staatsanwaltschaft mehr als 100 Anzeigen ein. Eine Anhörung im | |
Berliner Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am 29. August 2005 mit dem | |
Vorfall. Im November 2006 wurden die Verfahren gegen zwei Polizisten | |
eingestellt. | |
Der Fall Adem Özdamar: In der Nacht zum 17. Februar 2008 hatte der | |
26-jährige Adem Özdamar, der unter einem akuten, durch Kokainmissbrauch | |
hervorgerufenen schizophrenen Schub litt, bei der Polizei in Hagen | |
angerufen, weil er sich verfolgt fühlte. Zwei Polizisten und eine | |
Praktikantin suchten Özdamar auf und schlugen vor, ihn mitzunehmen. Im | |
Polizeiauto geriet Özdamar in Panik und schrie. Um bei der Ankunft in der | |
Wache Widerstand zu verhindern, verwendete ein Polizist Pfefferspray. Da | |
dieses Spray keine Wirkung zeigte, fixierten ihn sieben Beamten auf dem | |
Bauch liegend auf eine Pritsche. 15 Minuten dauerte die Prozedur, bei der | |
zum Schluss insgesamt 13 Polizisten beteiligt gewesen sein sollen. Als | |
Özdamar nicht mehr atmete, wurde eine Notärztin gerufen. Ihr gelang es, | |
Özdamar wiederzubeleben, später fiel er wieder ins Koma. Adem Özdamar starb | |
am 5. März 2008. | |
Ein Gerichtsmediziner gab an, dass die Hämatome, die festgestellt wurden, | |
"auf eine stumpfe Gewaltanwendung" schließen lassen. Özdamars Familie ließ | |
die Röntgenaufnahmen von einem Radiologen untersuchen. Dieser | |
diagnostizierte eine Nasenbeinfraktur. | |
8 Jul 2010 | |
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