# taz.de -- Brandenburg geht gegen Ärtzemangel vor: Keinen Bock auf Landleben | |
> Wer auf dem Land wohnt, sollte nicht krank werden: Der Weg zum Hausarzt | |
> wird immer weiter. Schuld soll die schlechte Honorierung sein, so | |
> Politiker und Experten. | |
Bild: Mit Idylle ist da gar nichts zu machen: Ärzte wollen nicht aufs Land. | |
Landärzte werden immer älter und der Mediziner-Nachwuchs will nicht aufs | |
Land ziehen: Der Ärztemangel in den ländlichen Regionen Brandenburgs nimmt | |
immer mehr zu - vor allem an Hausärzten mangelt es. Laut der | |
brandenburgischen Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) droht in sieben | |
brandenburgischen Regionen eine Unterversorgung kranker Menschen. Genügend | |
Hausärzte gebe es nur in den Großstädten Potsdam, Cottbus, Frankfurt und im | |
Landkreis Elbe-Elster. | |
Zwar ist die Gesamtzahl der niedergelassenen Mediziner in den vergangenen | |
zehn Jahren von 3.280 auf derzeit 3.511 gestiegen, erklärt Tack. Doch knapp | |
ein Viertel der praktizierenden Ärzte sei älter als 60 Jahre und würde bald | |
für die medizinische Versorgung ausfallen. "In den betroffenen Regionen | |
bedeutet das für die Menschen vor allem weitere Wege und längere | |
Wartezeiten", erklärt Thomas Barta, Abteilungsleiter im brandenburgischen | |
Gesundheitsministerium. Zudem habe sich der Versorgungsbedarf der | |
Bevölkerung verändert: "Die Bevölkerung ist älter geworden; die Zahl der | |
chronisch Kranken nimmt zu", erklärte Barta. Insofern sei der Ärztemangel | |
ein "echtes Problem", gegen das vorgegangen werden müsse. | |
In den ländlichen Regionen mangelt es vor allem an Hausärzten. Der Altkreis | |
Angermünde gilt laut Tack beispielsweise als hausärztlich völlig | |
unterversorgt. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl nach Angaben der | |
Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVB) von 1.642 auf 1.535 | |
gesunken. Damit muss ein Allgemeinarzt durchschnittlich 1.700 Menschen | |
betreuen und versorgen. Zum Vergleich: Bundesweit ist ein Arzt für | |
durchschnittlich 1.569 Einwohner zuständig, in Berlin sogar nur für 1.399. | |
Über die Gründe für den Mangel an Medizinern sind sich Ministerium und | |
Kassenärztliche Vereinigung einig: Die geringe Honorierung ist schuld. | |
Besonders für Hausärzte falle das Gehalt im Vergleich zu den vielen | |
Arbeitsstunden gering aus, noch immer gebe es Unterschiede zu den alten | |
Bundesländern. Erste Maßnahmen gegen den Ärzteschwund hat das Land schon | |
vor Jahren eingeleitet. Durch Modellprojekte wie den Einsatz ländlicher | |
Gemeindeschwestern ist laut der Gesundheitsministerin bereits eine | |
"qualitative Verbesserung" erzielt worden. Diese Schwester entlasten die | |
ambulanten Ärzte, indem sie etwa Hausbesuche durchführen. "Damit die Ärzte | |
nicht selbst ständig rausmüssen und stattdessen mehr Zeit für ihre | |
Patienten in den Praxen haben", erklärt Abteilungsleiter Thomas Barta. | |
Einen weiteren Anreiz soll ein gemeinsames Förderprojekt der KVB und der | |
gesetzlichen Krankenkassen Brandenburgs bieten. Danach können | |
Vertragsärzte, die sich in unterversorgten Regionen niederlassen, Zuschüsse | |
von bis zu 50.000 Euro erhalten. Gabriele Rähse, Sprecherin der AOK | |
Brandenburg, betont: "Es ist natürlich auch in unserem Interesse, wenn | |
unsere Kunden vor Ort ärztlich versorgt sind. Würden sie wegen jedem | |
Krankheitsfall sofort den Notarzt rufen, käme uns das teuer zu stehen." | |
Ein weitere wichtige Rolle spielen für Barta die Hochschulen. An | |
Brandenburgs Universitäten gibt es bisher keine einzige medizinische | |
Fakultät. "Wir haben aber festgestellt, dass sich gerade junge Ärzte häufig | |
im Umkreis ihrer Hochschule niederlassen", erklärt er. Daher versuche das | |
Gesundheitsministerium verstärkt, das Land Brandenburg für Medizinstudenten | |
in ihrem praktischen Jahr attraktiver zu machen. Zu Beginn des kommenden | |
Hochschulsemesters sei eine Kampagne zusammen mit der Berliner Charité | |
geplant, die den angehenden Medizinern Brandenburg als Einsatzort | |
schmackhaft machen soll. | |
Für die Opposition im brandenburgischen Landtag sind Tacks Konzepte zu | |
schwammig. Die brandenburgische CDU wirft der Gesundheitsministerin | |
"Tatenlosigkeit" vor. Die rot-rote Landesregierung müsse endlich aktiv | |
werden, um den Ärztemangel zu beheben, verlangte CDU- Gesundheitsexperte | |
Michael Schierack. Auch der Kassenärztlichen Vereinigung gehen Tacks | |
Vorstöße nicht weit genug; deren Sprecher Ralf Herre fordert "weitere | |
strukturelle Anreize" wie den Abbau von Bürokratie, denn derzeit würden | |
Ärzte damit knapp ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbringen. Außerdem müsse | |
das Image des Arztberufes verbessert werden. "Das ist in erster Linie | |
Aufgabe der Politik, vor allem der Bundespolitik", appelliert Herre. | |
21 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Shirin Saber | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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