# taz.de -- Gletscherabbruch in Grönland: Ein Eisberg fast so groß wie Bremen | |
> Abbruch am Petermann-Gletscher: Ein Eisberg fast so groß wie Bremen | |
> treibt in der Naresstraße zwischen Grönland und Kanada. Bald könnte er | |
> wichtige Seewege blockieren. | |
Bild: Ein Teil des Petermann-Gletschers aus der Vogelperspektive. | |
Schon im Sommer 2009 hatte eine Greenpeace-Expedition entdeckt, dass sich | |
in Grönland ein gewaltiger Gletscherabbruch anbahnt. Eine 100 | |
Quadratkilometer große Eisfläche drohe vom Petermann-Gletscher in | |
Westgrönland abzubrechen, meldeten damals Forscher an Bord der "Arctic | |
Sunrise" aufgrund der von ihnen konstatierten Risse und Spalten in der | |
Gletscherzunge. Tatsächlich wurde der abgebrochene Brocken nun noch | |
deutlich größer. | |
Auf 260 Quadratkilometer schätzen Wissenschaftler der US-Universität in | |
Delaware aufgrund von Satellitenaufnahmen die Eisfläche, die aus dem | |
Petermannfjord in die Naresstraße zwischen Grönland und Kanada treibt. Das | |
sind vergleichsweise vier Fünftel der Fläche Bremens. Und der Koloss ist | |
bis zu 200 Meter dick. Der Petermanngletscher, zwar nur eines von 130 | |
Eisfeldern der Arktisinsel, aber einer der letzten beiden großen | |
grönländischen Gletscher, verlor fast ein Viertel seiner Fläche. | |
Historisch sei das, melden Wissenschaftler. Zuletzt sei 1962 von einem | |
Gletscher in Grönland eine vergleichbar große Eismasse abgebrochen. Ein | |
großer Abbruch war zu erwarten gewesen, sagt Andreas Münchow, Eisforscher | |
an der University of Deleware. Die Gletscherzunge des Petermanns reicht 70 | |
Meter weit ins Meer hinein. In den vergangenen sechs Jahren war sie stark | |
angewachsen und es hatte nur relativ geringe Abbrüche gegeben: "Aber dieses | |
Ausmaß hat auch uns überrascht." | |
Die abgebrochene Eisfläche könne bald die Naresstraße ganz blockieren, oder | |
sie werde nach und nach zerbrechen und gen Süden treiben, erwartet Münchow. | |
Dann könnten die Treibeisflächen und Eisberge Probleme für den | |
Schiffsverkehr auslösen. Zumal auch ein anderer Gletscher, der Jacobshavn, | |
Anfang Juli mit einer sieben Quadratkilometer großen Eisfläche | |
außergewöhnlich umfangreich "gekalbt" hatte. | |
Laut Canadian Ice Service, einer Behörde, die für den Schiffsverkehr die | |
Eislage in der Region zwischen Kanada und Grönland überwacht, könnte es ab | |
Sommer Probleme für Kreuzfahrt- und Frachtschiffe geben. | |
Kleinere Gletscherabbrüche, wie der einer 29 Quadratkilometer großen | |
Eisfläche, die der Petermanngletscher im Jahre 2008 "kalbte", hatten | |
bereits in dieser Sommersaison zu erhöhter Wachsamkeit geführt. Und beim | |
Canadian Ice Service erwartet man, dass das potenzielle Eisrisiko für die | |
Schifffahrt infolge einer wachsenden Zahl großer Abbrüche in Zukunft weiter | |
ansteigen wird. Jason E. Box, Gletscherforscher am Polarinstitut der | |
US-Universität in Columbus,Ohio, spricht von den grönländischen Gletschern | |
als "schlafenden Riesen" und befürchtet einen Dominoeffekt: Ihr wachsendes | |
"Kalben" und eine durch das Wegbrechen dieser Barrieren zum offenen Wasser | |
geförderte schnellere Fließgeschwindigkeit der Inlandseismasse könnten sich | |
gegenseitig befördern. | |
Rund 1.000 Kilometer südlich des jetzigen Gletscherabbruchs, mitten in der | |
"Eisbergautobahn", über die aus nördlicheren Gefilden stammende Eisbrocken | |
in den Nordatlantik treiben, wird seit einigen Wochen erstmals nach Erdöl | |
gebohrt. Umweltschützer hatten bereits vorab vor dem unkalkulierbaren | |
Risiko dieser Bohraktivitäten auch aufgrund der Eislage gewarnt. | |
Für die vom Petermanngletscher abgebrochene Eisfläche habe er einen | |
Verwendungszweck, sagte Edward Markey, demokratischer Kongressabgeordneter | |
aus Massachusetts: Dort sollten sich doch alle Skeptiker der | |
menschengemachten Erderwärmung ansiedeln und im Vertrauen auf die | |
Richtigkeit ihrer Theorien ihre eigene Republik gründen. | |
8 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Meeresströmung heizt Arktis auf: Atlantische Fernwärme | |
Klimaforscher warnen: Das in den Arktischen Ozean strömende Wasser aus dem | |
Nordatlantik war in den letzten 2.000 Jahren noch nie so warm wie heute. | |
Reaktion auf Erderwämung: Die Vorboten des Klimawandels | |
Die extremen Wetterereignisse dieses Jahres zeigen, wohin sich das Klima | |
weltweit entwickelt. Das Umweltbundesamt fordert, die Normen für die | |
Hausbau anzupassen. | |
Gletscherabbruch in Grönland: "Sie schmelzen schneller" | |
Für Greenpeace zeigt der Gletscherabbruch: "Wir brauchen dringend ein | |
politisch verbindliches Klimaabkommen". Durch die großen Eismengen steigt | |
der Meeresspiegel. |