# taz.de -- Städtepartnerschaften in Europa: Es fährt kein Bus nach Bishops S… | |
> Die Freundschaften zwischen deutschen und europäischen Städten blühen. | |
> Aber Jugendliche interessieren sich kaum noch für diese Form des | |
> kulturellen Austauschs. | |
Bild: Es setzen sich nur noch wenige Jugendliche in den Reisebus. | |
BERLIN taz | Früher fuhren fünf Busse zum jährlichen deutsch-britischen | |
Jugendtreffen, heute ist es nur noch einer. Die britische Gemeinde Bishop's | |
Stortford fand die Partnerschaft zuletzt so unwichtig, dass sie sie im | |
September aufkündigte. Michael Keller, Bürgermeister des hessischen | |
Städtchens Friedberg, bedauert das sehr. | |
Weil die jungen Leute heutzutage überallhin reisen und das westeuropäische | |
Umfeld da eher langweilig wirke, gehe den Städtepartnerschaften das | |
Standbein ihrer formellen Beziehungen verloren. "Die westeuropäischen | |
Städtepartnerschaften, die aus den Erfahrungen der Weltkriege entstanden | |
sind, haben sich sozusagen selbst abgeschafft." | |
Dabei ist Deutschland mit 3.500 Städtepartnerschaften Europameister, und | |
ihre Zahl steigt sogar jährlich noch um 10 bis 15 Städte an, langsamer zwar | |
als zur Hochzeit der 80er Jahre, aber zuletzt wieder kontinuierlich. | |
Doch den beliebten Jumelages fehlt der Nachwuchs. "Insgesamt sind die | |
Partnerschaftsaktivitäten immer politischer und ökonomischer orientiert, | |
und die dominierende Haarfarbe der Akteure ist mittlerweile grau", sagt der | |
Politikwissenschaftler Albert Statz. Er hat 2010 eine Studie über die | |
Entwicklung deutscher Städtepartnerschaften erstellt und sieht das | |
Interesse junger Leute schrumpfen. | |
## Über Europa hinaus | |
Offiziell aufgekündigt wurden in den vergangenen 20 Jahren laut Ines | |
Spengler vom Interessenverband Rat der Gemeinden und Regionen Europas | |
(RGRE) höchstens "eine Handvoll". "Aber die gesteigerte Mobilität reißt die | |
Jugendlichen immer mehr aus ihrer kommunalen Verankerung heraus, da bricht | |
uns schon ein Standbein weg", sagt Spengler. | |
Weil die Jugendlichen heute per Internet Reisen viel besser planen und auch | |
Kontakte in ferne Länder halten könnten, treibe es sie immer weiter über | |
Europa hinaus, bestätigt Claus Tully, Mobilitätsexperte am Deutschen | |
Jugendinstitut. In einer Welt ohne Grenzen müssten daher konkrete Bezüge | |
zur Realität der Jugendlichen geschaffen werden, damit diese sich noch | |
beteiligen. | |
Brigitta Strunk, Referentin für Städtepartnerschaft in der Berliner | |
Senatskanzlei, setzt seit 2009 auf bürgerschaftliches Engagement. Weil die | |
Beziehungen zur Partnerstadt Istanbul eingeschlafen waren, schlossen die | |
Städte 2009 lokale Vereine und Initiativen mit den Verwaltungen kurz. | |
Seitdem tauschen sich Kreuzberger Vereine mit türkischen | |
Nachbarschaftsinitiativen aus und das SPD-nahe August-Bebel-Institut bringt | |
lokale Akteure aus beiden Ländern in Sachen Genderpolitik und Frauenrechte | |
zusammen. | |
Für Martha Weber waren die drei Wochen in Istanbul Ende September der | |
intensivste Kulturaustausch, den sie sich vorstellen konnte. Im Rahmen der | |
Städtepartnerschaft mit Istanbul finanzierte der Berliner Senat die | |
Austauschreise von Webers Ausbildungsbetrieb Zukunftsbau GmbH in den | |
Istanbuler Stadtteil Süleymaniye. | |
## Istanbul lieber als Moskau | |
Dort arbeiteten die angehende Tischlerin und ihre Kollegen mit sechs | |
türkischen Azubis an Weltkulturerbe, einer Kudeb genannten | |
Holzhaussiedlung. Türen schreinern und einbauen, Holzhausfassaden | |
restaurieren, in der Werkstatt das Vollholz hobeln - "Es war total | |
spannend, die Arbeitswelt der Menschen vor Ort kennenzulernen und richtig | |
in ihr Leben einzutauchen", sagt die 23-Jährige. | |
Andere unter den insgesamt 17 Partnerschaften Berlins, etwa mit Moskau oder | |
französischen Städten, liefen dagegen im alten Trott weiter. Junge Leute | |
hätten da keine Anreize, sagt die Berliner Verantwortliche Strunk. | |
Sie plädiert für größere Kooperationsnetze, die nicht mehr so | |
europazentriert sind. "Würde man jetzt mehr Kooperationen in der arabischen | |
Welt eingehen, das wäre superspannend", sagt sie. "Dann würden die jungen | |
Leute auch wieder öfter in Busse oder in den Flieger steigen." | |
20 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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Städte | |
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