# taz.de -- Reporter der "Huffington Post": "Leser wollen Haltung" | |
> Washington-Korrespondent Daniel Froomkin über seinen Wechsel von der | |
> "Washington Post" in den Onlinejournalismus, starke Thesen und die | |
> Zukunft der Zeitungen. | |
Bild: Sieht die Zukunft der Zeitungen optimistisch: "Huffington Post"-Reporter … | |
taz: Herr Froomkin, darf ich Ihnen gratulieren? | |
Daniel Froomkin: Natürlich. Und wozu? | |
Sie arbeiten bei einem der wenigen profitablen Onlinemedien weltweit und | |
behalten Ihren Job - anders als viele Zeitungsjournalisten in den nächsten | |
Jahren. | |
Ich sehe die Zukunft der Zeitungen optimistisch. Ich habe die längste Zeit | |
meines Lebens für Zeitungen oder für deren Onlineausgaben gearbeitet. Sie | |
sind sehr wertvoll, und sie werden mit Sicherheit einen Weg finden, | |
Zeitungsjournalismus online so zu präsentieren, dass sie damit Geld | |
verdienen. | |
Alle Versuche, für Inhalte im Netz Geld zu nehmen, sind bisher gescheitert | |
- von wenigen Ausnahmen abgesehen. | |
Eines wird jedenfalls nicht funktionieren: die Idee, Wände um ein | |
Newsangebot aufzubauen und Leute für die Informationen zahlen zu lassen, | |
denn sie widerspricht zentralen Grundsätzen des Netzes. Die Informationen | |
sind frei im Internet, User klicken auf andere Seiten, wenn sie irgendwo | |
bezahlen müssen. | |
Haben Sie denn eine bessere Idee? | |
Ich glaube, Medien können ihren Nutzwert für Leser noch stark ausbauen. | |
Reporter können Geschichten schreiben, aber auch an Diskussionen | |
teilnehmen, "frequently asked questions" beantworten oder Geschichten | |
hinter den Geschichten liefern. Medien könnten zudem lokale Informationen | |
für Leser viel besser erschließen. Wer in diese Richtung denkt, wird | |
letztlich auch Geld verdienen. | |
Die Huffington Post wird in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Wie | |
würden Sie Ihren Arbeitsplatz beschreiben? | |
Es ist aufregend, bei der Huffington Post zu arbeiten. Wir wachsen, wir | |
verdienen Geld, aber das Wichtigste ist: Wir zeigen einige Wege auf, auf | |
denen auch traditionelle Zeitungen im Internet weitergehen können. | |
Was sind die Vorteile, wenn Sie Ihren jetzigen Job mit dem vorigen | |
vergleichen? | |
Ich habe ja als Printreporter, als Redakteur, aber auch als Onlinekolumnist | |
für die Washington Post gearbeitet - es ist schwer, all diese Rollen zu | |
vergleichen. Aber ganz generell gilt sicher: Menschen sind heutzutage | |
weniger interessiert an Geschichten, die nur trockene Nachrichten liefern, | |
denen es an Haltung mangelt, an Einordnung, an Wertung. Leser verlassen | |
sich lieber auf Reporter, die ihnen erklären, was wahr ist und was falsch. | |
Die ihnen also nicht einfach Fakten hinwerfen und sagen: Hier, entscheide | |
du, wem du glaubst! | |
Sie plädieren also für meinungslastigere Texte? | |
Nein, nicht unbedingt. Wichtig sind Reporter, die sich in ihrem Thema so | |
gut auskennen, dass sie die Nachrichten in einen Kontext einordnen können. | |
Die also bewerten können, welche Argumente durch die Realität gedeckt sind | |
und welche nicht. Dies ist gerade in den USA eine entscheidende Fähigkeit. | |
Weil die politische Diskussion hier sehr polarisiert und emotional geführt | |
wird? | |
In den USA gibt es eine ausgeprägte Tradition des "Nichtwissens". Viele | |
Menschen wollen keine Fakten, denn sie wissen ja, was sie glauben. Deshalb | |
beziehen sich manche politische Diskussionen auch nicht mehr auf die | |
Realität. Diese Entwicklung wurde in der letzten Zeit befeuert - von dem | |
Sender Fox News, von Sarah Palin, von der Tea-Party-Bewegung. Die senden, | |
nun ja, sagen wir: aus einem anderen Universum. | |
Machen Sie es nicht genau wie der rechtskonservative Sender Fox News? Die | |
Huffington Post trennt nicht zwischen Information und Meinung, wie es in | |
den USA üblich ist. | |
Das stimmt. Diese Vermischung findet statt, in den Blogs natürlich stärker | |
als im Nachrichtenbereich der Huffington Post. Aber die Frage ist doch, ob | |
die Information genau und präzise ist - oder eben nicht. Oder ob der | |
Journalist zum Beispiel bei seiner Argumentation Fakten bewusst ignoriert. | |
Fox News tut dies: Der Sender bläst Kleinigkeiten auf, dreht Geschichten, | |
wie er will, und ignoriert Fakten, die nicht in seine Sicht passen. | |
Auch viele Ihrer Artikel vertreten starke Thesen. | |
Wenn ich bei einer Recherche auf Fakten stoße, die meiner These entsprechen | |
- schön! Wenn sie ihr aber widersprechen, ändere ich meine These. | |
In der Huffington Post schreiben unbezahlte Blogger neben Reportern. So | |
verschwimmt die Grenze zwischen professionellen Journalisten und Laien. | |
Sicher handelt es sich bei unseren Bloggern nicht um ausgebildete | |
Journalisten im klassischen Sinne, dennoch sind sie großartig. Manche | |
gehören zu den größten Denkern Amerikas, manche sind ganz normale Bürger | |
mit einem sehr speziellen Interesse oder Fachgebiet. Das Einsortieren in | |
Schubladen ist also schwierig. Aber es ist richtig, sie stehen direkt neben | |
unseren Reportergeschichten. Anfangs haben wir Reaktionen von Lesern | |
bekommen, die dieses Prinzip nicht verstanden. Nach der Lektüre eines Blogs | |
schrieben sie, was ist das, das ist kein Journalismus! | |
Werden die Blogs von der Redaktion geprüft, bevor sie online gestellt | |
werden? | |
Die Artikel, die unsere angestellten Reporter schreiben, werden von einem | |
Redakteur sehr genau geprüft. Die Blogeinträge werden gelesen, bevor sie | |
online gestellt werden, die Kontrolle ist aber weniger genau. | |
Wie viele professionelle - und bezahlte - Journalisten arbeiten für die | |
Huffington Post? | |
Zur Redaktion der Huffington Post gehören ungefähr 80 Angestellte. Die | |
meisten arbeiten allerdings in der Produktion, Reporter sind wir - mit mir | |
- sechs. | |
Sie veröffentlichen vor allem Beiträge von unbezahlten Bloggern und | |
verlinken Texte anderer Medien. Basiert Ihr Geschäftsmodell auf Ausbeutung? | |
Unsinn. Die Blogger bekommen kein Geld, aber sie bekommen ein Publikum, | |
also Aufmerksamkeit - sie profitieren von der Huffington Post. Und das | |
Verlinken von Inhalten ist doch wohl die großartigste Eigenschaft des | |
Internets! Ich halte das Verlinken für essenziell - zu Originaldokumenten, | |
zu anderen Stücken mit einem anderen Standpunkt. Uns rufen übrigens oft | |
PR-Strategen anderer Medien an und bitten um die Verlinkung, jeder will | |
eben möglichst viel gelesen werden. | |
Ein wichtiges Element Ihrer Seiten sind Leserkommentare. Der Ton ist meist | |
sehr direkt, manchmal beleidigend. Gewöhnt man sich mit der Zeit daran? | |
Ich pendle immer noch zwischen Stolz und Fassungslosigkeit. Wer bei uns | |
veröffentlicht, bekommt schnell tausende Kommentare, das ist die gute | |
Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass noch niemand eine Lösung | |
gefunden hat, um diese Flut zu managen. Zum Beispiel ein Instrument, das | |
seriöse Kommentare vom Müll trennt. Wir experimentieren gerade mit einer | |
Funktion, die es Lesern erlaubt, andere Kommentare zu bewerten. Auch wenn | |
es bis zu einer guten Lösung noch ein weiter Weg ist: Dass Leser | |
Erfahrungen mitteilen und sich austauschen können, ist ein großer Segen. | |
Liefern die Leser der Huffington Post auch Anregungen für Geschichten? | |
Natürlich. Ein Kollege von mir, Arthur Delaney, hat mehrfach über Menschen | |
geschrieben, die aufgrund der Wirtschaftskrise und politischen Fehler ihre | |
Arbeit verloren. Seine größten Stücke schrieb er über Leute, die ihm in | |
Mails ihre persönliche Situation geschildert hatten. | |
Wie kommunizieren Sie persönlich mit Lesern? | |
Ich bin einer der Dinosaurier hier. Ich mische nicht bei der Kommentierung | |
unter meinen Texten mit, schreibe aber E-Mails an die Leser, die mir | |
schreiben. | |
13 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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