Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Runder Tisch für Stuttgart 21: Verspätetes Gesprächsangebot
> 50.000 Demonstranten blockieren Stuttgarter Innenstadt. Bahn-Chef Rüdiger
> Grube gibt sich gesprächsbereit und lädt zum Runden Tisch. Einen Baustopp
> lehnt er ab.
Bild: "Weg mit Stuttgart 21", forderten mehrere Zehntausend Demonstranten.
STUTTGART taz | Im Konflikt um das umstrittene Milliardenprojekt „Stuttgart
21“ könnte es erstmals eine Annäherung zwischen Gegnern und Befürwortern
geben. Während am Freitagabend erneut Zehntausende in Stuttgart auf die
Straße gingen, um den Bau des unterirdischen Bahnhofs zu verhindern, sprach
Bahnchef Rüdiger Grube eine Einladung zu einem runden Tisch aus. Daran
sollen vor allem die Grünen und auch Vertreter von Bürgerinitiativen
teilnehmen. Die Gegner von „Stuttgart 21“ begrüßten dies als ersten
Schritt, bleiben aber skeptisch.
„Die Gesprächsbereitschaft von Grube kommt spät, aber nicht zu spät“, sa…
der Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden-württembergischen Landtag,
Winfried Kretschmann. Er erinnerte daran, dass die Grünen vor kurzem
bereits ein Gespräch mit Grube und anderen politischen Vertretern der
Befürworterseite angeregt hatten, „das aber von diesen bisher brüsk
abgelehnt wurde“.
Ein Sprecher der Initiative „Parkschützer“ bezweifelte angesichts
ungeminderter Bauarbeiten die Ernsthaftigkeit des Gesprächsangebots. „Wir
werden mit unserem Widerstand nicht aufhören“, sagte Matthias von Herrmann.
Grube selbst hatte angekündigt, dass ein runder Tisch keineswegs einen
Baustopp bedeute. Für das Gespräch dürfe es keine Vorbedingungen geben.
Weiter sagte Grube, dass er die Idee mit Ministerpräsident Stefan Mappus
(CDU) abgestimmt habe, der sich Montag dazu äußern will.
Derweil wandte sich Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) in
einem offenen Brief an seine Stadt. Er habe Verständnis, dass Bürgerinnen
und Bürger das Projekt Stuttgart 21 kritisch beurteilen und ihr Recht zu
demonstrieren wahrnehmen.
Weiter schreibt er jedoch: „Bei aller unterschiedlicher Bewertung des
Bahnprojekts und der zukünftigen städtebaulichen Entwicklung habe ich kein
Verständnis für persönliche Diffamierungen, Beleidigungen, mit denen
Stuttgart 21-Befürworter eingeschüchtert, genötigt und zum Teil auch
bedroht werden.“ Er sehe mit Sorge, „dass verantwortungslose Scharfmacher
zur Radikalisierung beitragen“.
Von Radikalisierung war jedoch auch am Freitagabend bei der bisher größten
Demo gegen das Bahnprojekt erneut nichts zu sehen. Trotz starken Regens
hatten sich zunächst mehrere Zehntausend zu einer Kundgebung am Bahnhof
versammelt.
Wobei sich selbst das Wetter sogar noch solidarisch mit den S21-Gegnern
zeigte. Als nach etwa einer Stunde die Sonne herauskam, legten sich gleich
zwei Regenbögen quasi schützend über das abrissgefährdete Bahnhofs-Gebäude.
Der Schauspieler Walter Sittler erklärte auf der Kundgebung, dass der
friedliche, aber laute und ungehorsame Widerstand weitergehen werde. „Wir
bleiben abgerüstet, obwohl die Landesregierung gegen uns aufrüstet“, sagte
er. Der Stuttgarter Kunsthistoriker Matthias Roser bezeichnete Schuster als
„Oberbürgermeister ohne Bürger“ und forderte dessen Rücktritt.
Den Rücktritt nicht nur von Schuster, sondern auch von Ministerpräsident
Mappus forderte die Menge, nachdem sie vom Bahnhof zum Landtag gezogen war.
Dort durchbrachen sie die Bannmeile und liefen direkt vor das Gebäude, das
daraufhin von Polizisten abgesichert wurde. „Mappus raus“ und „Wir sind d…
Volk“ skandierten die nach Veranstalterangaben 50.000 Menschen. Die Polizei
sprach von 30.000.
Am späten Abend kehrten die Gegner nochmals zu Tausenden zum Bahnhof
zurück. Angeführt von einer Kapelle zogen viele von ihnen fröhlich durch
die Bahnhofshalle. Die Polizei hatte zuvor den Zugang zu den Gleisen mit
Gittern abgesperrt. Nur wer einen Fahrschein hatte, gelang noch zu den
Gleisen.
Stuttgarts Hauptbahnhof soll mit samt seinen Zu- und Abfahrtsgleisen für
mehrere Milliarden Euro unter die Erde gelegt werden. Aus dem Kopfbahnhof
soll ein Durchgangsbahnhof werden. Zusätzlich ist eine Neubaustrecke nach
Ulm geplant.
Offizielle Angaben gehen von Gesamtkosten in Höhe von sieben Milliarden
Euro aus. Von Projektgegnern in Auftrag gegebene Studien kommen auf
wesentliche höhere Gesamtkosten von bis zu 11 Milliarden Euro.
29 Aug 2010
## AUTOREN
Nadine Michel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gespräche über "Stuttgart 21": Schwarz-Grün will Streit schlichten
Grüne und CDU in Baden-Württemberg laden zu einem runden Tisch über das
Bahnprojekt in der Landeshauptstadt ein. Aktivisten besetzten fünf Stunden
lang Bagger.
Protest gegen "Stuttgart 21": Bagger-Blockade beendet
Drei Aktivisten hatten sich am Montagmorgen am Abrissbagger vorm
Hauptbahnhof angekettet. Polizei nahm die Aktivisten fest.
Schauspieler Walter Sittler: Prominenter Krachmacher
Er ist das bekannteste Gesicht des Protests gegen "Stuttgart 21" und
Erfinder des Schwabenstreichs. Walter Sittler könnten sich viele auch in
der Bürgermeisterrolle vorstellen.
"Stuttgart 21"-Gegner über Grubes Offerte: "Ohne Baustopp kein Gespräch"
Was Matthias von Hermann, "Stuttgart 21"-Gegner, vom Dialogangebot der Bahn
hält. Und warum er weiter protestiert, obwohl der Abriss des alten Bahnhofs
schon begonnen hat.
Kommentar Stuttgart 21: Erst Baustopp, dann Dialog
Die Gegner des Milliardenprojekts Stuttgart 21 sollten das Gesprächsangebot
des Bahn-Chefs mit Skepsis prüfen.
Milliardenprojekt spaltet Sozis: SPD streitet über Stuttgart 21
Die Angst vor der Landtagswahl im März wächst: Innerhalb der SPD fordern
immer mehr einen Baustopp des neuen Bahnhofs. Derweil gehen Abrissarbeiten
und Demonstrationen weiter.
Kommentar Stuttgart 21: Sackgasse für Atom-Mappus
Die Bilder der Gegner von "Stuttgart 21" wirken über diese Tage hinaus: als
Symbol, dass die CDU in Baden-Württemberg den Kontakt zur Mitte der
Gesellschaft verloren hat.
Protest gegen Stuttgart 21: "Bleiben bis zum Baustopp"
Nach dem Abriss-Beginn tickerten Aktivisten via Handy und Netz los. Sie
wollen "bleiben bis zum Baustopp". Die Polizei sagt, die Proteste hätten
"ihren friedlichen Charakter verloren".
Bahnhofs-Abrissarbeiten haben begonnen: Tag X in Stuttgart
Es ist so weit: Am Nordflügel des Stuttgarter Bahnhofs haben am
Mittwochnachmittag massive Abrissarbeiten begonnen. Ehemaliger Architekt
warnt unterdes vor Überschwemmung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.