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# taz.de -- Schach-Weltverband: New York statt Kalmückien
> Exweltmeister Anatoli Karpow will an die Spitze des Weltverbands. Im
> Kampf gegen Stimmenkäufer Iljumschinow setzt er auf seinen guten Namen.
Bild: Schachlegende Karpow kann sich der Unterstützung der Aktiven in der Scha…
Anatoli Karpow steckt sich hohe Ziele: Der ehemalige Schachweltmeister will
das "Renommee" seiner Sportart "retten". Die 59 Jahre alte Legende hat
dabei bereits die bösen schwarzen Figuren ausgemacht, die dieses
torpedieren: Kirsan Iljumschinow, selbstherrlicher Präsident des
Schachweltverbandes Fide und der autonomen Republik Kalmückien samt seiner
sich bereichernden Entourage.
Anders als früher, als sich Karpow in den 1970ern und 1980ern mit subtilen
Manövern auf dem Brett so viele Turniersiege wie kein anderer sicherte,
greift die Legende im Kampf nun zur verbalen Axt: "Die jetzige Führung ist
unfähig und will sich mit allen Mitteln halten", urteilt der Russe und fügt
an, "das Ansehen unseres Sports hat in den letzten zwanzig Jahren
gelitten."
Sein Mantra versucht der Unicef-Botschafter derzeit rund um den Globus an
den Mann - Frauen spielen im Schachsport kaum eine Rolle - zu bringen. Nach
Stippvisiten in der Karibik, in Lateinamerika und in Asien machte Karpow
nun bei den Dortmunder Schachtagen Station. Dort hatte er 1993 einen seiner
rund 170 Turniersiege gefeiert. Anschließend beerbte ihn sein Landsmann
Wladimir Kramnik und avancierte zum neunfachen Rekordgewinner bei diesem
Topturnier.
Der Multimillionär führte an Kramniks Brett den ersten Zug aus. Doch das
Turnier gewann dessen Widersacher an diesem Tag, Ruslan Ponomarjow. Der
26-jährige Ukrainer, der wie Karpow Fide-Weltmeister war, feierte mit
6,5:3,5 Punkten seinen "bisher größten Turniersieg". Überraschend auch
Platz zwei für den Vietnamesen Liem Le Quang. Der Qualifikant vom
Aeroflot-Open in Moskau holte einen halben Zähler mehr als die Favoriten
Kramnik und Schachrijar Mamedjarow (Aserbaidschan/beide 5:5).
Karpow konnte sich in Dortmund vergewissern, dass er Unterstützung unter
den Aktiven in der Schachszene hat. Nicht nur sein alter WM-Erzrivalen
Garri Kasparow steht hinter seiner Kampagne. Wie die meisten
Weltklassegroßmeister wünscht sich auch Ponomarjow sein Vorbild an die
Verbandsspitze: "Ich unterstütze Karpow. Ich habe bereits mit ihm trainiert
und eine Menge von ihm gelernt", berichtet der Ukrainer und betont im
Interview mit [1][Chessbase.de]: "Es ist an der Zeit, dass die alte
Fide-Führung nach 15 Jahren endlich abgelöst wird." Die Stars wollen wieder
in New York und London spielen statt dauernd in Kalmückiens Hauptstadt
Elista oder wie im Herbst in Chanty-Mansisjk am Ural. Dort findet die
Schacholympiade ebenso statt wie die richtungsweisende Präsidentenwahl.
Doch Karpow liegt wohl schon deutlicher als 0:1 zurück. Den Machtkampf im
Kreml hat er bereits verloren: Im Russischen Schachverband behielt die
regierungstreue Spitze die Oberhand und warf alle Karpow-Anhänger raus.
Iljumschinow wurde danach als offizieller Kandidat für das
Fide-Präsidentenamt nominiert. Der Exweltmeister konnte sich immerhin als
vieljähriges Mitglied beim Zweitligaaufsteiger Hockenheim vom Deutschen
Schachbund aufbieten lassen. Alle Westeuropäer stehen treu hinter dem
59-Jährigen. Glaubt man indes Iljumschinow - der allerdings auch penetrant
von seiner einstigen Entführung durch Außerirdische erzählt -, ist das
Rennen dennoch bereits gelaufen: Auf seiner Tour rund um den Globus hat er
mit angeblich 80 Stimmen fast die Hälfte der Föderationen hinter sich
gesammelt. Zuletzt blies der 48-Jährige in Sambia kräftig in eine Vuvuzela
und öffnete danach bereitwillig das Portemonnaie.
Das Wort "Bestechung" vermeidet Karpow in Dortmund mühselig, seine
Ausführungen lassen aber keine andere Deutung zu. "Anatoli fürchtet schon,
dass Iljumschinow bereits zu viele Stimmen gekauft hat. Die Pfründen gibt
keiner von denen auf", bestätigt ein langjähriger Freund hinter
vorgehaltener Hand. Offiziell lässt das Schachgenie verlauten: "Dieselben
Leute erzählen uns, dass sie mein Team unterstützen." Allerdings stellt
Karpow nur neue Sponsoren in Aussicht, während Iljumschinow seine eigenen
Millionen gleich konkret verspricht - der eindeutig effektivere Schachzug,
um den Gegner mattzusetzen.
27 Jul 2010
## LINKS
[1] http://Chessbase.de
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Schach
Russland
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