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# taz.de -- Schanzenfest: Bündnis gegen Krawall-Touristen
> Veranstalter und Polizei kündigen an, das Fest vernünftig über die Bühne
> zu bringen. Die Veranstalter wollen keine ritualisierte Gewalt,
> Gastronomen schließen Lokale, um Gaffern keine Plattform zu bieten.
Bild: Seit einigen Jahren gibt es zu später Stunde auf dem Schanzenfest ritual…
Das Klima scheint gereizt: 2.800 Polizisten aus mehreren Bundesländern wird
die Hamburger Polizei wohl am Wochenende zum Schanzenfest und dem parallel
stattfindenden Alstervergnügen auffahren, um anschließende Krawalle zu
verhindern. "Zur Zahl sag ich nichts", sagt Hamburgs Polizeisprecher Mirko
Streiber. "Wir haben aber mehrere Abendveranstaltungen", so Streiber
weiter, bei denen in den vergangen Jahren etwas passiert sei. "Das können
wir nicht ausblenden, wenn was passiert, sind wir darauf vorbereitet."
Streiber bestreitet auch nicht, dass im Vorfeld vom Staatsschutz des
Landeskriminalamtes 42 sogenannte "Gefährderansprachen" in Auftrag gegeben
wurden - gegen Personen, gegen die Ermittlungsverfahren wegen der letzten
Schanzenfeste anhängig sind, aber gegen die es noch keine Urteile gibt.
So bekam Paul Meier* am Dienstagmorgen um 7.45 Uhr Besuch von Kripobeamten
vom zuständigen Kriminalkommissariat seines Stadtteils. "Meine Frau und ich
wollten gerade die Kinder zur Schule bringen", sagt Meier. "Sie haben mir
gesagt: Wir haben Sie im Blick." Meier fragte, ob er unter Beobachtung
stehe oder ob der Besuch eine Drohung sei? Das jedoch sei ausdrücklich
verneint worden. "Warum sind Sie denn hier, wenn ich nicht unter
Beobachtung stehe?", habe Meier gefragt. Für seine achtjährige Tochter sei
der Auftritt der Polizisten ein Schock gewesen. "Sie hat mich den ganzen
Tag gefragt: Warum war denn die Polizei hier?"
Im Vorbereitungskreis des Schanzenfestes "Die Schanze rockt" kursiert
inzwischen ein Papier, in dem sich mit politisch unmotivierter Randale
auseinandergesetzt wird. Man sei der Meinung, dass militantes Agieren im
Zusammenhang mit dem Schanzenfest ein falsches politisches Signal sei,
solange nicht aus einer klaren Situation der "Selbstverteidigung" gegenüber
der Polizei gehandelt werde, wie es bei dem Polizeiübergriff im vorigen
Juni gewesen sei. Damals hatte die Polizei das Fest gewaltsam aufgelöst, um
vermeintlich spätere Sachbeschädigungen zu verhindern. Die Attacke auf das
Lerchenrevier beim zweiten Teil des Festes im September sei jedoch kaum
vermittelbar gewesen, sagt das Papier.
Grundsätzlich habe man kein Problem mit militanten Auseinandersetzungen,
doch die im Grunde genommen "gute und richtige Aktion" gegen die
Lerchenwache hätte die Polizei zum Anlass genommen, dass komplette bis
dahin friedlich verlaufende Fest zu räumen. Eine Thematisierung und
Empörung über die unverhältnismäßige und gewaltsame Räumung als Reaktion
auf den Wachenangriff habe es nicht gegeben. Es gebe genügend andere Ziele
außerhalb des Viertels um die gesellschaftliche Normalität in Frage zu
stellen. Zudem würden sich nach dem Fest oft alkoholisierte Typen
aufspielen, die "mackerlastige kriterienlose Scheiße" produzierten -
darunter selbst Polizisten in Freizeit und Hooligans, die ein Ritual
überwiegend aus Spaß lostreten würden.
Auch Gastronomen aus dem Schanzenviertel setzen sich mit der Aktion
"Geschlossen gegen Gewalt" gegen Krawalle zur Wehr. "Wir haben uns
gemeinsam dazu entschlossen, unsere Läden abends geschlossen zu halten, um
Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass wir gegen die ausufernde Gewalt
sind, wie sie nach den letzten Schanzenfesten stattgefunden hat", sagt Max
Unverricht von der Bar Rossi. "Wir wollen nicht mittendrin stehen, wenn -
wie es inzwischen tatsächlich ist - ein wild gewordener Mob im Schüleralter
versucht, mit aller Gewalt die Überzahl der Polizisten aus der Reserve zu
locken." Die Gastronomen wollten mit ihrer Aktion "insbesondere allen
Gaffern, die sich das Krawallspektakel geben wollen und deshalb extra ins
Schulterblatt kommen, die Plattform entziehen". Die Kneipen und Restaurants
wollten keine Tribüne dafür anbieten.
Die Aktion richte sich jedoch "ausdrücklich nicht gegen das Schanzenfest
selbst und dessen friedliche Anarchie", sagen die Gastronomen. "Im
Gegenteil, wir sind für ein Schanzenfest und werden auch selbst nach Lust
und Laune daran teilnehmen."
*Name geändert
1 Sep 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Krawalle auf der Hamburger "Schanze": Jagen und Prügeln als Ausnahme
Sogar Autonome hatten an die Szene appelliert: Bitte diesmal keine
militanten Auseinandersetzungen! Trotzdem kam es nach dem Straßenfest im
Hamburger Schanzenviertel wieder zu Krawallen.
Nach Straßenfest in Hamburg: Über 40 Festnahmen auf der "Schanze"
Nach dem traditionellen Schanzenfest ist es in der Nacht zu Sonntag in
Hamburg zu Ausschreitungen gekommt. Mehrere Personen wurden leicht
verletzt, 42 verhaftet.
Kommentar Schanzenfest: Die Konflikte kommen später
Das Schanzenviertel ist ein Stadtteil, in dem die Konflikte durch
Gentrifizierung, Vertreibung und Repression offenkundig sind.
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