# taz.de -- Sicherungsverwahrung à la Schnarrenberger: Doch nicht so liberal | |
> Die FDP-Justizministerin hat sich gegen die nachträgliche | |
> Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Doch ihre Alternative ist im Ergebnis | |
> viel drastischer. | |
Bild: Du Thomas, ich kann auch hart sein! | |
FREIBURG taz | In den Augen der Union ist Justizministerin | |
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein Sicherheitsrisiko, weil sie die | |
nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen will. Allerdings ist das | |
Konzept der Justizministerin, das auf einen Ausbau der "vorbehaltenen | |
Sicherungsverwahrung" setzt, alles andere als eine Liberalisierung. Im | |
Gegenteil: es dürfte eher die Haftanstalten füllen. | |
Rund 500 Straftäter sitzen heute in Sicherungsverwahrung. Sie wurden trotz | |
Verbüßung ihrer Strafe nicht aus dem Gefängnis entlassen, weil sie noch als | |
gefährlich gelten. In etwa 20 Fällen wurde die Verwahrung erst | |
nachträglich, also während der Haft, angeordnet. Diese nachträgliche | |
Sicherungsverwahrung will die Justizministerin abschaffen, weil hier der | |
direkte Zusammenhang von Strafurteil und Haftanordnung fehlt. So will sie | |
neue Niederlagen beim Gerichtshof für Menschenrechte vermeiden. | |
Stattdessen möchte Leutheusser-Schnarrenberger, dass viel häufiger als | |
bisher schon im Strafurteil die Sicherungsverwahrung "vorbehalten" wird. | |
Dies ist seit 2004 möglich, spielt in der Praxis bisher aber kaum eine | |
Rolle. Deshalb will die Ministerin die Hürden senken. Künftig sollen auch | |
Ersttäter und nicht nur Rückfällige erfasst werden. Außerdem muss ein Hang | |
zu schweren Straftaten nicht mehr sicher festgestellt werden, sondern nur | |
"wahrscheinlich" sein. | |
Wenn mit dem Verwahrungs-Vorbehalt wirklich der Wegfall der nachträglich | |
angeordneten Sicherungsverwahrung kompensiert werden soll, dann könnte es | |
schnell einige hundert oder sogar tausende von Anwendungsfällen geben. Das | |
Ministerium will keine Prognose abgeben, allerdings stehen in den | |
Gefängnissen derzeit 7- bis 10.000 Personen unter besonderer Beobachtung, | |
weil für sie die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Betracht kommt. | |
Künftig könnte also in hunderten oder tausenden von Vorbehaltsfällen das | |
Damoklesschwert Sicherungsverwahrung ausdrücklich über den Köpfen der | |
Häftlinge hängen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass in diesen Fällen | |
Vollzugslockerungen wie Ausgänge oder eine Verlegung in den offenen Vollzug | |
gewährt werden. Dies schränkt wiederum die Möglichkeit der Häftlinge ein, | |
zu beweisen, dass sie nicht gefährlich sind. | |
Es besteht also die Gefahr, dass aus dem Vorbehalt am Ende der Haftzeit | |
fast automatisch eine unbefristete Sicherungsverwahrung wird. Neue Indizien | |
aus der Haftzeit sind jedenfalls nicht erforderlich. Es genügt, wenn | |
aufgrund einer Gesamtschau am Ende die Gefährlichkeit feststeht. | |
Damit ist das Konzept der Justizministerin deutlich schärfer als der | |
CDU-Vorschlag einer neuen nachträglichen Sicherungsunterbringung. Diese | |
soll sich auf Fälle beschränken, bei denen eine "konkretisierte potenzielle | |
Straftat" verhindert werden kann oder wenn der Täter aufgrund "psychischer | |
Störungen" gefährlich ist. Die Einschränkungen werden in den markigen | |
Interviews der Unions-Politiker freilich meist verschwiegen. | |
Inzwischen hat sich aber immerhin Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) | |
vom FDP-Ansatz distanziert, den sie für "verfassungsrechtlich sehr | |
bedenklich hält". Hier würden Täter "unnötig stigmatisiert, die im | |
Strafvollzug mit viel Sorgfalt und der notwendigen Aufmerksamkeit | |
vielleicht problemlos resozialisiert werden könnten". | |
13 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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