# taz.de -- Blogs von Frauen: Wie im echten Leben | |
> Die meisten Blogs im Netz stammen von Frauen. Doch wenn sie gehört werden | |
> wollen, gelten sie als karrieregeil. | |
Bild: Das feministische Blog "Mädchenmannschaft" befasst sich u.a. mit der Fra… | |
Im Netz hätte alles anders werden können: Mehr Gleichbehandlung, eine | |
Loslösung von alten Geschlechterrollen. Doch das Internet ist ein von | |
Männern dominiertes Medium, wie eine aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe | |
Wahlen nahelegt: In Deutschland sind 79 Prozent der Männer und nur 65 | |
Prozent der Frauen online. In den "deutschen Blogcharts" befinden sich die | |
wenigen Bloggerinnen, die eine eigene Seite betreiben, auf den hinteren | |
Rängen. | |
In den Charts landen die Blogs vorn, die am häufigsten verlinkt werden. Das | |
Internet scheint eine aus feministischer Sicht ohnehin schon enttäuschende, | |
männlich dominierte Realität abzubilden. Ende des vergangenen Jahres heizte | |
die deutsche Soziologin und Bloggerin Anne Roth die Debatte um das | |
Geschlechterverhältnis in der Blogosphäre an: Sie stellte fest, dass mit | |
"Mondgras" das erste Blog, das von einer Frau betrieben wird, auf Platz 35 | |
der eben erwähnten Charts auftauchte, zurzeit ist es Platz 46. | |
Vor allem aber lässt sich Betreiberin Sarah Kroschel auf ihrer Seite | |
vorwiegend über ihre Kaninchen oder über Freud und Leid bestimmter | |
Maßnahmen zur Gewichtsregulierung aus. Ein Beispiel dafür, was | |
FeministInnen und SozialwissenschaftlerInnen weiblichen Bloggern | |
attestieren: Frauen schreiben demnach seltener als männliche Nutzer für | |
breite Öffentlichkeiten "relevante" Themen wie Politik, Wirtschaft, Technik | |
oder Medien. | |
Eine Studie der Ruhruniversität Bochum zeigt, dass 75,9 Prozent der Blogs, | |
die Frauen schreiben, reine Tagebuchblogs sind. Bei den Männern sind es | |
dagegen nur 37,1 Prozent. Zu diesem Schluss kommt auch der empirische | |
Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger in seiner Untersuchung "Doing | |
Gender, kulturelles Kapital und Praktiken des Bloggens": "Frauen fühlen | |
sich seltener ermächtigt, öffentlich zu sprechen", sagt er. "Das ist das | |
Ergebnis jahrelanger kultureller Prägung." Er nennt das den "langen Arm des | |
Real Life": Tatsachen von außerhalb des Netzes reproduzieren sich auch | |
dort. | |
Tatsächlich stammen nach Schönbergers Analyse zwei Drittel aller Blogs von | |
Frauen, was in der Summe dazu führt, dass zwei Drittel aller deutschen | |
Blogs eine Art persönliches Online-Journal sind. Blogger, die über Politik | |
schrieben, seien aber auch unter Männern in der Minderheit. Auch Anke | |
Domscheit-Berg vom European Womens Management Development Network (EWMD) | |
sieht eine Art selbsterfüllende Prophezeiung im Internet: "Wenn man Frauen | |
suggeriert, dass sie in einem Fachgebiet schlechter sind, dann sind sie das | |
in der Folge auch tatsächlich". | |
Die 42-jährige Trägerin des Berliner Frauenpreises setzt sich privat wie | |
beruflich für bessere Arbeits- und Karrierechancen von Frauen ein. "Das hat | |
viel mit Segregation und Sozialisierung zu tun. Schon in den schrecklichen | |
Spielzeugabteilungen der Kaufhäuser findet man rosa Pferdchen mit | |
Silberhaar, links und rechts die dunkelbunten Monster. Rosa macht dumm und | |
ein rosa Laptop mit Strasssteinchen führt nicht dazu, dass sich Mädchen | |
mehr für Technik interessieren", sagt Domscheit-Berg. | |
Würden Mädchen anders sozialisiert, würden sie sich auch für Technik | |
interessieren und darüber reden. "Das war in der DDR so und ist heute noch | |
in osteuropäischen Ländern der Fall - in Bulgarien sind 50 Prozent der | |
Informatikstudenten Frauen." Der Kulturwissenschaftler Schönberger sieht | |
ein weiteres Problem. "Die weiblichen Blogger sind in den meisten Fällen | |
schlechter untereinander vernetzt." Domscheit-Berg sieht darin eine | |
Analogie zur Offline-Welt: Frauen sind durch die Kombination Beruf-Familie | |
schlicht vielfältiger belastet, zudem unterschätzten sie die Bedeutung von | |
Netzwerken erheblich. "Ohne ein gutes Netzwerk erfahre ich viele | |
Informationen nicht, die für meine Arbeit, Karriere oder andere Ziele | |
wichtig sein können." | |
Frauen empfänden es eher als Missbrauch einer sozialen Beziehung, was für | |
Männer normal ist: Netzwerken, um voran zu kommen. Das ist auch Annina | |
Luzie Schmid aufgefallen. Die 26-jährige Bloggerin arbeitet für die Agentur | |
"Ausschnitt" und startete im März die Initiative "Girls Can Blog". "Ich | |
habe mich gefragt, weshalb Frauen, selbst wenn sie hoch gebildet sind, ihr | |
Wissen scheinbar nicht mit anderen teilen", sagt Schmid. Zudem hapere es | |
oft am technischen Wissen, was ebenfalls Thema ihrer Initiative ist. | |
Blogs aus über 40 Ländern stehen auf der Seite zum Lesen bereit. Themen | |
sind für die 26-Jährige bei der Auswahl ihrer Kandidatinnen nicht so | |
wichtig: "Ich bin auf der Suche nach Meinungsführerinnen - ob es dabei um | |
den Bereich Politik oder um gute Küche geht, ist letztlich egal." Solche | |
Meinungsführerinnen sind zum Beispiel die Autorinnen der | |
"Mädchenmannschaft". Das feministische Blog befasst sich unter anderem auch | |
mit der Frage, warum Frauen im Netz scheinbar weniger präsent sind als | |
Männer. Vor einem guten Jahr haben die Autorinnen die "Girls on Web | |
Society" gegründet, um Frauen im Netz besser zu vernetzen. | |
Weil in der Gruppe "Strick-Bloggerinnen" ebenso willkommen seien, wie | |
Polit- oder Technik-Bloggerinnen, funktioniere das Prinzip sehr gut, sagt | |
Verena Reygers, die für die "Mädchenmannschaft" schreibt. "Es geht ja nicht | |
um Unterschiede, sondern um Gemeinsamkeiten", sagt sie. Besonders wichtig | |
ist Reygers, die Bloggerinnen auf Online-Diskussionen vorzubereiten. Die | |
Autorinnen sollen lernen, sich zu Wort zu melden, wenn sie etwas zu sagen | |
haben: "Wir wollen Frauen stark machen, an Diskussionen teilzunehmen, | |
mitzureden und ihnen auch ein Stück weit ein dickeres Fell mit auf den Weg | |
zu geben." | |
Denn Debatten werden gerade im Internet nicht immer zimperlich geführt. | |
EWMD-Vertreterin Domscheit-Berg bloggt selbst und hat oft erlebt, wie | |
gerade Frauen unsachlich kritisiert, sexistisch angemacht und beleidigt | |
werden: "Eine selbstbewusste Frau mit einer erfolgreichen Karriere wird | |
dann als männerhassende, karrieregeile Egoistin dargestellt, mit | |
Beleidigungen unter der Gürtellinie überschüttet und bloßgestellt." Wer als | |
Frau gehört werden will, muss dafür einiges über sich ergehen lassen. Wie | |
in der analogen Welt, trotz aller Lobgesänge auf den egalitären Charakter | |
des Internets. | |
17 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Katrin Strohmaier | |
## TAGS | |
Sexismus | |
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