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# taz.de -- Der jüdisch-liberale Alpenverein: Die jüdische Berghütte
> Das 1932 in den Zillertaler Alpen eröffnete Friesenberghaus war auch für
> jüdische Wanderer offen. Heute dient die Berghütte auch als
> internationale Begegnungsstätte.
Bild: Das Friesenberghaus in den Zillertaler Alpen.
„Als ich die Hütte vor 14 Jahren übernahm, war hier noch Geschirr von der
Wehrmacht, mit Hakenkreuzen auf den Tellern und Tassen“, erzählt Hubert
Fritzenwallner. Er ist Hüttenwirt in den Zillertaler Alpen, und sein
Friesenberghaus gilt, hört man sich im Tal um, als „jüdische Hütte“.
„Vor mir haben sich die Pächter nicht darum gekümmert.“ Der 59-jährige
Fritzenwallner , den hier oben jeder nur Hubert ruft, nimmt sich Zeit, um
über seine Hütte zu reden. „Dr. Tilly Moses“ ist auf dem Rücken des Stuh…
eingraviert, auf den sich Hubert gesetzt hat. „Gretel Neumann“ steht auf
einem anderen, „Alfons Jaffee“, „Dr. Otto Heusler“, oder „Wilhelm Dur…
Die Namen verweisen auf die Geschichte des Friesenberghauses. Eröffnet
wurde Hütte, die sich in einer Scharte unter dem 3.231 Meter hohen Hohen
Riffler befindet, im Jahr 1932. Ihr Bau war notwendig geworden, denn in den
meisten Hütten der Umgebung hingen schon die Schilder „Juden sind hier
unerwünscht“.
„Ich bin stolz, hier Wirt zu sein“, erzählt Fritzenwallner. „Stolz wegen
der Geschichte, aber auch, weil dieses Haus früher eine besondere
Ausstattung hatte: Hier gab es hölzerne Badewannen, und jedes Zimmer hatte
ein eigenes Waschbecken.“
Gebaut hatte das Friesenberghaus der Deutsche Alpenverein Berlin (DAVB).
Der hatte mit dem großen Dachverband, dem Deutsch-Österreichischen
Alpenverein (DÖAV) nichts zu tun, denn der mühte sich redlich, „judenrein“
zu werden.
Schon zu Beginn der 20er-Jahre duldeten immer weniger DÖAV-Sektionen
jüdische Mitglieder. 1921 hatte etwa die Wiener Sektion Austria alle Juden
hinausgeworfen. Die taten sich dann, zunächst noch unter dem Dach des DÖAV,
als neue Sektion zusammen und nannten sich Donauland. 1924 flogen sie auch
aus dem DÖAV hinaus. „,Donauland‘ ist wegen ihrer volksfremden
Zusammensetzung und Eigenart für die Gesamtheit der österreichischen
Sektion unannehmbar“, hieß es damals.
Zu den wenigen Sektionen, die für Donauland votierten, gehörte die Sektion
Berlin. In der deutschen Hauptstadt gab es sechs Sektionen; die Antisemiten
sammelten sich eher in „Mark Brandenburg“, wo seit 1899 nur „christlich
getaufte, deutsche Staatsbürger“ bergsteigen durften.
Die Berge „judenrein“ zu machen, war ein strategisch wichtiges Projekt für
die folgende Machtergreifung der NSDAP, analysiert der Münchner
Alpinschriftsteller Nicholas Mailänder. Das Projekt war erfolgreich.
Nachdem 1924 der Ausschluss von Donauland nicht verhindert werden konnte,
verließen über 600 Mitglieder die bis dahin liberale Sektion Berlin und
gründeten einen neuen Verband: Das war der DAVB, völlig eigenständig und
außerhalb des DÖAV.
Die Ausgestoßenen, DAVB aus Berlin und Donauland aus Wien, arbeiteten eng
zusammen und gaben auch ein gemeinsames Mitteilungsblatt heraus. Doch die
Alpen wurden stetig braun.
1931 hatte der DAVB schon 1.502 Mitglieder, und trotz der Anfeindungen
wurde das Friesenberghaus 1932 mit einem großen Festakt eingeweiht. Doch
1933 schon kamen die Nazis an die Macht, und 1934 teilte die Gestapo dem
DAVB mit, dass er aufgelöst ist. Weil er damit gerechnet hatte, schenkte
der DAVB 1933 die Hütte an die Freunde vom österreichischen Donauland. Die
betrieben sie noch weiter, bis 1938 der „Anschluss“ auch für ihr Verbot
sorgte.
Nach 1938 rückte die Deutsche Wehrmacht in das Haus. „Während des Kriegs
war eine Funkerkompanie drin“, berichtet Klaus Kundt. Der frühere
Journalist hat sich sehr mit der Geschichte des Antisemitismus des
Alpenvereins beschäftigt. Und als Funktionär kämpft der mittlerweile
80-jährige Berliner bis heute darum, dass die Geschichte aufgearbeitet
wird. Die Wehrmacht kümmerte sich nicht um die Pflege des Hauses, es drohte
zu zerfallen.
„Nach 1945 hat es Donauland-Wien versucht zu bewirtschaften“, erzählt
Kundt, aber der Sektion fehlten die Ressourcen. „Das Haus ging dann 1968 an
die Sektion Berlin“, erzählt Kundt. Die war Nachfolgerin der alten
DÖAV-Sektion Berlin, die von vielen Juden 1924 verlassen wurde. Die
Berliner sind also nicht die Nachfolger des 1934 verbotenen DAVB.
„1968, als die Sektion Berlin das Haus von den Österreichern übernommen
hat, war es eine Ruine, da waren die Schafe drin“, erinnert sich Kundt. Er
war lange Zeit Einzelkämpfer, was die Aufarbeitung dieses braunen Kapitels
alpiner Geschichte anging. Erst in den 90er-Jahren begannen deutsche und
österreichische Forscher, sich des Themas anzunehmen. Rainer Amstädter, ein
Historiker und Bergführer, schrieb das Werk „Der Alpinismus“ (1997). Der
Zeitungswissenschaftler und Alpenvereinsfunktionär Helmuth Zebhauser legte
„Alpinismus im Hitlerstaat“ (1998) vor. Beides sind bis heute Standardwerke
zum Thema.
Die Sektion Berlin unter ihrem damaligen Vorsitzenden Klaus Kundt drang
1999 erfolgreich darauf, dass ein Ehrenmal, das an die Opfer von
„Intoleranz, politischer, religiöser, weltanschaulicher oder rassischer
Verfolgung“ erinnerte, errichtet wurde. 2003 wurde die Berghütte zu einer
„Bildungs- und internationalen Begegnungsstätte gegen Vorurteile“ ernannt.
„So richtig erfüllt das Haus diese Funktion nicht“, kritisiert Klaus Kundt.
Er denkt an historische Seminare oder Lehrgänge - „oder man könnte für
Annäherung etwa zwischen den Südtiroler Bergsteigern und dem CAV, dem
italienischen Verband sorgen: Die österreichisch-italienische Grenze ist
nicht weit, und da gibt es immer Spannungen.“
12 Aug 2010
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Reiseland Österreich
Schwerpunkt Rassismus
Behinderte
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