Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klatschkritik-Blog: "Strategische Verarsche der Leser"
> Motzblog Antje Tiefenthal durchkämmt auf ihrem Klatschkritik-Blog Yellow
> Press wie Frauenzeitschriften und stellt fest: Dort hat PR längst den
> Journalismus abgelöst.
Bild: Der Gala-Kosmetikbeitrag "Im Namen der Rose" hat eher mit Mohn zu tun.
Der karibublaue Nagellack, der als "DER Trend" angepriesen wird,
blöderweise auch in anderen Zeitschriften - Monate vorher und dort ist er
eher grün. Die Kosmetiktipps, die allesamt von einem Hersteller stammen.
Das Titelbild der Ausgabe, das ein US-Sternchen im herbstlichen Flanellhemd
zeigt - und schon zwei Jahre alt und wiederverwertet ist: Skandale sind es
vielleicht nicht, die Antje Tiefenthal mit ihrem Watchblog
[1][www.klatschkritik.blog.de] aufdeckt - aber doch ehrhebliche
Falschspiele der Frauenzeitschriften und Peoplemagazine, die sie
beobachtet.
Gala, Jolie, Joy, Chatter, Elle, Instyle - nur eine kleine Auswahl der
Hefte, die die 26-Jährige mit dem Blick der ganz normalen Leserin am Kiosk
kauft. Vier, fünf Magazine sind es pro Woche. "Wenn mir beim Lesen etwas
auffällt, dann beginne ich zu recherchieren. Ich habe so ein Gefühl dafür,
wenn etwas nicht stimmt", sagt Tiefenthal, die nach einem Volontariat beim
Nordkurier in Hamburg und Berlin als freie Journalistin arbeitet und den
Blog seit März betreibt. Nach zwei, drei Stunden Recherche findet sie dann
zum Beispiel heraus, dass das Instyle-Cover mit Jessica Simpson im
Herbstoutfit schon zwei Jahre vorher die US-Elle zierte. Dabei wird dem
Leser mit Herstellernachweisen vorgegaukelt, die Sachen, die Simpson trägt,
seien noch im Handel zu bekommen. So was ärgert Antje Tiefenthal. "Die
Zeitschriften versprechen offensiv etwas, was sie gar nicht halten können,
das ist strategisches Verarschen der Leser."
Redaktionelle Werbung
Das gilt auch für das etwas zu engagierte Anpreise ein- und desselben
Herstellers. Ein Tachometer zeigt auf ihrem Blog an, wie oft der
Kosmetikhersteller Maybelline Jade in einer Woche in den Zeitschriften
vorkommt - nicht in den Anzeigen, sondern im redaktionellen Teil. 17 Mal.
"Mir ist klar, dass es schwer ist, als Magazin die Grenzen zu ziehen
zwischen Werbung und Redaktion, dass das heute immer mehr verwischt ist,
aber wenn ein Hersteller ausschließlich im redaktionellen Teil genannt
wird, dann ist das Schleichwerbung, kein journalistisches Handeln. Wenn die
Redaktionen sich als Journalisten bezeichnen, dann sollen sie auch so
arbeiten, sonst können sie sich gleich PR-Redakteure nennen", sagt die
Journalistin.
Die Idee zum Blog hatte sie schon vor Monaten, als ihr beim Lesen, zur
Entspannung, immer öfter handwerkliche Fehler aufgefallen sind. Etwa, dass
auf dem Titel Themen versprochen wurden, die hinten kaum eine Kurzmeldung
waren. Oder News, die Monate alt sind, wie das Internetportal einer
Parfümerie, das nun, im Juli, online sein soll - und es schon seit dem Ende
des Vorjahres ist. "Die Vorlaufzeiten sind mir klar. Aber es ist doch die
Frage, wie ich den Leser darüber aufkläre. So wird dem Leser vorgegaukelt,
dass der Beitrag aktuell ist," sagt Tiefenthal.
Es ist sehr unterhaltsam, im Blog nachzulesen, wie alt die "neuesten" Fotos
der ehemaligen Stars von "Beverly Hills 90210", Luke Perry und Jason
Priestley in Chatter sind, was der Gala-Kosmetikbeitrag "Im Namen der Rose"
eher mit Mohn zu tun hat und wie unterschiedlich die Magazine den neuen
"ohne Bart"-Look von Brad Pitt interpretieren. Das mag einem banal
vorkommen, aber die Zeitschriften gaukeln ebenso falsche Tatsachen vor, wie
so manche RTL2-Dokusoap oder die Boulevardpresse. "Die Medienbeobachter
blickten auf die Bild-Zeitung, auf das Fernsehen, aber es gab so gut wie
niemanden, der sich ernsthaft mit diesen Magazinen auseinandergesetzt hat.
Da wurde eher verächtlicht und ignorant draufgeblickt. Aber die
Auflagenzahlen dieser Blätter zeigen, dass sie ernstzunehmen sind". sagt
die Bloggerin.
Hilflose Antworten
Dass ihr Beobachten die Zeitschriften kaum dazu bringen wird, nun anders zu
arbeiten, weiß Antje Tiefenthal natürlich. "Aber der Blog soll ihnen
klarmachen, dass es nicht unbemerkt bleibt, was sie tun - und der Leser
merkt es auch. Es hört sich banal an, aber so geht es nicht", sagt sie.
Und Antworten der Blätter - wenn sie überhaupt mal auf Nachfragen reagieren
- zeigen, wie überrascht und hilflos sie sind. Sie argumentieren mit
Exklusivität statt Aktualität, mit der aufwändigen Produktion und ein
bisschen auch damit, dass es eigentlich doch egal ist. Aber eben gerade das
ist es nicht.
22 Aug 2010
## LINKS
[1] http://klatschkritik.blog.de/2010/08/10/sah-gala-roeslein-stehn-9156375/
## AUTOREN
Daniela Zinser
## TAGS
Fernsehserie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zum Tod von Luke Perry: Emo, komplex und deep
Just als ein Comeback der Neunziger-Jahre-Kult-Serie „Beverly Hills,
902010“ angekündigt wird, erleidet Serienstar Luke Perry einen
Schlaganfall.
Neue Details über Blog-Schleichwerbung: Webspam oder Kooperation?
Für den einen Schleichwerbung, für den anderen „normal und
selbstverständlich“. Der Name der Firma, die Keyword-Links gekauft haben
soll, ist nun bekannt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.