# taz.de -- Bremen / Rostock: Partnerschaft von Stasi-Gnaden | |
> Als Bremen 1987 mit Rostock eine Städtepartnerschaft vereinbaren durfte, | |
> passte die Staatssicherheit auf, dass nicht "Zusammengehörigkeitsgefühl" | |
> gestärkt würde | |
Bild: Zu Wendezeiten in Bremens Partnerstadt: Foto aus der Ausstellung "Rostock… | |
Noch drei Jahre vor der deutschen Einheit herrschten zwischen | |
Ost-Deutschland und West-Deutschland eisige Beziehungen - das kommt sehr | |
plastisch in der Geschichte der Städtepartnerschaft Bremen - Rostock zum | |
Ausdruck, deren Bilanz gerade in einer Broschüre aufgearbeitet wird. Lothar | |
Probst (Uni Bremen) und Johannes Saalfeld (Uni Rostock) haben aus den | |
Archiven die damaligen Zustände rekonstruiert. | |
Als 1986 die Kommunalpolitische Vereinigung-West (KPV) in einem | |
Grundsatzpapier feststellte, Städtepartnerschaften sollten "die Bewahrung | |
des Zusammengehörigkeitsgefühls der Deutschen zum Ziel" haben, da war das | |
nur eine Bestätigung für die Haltung, die der Staatsratspräsident Erich | |
Honecker 1983 festgelegt hatte: Städtepartnerschaften sind unerwünscht, | |
weil sie die DDR destabilisieren. | |
Das wollte die Bremer SPD natürlich nicht. Als dank des guten Verhältnisses | |
von Oskar Lafontaine zu Erich Honecker im Frühjahr 1986 die ersten | |
deutschen Städtepartnerschaft zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt | |
vorbereitet wurde, stellte die Bremer CDU den Antrag, für Bremen eine | |
Hansestadt "in der DDR" zur Partnerin zu gewinnen. Die DDR-Seite wollte | |
nicht - wie die CDU - nationales "Zusammengehörigkeitsgefühl" pflegen, | |
sondern erhoffte sich von der Inszenierung internationaler Kontakte | |
staatspolitische Anerkennung. Das Bremer Interesse wurde über Kontakte zur | |
DDR-Spitze in Berlin und ein Gespräch von Bürgermeister Klaus Wedemeier | |
(SPD) mit Erich Honecker eingefädelt. Berlin gab grünes Licht, der | |
Rostocker Oberbürgermeister durfte am 18. 8. 1987 unterschreiben. | |
Für die Städtepartnerschaft wurden "Jahrespläne" ausgehandelt, in denen die | |
meisten der konkreten Bremer Austausch-Wünsche nicht vorkamen. 16 | |
Stasi-Mitarbeiter kontrollierten auf Rostocker Seite jeden Kontakt, selbst | |
kleine Geschenke wie Taschenrechner wurden als "Missbrauch der | |
Partnerschaftsbeziehung" und Versuch der Unterwanderung interpretiert. Als | |
Henning Scherf (SPD), damals Sozialsenator, einmal mit einer Jugendgruppe | |
nach Rostock zu Kontakten mit handverlesenen DDR-Jugendlichen fuhr, lernten | |
die Bremer Besucher, dass dort "offene Kritik (...) automatisch als | |
staatsgefährdende Tendenz" interpretiert wurde. Erich Mielke, der | |
Stasi-Chef, wertete die vielen Fragen der Bremer Jugendlichen als | |
"feindliches Vorgehen" und "neue Methode der Gesprächsaufklärung". | |
Die Staatssicherheit war so besorgt über die Kontakte in der | |
Städtepartnerschaft, dass sogar Briefe an den Oberbürgermeister von Rostock | |
Wochen unterwegs waren - sie wurden abgefangen, in Berlin bearbeitet und | |
kamen mit Vorschlägen für die korrekte Antwort dann im Ratshaus in Rostock | |
an. | |
Auch auf der Bremer Seite hatte die Staatssicherheit natürlich ihr "Ohr". | |
Wedemeier erinnert sich, dass er damals manchmal überrascht war, wie gut | |
die DDR-Seite über Bremer Vorüberlegungen Bescheid wusste. Aus der | |
Stasi-Akte des damaligen Regierungssprechers Reinhold Ostendorf geht | |
hervor, dass die Quelle im Kulturressort gesessen haben könnte. Kulturelle | |
Basis-Kontakte waren der DDR-Seite besonders suspekt. | |
In den Jahren 1987 bis 1989 gab es - angeregt durch die Städtepartnerschaft | |
- viele private Besuche von Bremern in Rostock, die von der dortigen SED | |
nicht abgesegnet waren. Richtig bunt wurde es erst nach dem November 1989. | |
Ganze Sonderzüge fuhren in die eine und in die andere Richtung, Bremen | |
schickte erfahrene Staatsbeamte zur Hilfe beim Aufbau Ost und manche Bremer | |
Firma engagierte sich vornehmlich in Rostock. Gleichzeitig schlief die | |
offizielle Partnerschaft Anfang der 90er Jahre ein. Dass der | |
Konkursverwalter des Bremer Vulkan 1995 offenbarte, die Gelder für die | |
Modernisierung der Rostocker Werft seien schlicht "weg", hat das Verhältnis | |
der Rostocker zu Bremen nachhaltig gestört. | |
8 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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Städte | |
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