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# taz.de -- Flutkatastrophe in Pakistan: Der Wasserpegel sinkt
> Der Wasserstand in Pakistan sinkt, für die nächsten Tage ist kein Regen
> angekündigt. Doch die Massenflucht wird die Urbanisierung beschleunigen
> und neue Konfliktherde schaffen.
Bild: Das Wasser geht jetzt endlich zurück.
NEU DELHI taz | Nach einem Monat Katastrophenmeldungen kommen jetzt die
ersten guten Nachrichten aus Pakistan. Endlich sinkt der Wasserstand an
fast allen Fronten, und für die nächsten Tage ist kein Regen mehr
angekündigt. Auch im Süden des Landes in der Provinz Sindh, wo am
Wochenende noch Hunderttausende vor den anrückenden Fluten evakuiert
wurden, ist der unmittelbare Schrecken jetzt vorüber. Nur ein paar
Küstendörfer befanden sich am Montag noch in akuter Überschwemmungsgefahr.
Zuvor hatte ein in den letzten Tagen behelfsmäßig aus Lehm und Steinen
errichteter Damm die historische Stadt Thatta in Südpakistan vor den Fluten
gerettet.
"Letzte Nacht erreichte die Flut Sujawal im Distrikt Thatta und damit die
Südspitze von Sindh", berichtete der Fluthelfer Aslam Khwaja von der
unabhängigen Volksentwicklungsstiftung in Sindh.
Das Gebiet sei vollständig evakuiert gewesen und zugleich die letzte
Region, in der die Flut noch erwartet wurde. "Das Wasser geht jetzt
wirklich zurück", sagte Khwaja.
Doch die sinkende Flut bringt für viele Pakistaner noch lange keine
Besserung. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund der Massenflucht vor den
Fluten zeichnen sich neue soziales und ethnische Konflikte ab. Das trifft
besonders auf die 18-Millionen-Metropole Karatschi im Süden zu, die
Hauptstadt von Sindh.
Hier regiert die Bewegung Muttahida Qaumi (MQM), die Partei der sogenannten
Muhajirs - Muslime, die nach der Teilung von Indien in die Hafenstadt
flüchteten und seit vielen Jahren die politische und die
Bevölkerungsmehrheit bilden. Doch hier leben auch vier Millionen Sindhis -
und wegen der Fluten könnten es Millionen mehr werden.
Die Stadtverwaltung von Karatschi rechnet bereits mit einer Million
Flüchtlingen aus der eigenen Provinz und sagt, die Stadt könne damit
umgehen. Allerdings gab es bereits die ersten Schießereien und Toten, als
Flüchtlinge aus Sindh 200 neu gebaute, noch nicht bezogene
Apartmentwohnungen am Stadtrand kurzerhand besetzten.
"Wie sollen sie hier überleben, wenn sie zu Hunderttausenden in die Stadt
kommen?", fragte der MQM-Parlamentarier Khawaja Izhar ul Hassan.
Dabei gab es auch vor der Flut auf den Straßen Karatschis seit Jahresbeginn
bereits 1.000 Todesopfer im Kampf zwischen der etablierten MQM und
bewaffneten Gruppen hinzugezogener Paschtunen. Letztere flohen vor dem
Grenzkrieg im Norden, führen ihn jetzt aber stellvertretend in Karatschi
weiter.
Da die Flut nicht nur in Sindh, sondern auch in Nordpakistan unter den
Paschtunen wütete, werden viele von ihnen ebenfalls den Weg nach Karatschi
einschlagen. Das absehbare Resultat beschreiben Soziologen in der
Hauptstadt Islamabad mit neutralen Worten: Die Flut werde die Urbanisierung
Pakistans beschleunigen. Da viele Flüchtlinge die feudalen Verhältnisse auf
dem Land ohnehin verabscheuten, würden sie nach der Flut nicht in ihre
Heimat zurückkehren.
Dass im Zuge der forcierten Urbanisierung neue soziale und politische
Konflikte entstehen, scheint vorprogrammiert: "Eine Million neue Sindhis
werden die Demografie Karachis verändern", sagte ein Sindh-Politiker von
der Jeay-Sindh-Tehreek-Partei in Karatschi dem Wall Street Journal.
"Aber andere wollen die Sindhis loswerden und Karatschi dominieren, als
würde es ihnen gehören. Das ist total unmoralisch", fügte der Politiker
hinzu.
30 Aug 2010
## AUTOREN
Georg Blume
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