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# taz.de -- Jesus-Jugend: Taizé auf Speed
> Aus aller Welt kommen in dieser Woche etwa 3.600 Jugendliche nach
> Oldenburg, um sich auf dem evangelikalen Jugendkongress "Teenstreet" die
> Bibel nahe bringen zu lassen. Ein Rundgang.
Bild: Laut, bunt und poppig: Würden nicht auf einer Leinwand Textzeilen wie "L…
Draußen ist Ruhe. Am späten Donnerstagnachmittag deutet nichts daraufhin,
dass gerade mehrere Tausend Jugendliche für eine ganze Woche in den
halbrunden grauen Bau hinter dem Oldenburger Bahnhof verschwunden sind.
Keine Transparente weisen den Weg, nur einige Sicherheitsleute in
neongelben Westen stehen herum und ein paar weiße Blätter mit dem Aufdruck
"hier entlang" hängen am Eingang der Weser-Ems Halle.
Zum 18. Mal hat das evangelikale Missionswerk "Organisation Mobilisation"
(OM) zu seinem "Teenstreet" genannten Jugendkongress eingeladen. In seiner
Selbstdarstellung schreibt OM, dass es "Teens anleiten will, missionarisch
und kompromisslos zu leben". In diesem Jahr sind 3.600 Jugendliche von 13
bis 17 Jahren aus 19 Ländern, darunter Ägypten, Südkorea und die
Faröer-Inseln gekommen, um sich anleiten zu lassen.
Gäste nimmt die Organisationschefin Sonja Völkle an der Tür bei den
Securities in Empfang. Die junge Frau trägt das lila Kongress-Shirt, um den
Hals hängt ein kleines Digitalfunkgerät. Sie ist Hauptamtliche bei OM,
vorher hat sie auf dem Missionsschiff der Organisation gearbeitet. "Früher
dachte ich, Mission wäre nichts für mich", sagt sie. Doch dann habe sie an
einer Missionierungsreise nach Papua-Neuguinea teilgenommen. "Seitdem bin
ich dabei."
Alle Teilnehmer mussten das "Community Lifestyle Statement" unterschreiben.
Darin haben sie sich nicht nur verpflichtet, auf Alkohol und Zigaretten zu
verzichten, sondern auch keine Röcke zu tragen, die über dem Knie enden,
und "eher mehr als zu wenig" zu bedecken. Passt dies in die Zeit? "Wir
wollen, dass sich hier jeder wohl fühlt", sagt Völkle. Die
Selbstverpflichtung geht noch weiter: Von 12 Uhr bis 12.30 Uhr müssen die
Teilnehmer die "Shhh..-Time" einhalten. Dann ist ihnen verboten, zu
sprechen. Die Zeit ist der "persönliche Stille mit Gott" vorbehalten.
Völkle glaubt nicht, dass dies eine Einschränkung ist: "Die Jugendlichen
schätzen das sehr."
Doch kurz nach der Ankunft der Teilnehmer herrscht noch babylonisches
Sprachgewirr. Auf den Gängen erklären die Länderbetreuer den Jugendlichen,
was sie erwartet. Den Dresscode hat kaum jemand ernst genommen: Die Mädchen
tragen Tops mit Spaghetti-Trägern und Leggins, die Jungen kurze Hosen. Sie
könnten auch auf dem Weg zum Public Viewing sein.
139 Euro müssen die TeilnehmerInnen für eine ganze Woche mit
Vollverpflegung zahlen. Viele Firmen sponsern das Bibel-Event, darunter
auch die Brausefirma Bionade, sagt Völkle.
Trotz Sponsoring kommt der Kongress nur durch Massen an Freiwilligen zu
Stande. "Von ihnen erwarten wir, dass sie glauben, dass wahr ist, was in
der Bibel steht", sagt Völkle. Chef der ehrenamtlichen Security ist ein
junger Polizist. Im Alltag ist der Freikirchler am Frankfurter Hauptbahnhof
im Einsatz, für Teenstreet nimmt er seinen Jahresurlaub. "Jesus hilft mir
in meinem Beruf", sagt er.
Mit dem oft belächelten Habitus christlicher Jugendtreffen wie dem im
französischen Taizé, hat Teenstreet nichts zu tun. Nirgends hängen Kreuze
oder ähnliches. Wer es nicht weiß, der erkennt erst auf den zweiten Blick,
worum es eigentlich geht. In Workshops geht es um Techno-DJing,
Selbstverteidigung oder Geocaching, die GPS-Schnitzeljagd. Die Teilnehmer
bekommen Rabatt bei McDonalds, das Logo des Kongresses sieht aus, als
bewerbe es die neueste Version der Playstation. Dass Teenstreet bei
Facebook und Twitter ist, versteht sich von selbst. Über Nacht wird eine
tägliche Kongresszeitung in allen Sprachen gedruckt. Alles bei Teenstreet
ist bunt, poppig, laut, schnell - und höchst professionell.
Die Moderatoren der Eröffnungsveranstaltung, ein Missionarspärchen aus
Texas, sehen aus, als würden sie ihre Brötchen bei MTV verdienen. Es
herrscht eine Stimmung, als säßen ausschließlich Abiturklassen auf
Abschlussfahrt im Publikum. Technisch perfekte Licht- und Videoeffekte
begleiten die Show, aus den Boxen knallt schnelle und laute Techno-Musik.
Dann wieder das Missionarspärchen, das von dem alttestamentarischen Psalm
23 erzählt. Ihre, nun ja, Predigt, unterbrechen Auftritte einer Rockband.
Würden nicht auf einem riesigen Leinwand-Würfel über ihnen Textzeilen wie
"Lord, You rescue me" eingeblendet, würden sie auf jeder weltlichen
Festival-Bühne durchgehen. Nach dem dritten Lied fragt die blonde Sängerin:
"Ihr wisst, warum wir hier auf der Bühne tanzen? Wir tanzen nicht, weil wir
das so toll können. Wir tanzen hier für Gott, weil wir uns so freuen, dass
er bei uns ist." Die Menge jubelt.
In dem Gang zur Haupthalle ist eine kleine Messe, ähnlich des "Markts der
Möglichkeiten" auf Kirchentagen. Doch wo sich dort die Nicaragua-Kaffeesoli
und Walschützer tummeln, geht es bei Teenstreet monothematisch zu: Neben
"Open Doors - Im Dienste der verfolgten Christen weltweit", präsentieren
sich hier nur Organisationen wie "ProChrist" oder "Jesus House".
Vor zwei Jahren sorgte ein anderer evangelikaler Jugendkongress, das
Christival in Bremen wegen Seminaren gegen Abtreibung und Homosexualität
für Protest. Völkle erinnert sich daran - sie nahm am Christival teil. Es
sei "sehr schade", dass das "so ins Gerede gekommen ist", sagt sie heute.
Ob sie die Kritik nachvollziehen könne? "Bei diesen beiden Themen scheiden
sich natürlich die Geister", sagt sie.
2 Aug 2010
## AUTOREN
Christian Jakob
Christian Jakob
## TAGS
Christentum
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