# taz.de -- Krawalle auf der Hamburger "Schanze": Jagen und Prügeln als Ausnah… | |
> Sogar Autonome hatten an die Szene appelliert: Bitte diesmal keine | |
> militanten Auseinandersetzungen! Trotzdem kam es nach dem Straßenfest im | |
> Hamburger Schanzenviertel wieder zu Krawallen. | |
Bild: "Falsches politisches Signal": Brennender Müll am Samstagabend auf einer… | |
HAMBURG taz | Die Bewohner des Hamburger Schanzenviertels hatten sich sehr | |
gewünscht, dass es im Anschluss an das diesjährige Schanzenfest zu keinen | |
Ausschreitungen wie in den Vorjahren kommt. Sogar Autonome hatten in | |
Anrufen an Akteure aus der Szene appelliert, das Fest für keine "militanten | |
Auseinandersetzungen" zu nutzen, da dies "ein falsches politische Signal" | |
sei. Dennoch ist es aufgrund von überwiegend Krawalltouristen - | |
jugendliches Partyvolk mit Spaß an Gewalt - am Samstag zur Randale | |
gekommen. Dabei ging die Polizei mit Wasserwerfern gegen Randalierer vor. | |
Insgesamt 42 Personen wurden festgenommen, vier Beamte seien leicht | |
verletzt worden, sagte eine Polizeisprecherin. | |
Zuvor hatten den Tag über nahezu 10.000 Menschen vor einer Bühne des | |
autonomen Stadteilzentrums Rote Flora gefeiert, auf der der Spruch | |
"Schwarz-kotz-grün, die Flora bleibt rot" zu lesen war oder waren entlang | |
von Essens-, Getränke- und Flohmarkt-Ständen durch die Straßen des Viertels | |
flaniert. Dort hingen Transparente aus den Fenstern wegen der | |
Vorjahreskrawalle: "Geht woanders spielen" und "Hab ihr kein eigenes | |
Viertel". In den Abendstunden endete das Szene-Event mit einer | |
Kissenschlacht. | |
Etwas später entzündete eine Gruppe Berliner Autonomer nahe der Roten Flora | |
einen Müllberg. Hamburger Autonome griffen ein - Vermummte löschten den | |
Müll, was die Berliner empörte: "Wieso mischt Ihr euch ein?", entrüstete | |
sich der Sprecher der Gruppe: "Was soll der Scheiß, hier Polizeirandale zu | |
provozieren, das ist im Viertel nicht gewollt", bekam er zur Antwort. "Ihr | |
habt doch keine Ahnung von den politische Verhältnissen in Hamburg". Der | |
Berliner erwiderte: "Wir sind deswegen 500 Kilometer gefahren - zu welchen | |
Block gehört ihr denn eigentlich". Antwort: "Wir machen autonome Politik | |
für den Stadtteil." | |
Auch andernorts steckten Leute einen Müllcontainer in Brand - auch dort | |
griffen Anwohner sofort ein, attackierten die Zündler und sorgten für ein | |
kontrolliertes Ausbrennen. "Kein Feuer in meinem Viertel". Bis dato griff | |
die Polizei - anders als früher - nicht ein. | |
Aber dann kam es doch noch zur Eskalation: Eine Gruppe von 300 Jugendlichen | |
bewarf Polizisten mit Steinen und Flaschen "Wir hofften lange, dass es den | |
Anwohnern gelingt, Krawall-Aktionen zu verhindern. Von den gelöschten | |
Bränden wussten wir", sagt später ein Polizeiführer der taz. "Aber nun | |
mussten wir einschreiten." | |
Mit sieben Wasserwerfern und starken Kräften ging die Polizei nun gegen | |
Jugendlichen vor und räumte nun infolgedessen die gentrifizierte Piazza | |
gegenüber der Roten Flora - auch "Ballermann-Boulevard" genannt - trieb die | |
Pistengänger mit Wasserwerfern in die Seitenstraßen ab. Mehrere Stunden | |
standen sich Polizei und Randalierer an mehreren Punkten gegenüber, | |
Flaschenwürfe wurden mit Wasserfontänen beantwortet. Mehrere Stunden musste | |
der S-Bahn-Verkehr eingestellt werden, aus Sorge, Menschen könnten über die | |
Gleise laufen. Insgesamt waren 2.000 Polizisten im Einsatz. | |
Währenddessen zogen kleine Trupps durch das Viertel, warfen Scheiben eines | |
Modegeschäftes, von zwei Supermärkten und zwei Polizeifahrzeugen ein. Die | |
Scheibe einer Bank hielt einer Steinwurf-Attacke stand. Auch ein | |
ausgebranntes Auto soll auf das Konto der Randalierer gehen, was im | |
benachbarten Karolinenviertel geparkt war. | |
Dennoch war die Intensität dieser Krawalle, was Dauer und Härte angeht, | |
geringer als die der Vorjahre, als Barrikaden errichtet, mehrere Auto | |
angezündet oder demoliert worden waren und es viele Verletzte gegeben hat. | |
Und auch die Polizei ging deutlich behutsamer vor - Jagd- und Prügelszenen | |
waren die Ausnahme. | |
5 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
K. von Appen | |
A. Speit | |
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