# taz.de -- Sabine Schulze, Museumsleiterin: "Wir sind kein Elfenbeinturm" | |
> Marketing ist auch für Museen essenziell geworden. Warum sie daran nicht | |
> sparen will, erklärt Sabine Schulze, Leiterin des Museums für Kunst und | |
> Gewerbe. | |
Bild: Die Klimakapsel- Ausstellung wurde auffällig plakatiert, hat aber kaum B… | |
taz: Frau Schulze, verkauft sich eine gute Ausstellung nicht auch ohne | |
Marketing? | |
Sabine Schulze: Nein, eben nicht! Wir brauchen das Marketing dringend, um | |
unsere potenziellen Besucher zu informieren. Auf die Presse ist nicht immer | |
Verlass - die ist ja frei. Außerdem liest vielleicht nicht jeder Zeitung. | |
Den muss ich dann über Plakate in der U-Bahn oder an der Bushaltestelle | |
erreichen. Mindestens genauso wichtig ist für uns die Marktforschung: Nur | |
durch Befragungen erfahren wir, wer auf welche Werbemaßnahme anspricht und | |
welche Ausstellungen und Themen die Besucher von uns erwarten. Und für die | |
machen wir letztlich das Programm. Wir sind ja hier kein Elfenbeinturm. | |
Ist der Erfolg von Marketing messbar? | |
Eine Faustregel besagt, dass man 100.000 Euro in Marketing investieren | |
muss, um 100.000 Besucher zu generieren. Ob das immer eins zu eins aufgeht, | |
weiß ich nicht. Ich habe noch nie so viel in Werbung investiert. Aber es | |
stimmt schon: Man muss die Leute immer wieder daran erinnern, dass eine | |
Ausstellung läuft. Ich merke sofort, ob Plakate von uns in der Stadt hängen | |
oder nicht - und ob sie gut sind. | |
Was ist denn ein gutes Plakat? | |
Ein Hingucker, am besten ein Gesicht. Das war auf unserem Romy-Schneider- | |
und auf dem Loriot-Plakat so. Auch das "Body and Soul"-Plakat und die | |
"Klimakapseln" ziert ein Kopf. Diese Plakate sind so auffällig, dass wir | |
ständig hören: Ihr macht da eine Riesen-Plakatkampagne! Dabei stimmt das | |
gar nicht, wir haben sogar recht knapp plakatiert. Aber diese Bilder fallen | |
einfach auf. | |
Steigen die Besucherzahlen, sobald Sie plakatieren? | |
Das lässt sich nicht so einfach gegenrechnen. Wer ein Plakat sieht, geht | |
nicht gleich am nächsten Tag ins Museum. Unsere Besucherbefragungen haben | |
allerdings ergeben, dass 50 Prozent aufgrund der Plakate und Anzeigen | |
kommen. | |
Und wie erfährt der Rest von Ihren Ausstellungen? | |
Die meisten durch die Presse - manche aber auch über Mundpropaganda. Das | |
hat bei unserer Ausstellung über japanische Korbflechterei hervorragend | |
funktioniert. Die hatten wir aus finanziellen Gründen nicht plakatiert, | |
auch das Presseecho war mäßig - aber die Ausstellung lief sehr gut. Auf | |
Mundpropaganda allein können wir uns allerdings nicht verlassen. Die greift | |
ja nur, weil unser Stammpublikum solche Ausstellungen bemerkt und seine | |
Begeisterung weiterträgt. Um andere Schichten zu erreichen brauchen wir - | |
Marketing. | |
Und genau daran müssen Sie sparen. | |
Wir müssen sparen, das stimmt. Und die Kulturbehörde hat uns nahegelegt, am | |
Personal zu sparen, frei werdende Stellen nicht neu zu besetzen. Nun sitzen | |
aber gerade die Kollegen, die 2010 und 2011 pensioniert werden, auf | |
unverzichtbaren Stellen: im Marketing sowie in den den Abteilungen für | |
Klassische Moderne und für Fotografie. Sie alle sind Multiplikatoren, und | |
ich werde dafür kämpfen, dass die Stellen wieder besetzt werden. | |
Die "Klimakapseln" sind auffällig plakatiert, haben Presse - aber kaum | |
Besucher. | |
Warum so wenige kommen, wissen wir nicht genau. Anscheinend haben die | |
Hamburger das Thema - diesen Mix aus Ökologie, sozialem Engagement und | |
Design - nicht recht mit unserem Haus in Verbindung gebracht. Solche Dinge | |
müssen sich entwickeln. Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier und lote immer | |
noch aus, wohin wir unsere Schwerpunkte verlagern könnten. Die | |
"Klimakapseln" waren ein Versuch, soziales Engagement mit einen erweiterten | |
Design-Begriff zu vereinen. Mein Vorgänger Wilhelm Hornbostel hat sich mit | |
dem opulenten "Gold der Skythen" verabschiedet. Eine solche Schau zielt | |
natürlich auf unser traditionelles Publikum. Das möchte ich auch auf keinen | |
Fall verlieren. Aufwändige Antiken-Ausstellungen möchte ich aber vorläufig | |
nicht anbieten, weil sie zu viele Mittel binden. Lieber viele verschiedene | |
Dinge, um mein Publikum und seine Reaktionen kennen zu lernen. Und ich | |
hoffe sehr, dass sich auch das Stammpublikum an die "jüngeren" Themen | |
gewöhnt. | |
Hat sich das Besucherspektrum seit Ihrem Antritt verschoben? | |
Ja, es kommen mehr Jüngere: im vorigen Jahr erstmals mehr 40- bis 50- als | |
60- bis 70-Jährige. Ich halte das für eine gute Balance. Wenn die Älteren | |
auf Dauer den größten Teil stellten, müsste man sich ernsthaft fragen, wie | |
das in 30 Jahren aussehen wird. | |
15 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
Petra Schellen | |
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Soziale Netzwerke | |
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