# taz.de -- Laufzeitverlängerung für AKWs: Atomdeal ohne Atomminister | |
> Der zunächst geheime Vertrag mit den Stromkonzernen ist ohne Röttgen | |
> entstanden. In der Frage der Bundesratsbeteiligung stützt sich die | |
> Regierung nur auf mündliche Aussagen. | |
Bild: Hat eine weiße Weste: Umweltminister Norbert Röttgen war an den Abmachu… | |
BERLIN dpa/taz | In der Sitzung des Bundestags-Umweltausschusses sind am | |
Mittwochmorgen neue Informationen über das Zustandekommen des | |
Atomkompromisses bekannt geworden, die auf deutliche Differenzen innerhalb | |
der Regierung hinweisen. So ist Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) | |
als federführender Minister in Atomfragen nicht am Vertrag der Regierung | |
mit den Energiekonzernen beteiligt worden. "Ich habe an dem Vertrag nicht | |
mitgewirkt, und es hat auch kein Vertreter des Umweltministeriums | |
teilgenommen", sagte Röttgen nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung. | |
Röttgen konnte bis auf einen Vertreter des Finanzministeriums auch nicht | |
die Unterzeichner des tagelang unter Verschluss gehaltenen Vertrags nennen. | |
Dieser billigt der Atomindustrie mehrere Schutzklauseln zu. In früheren | |
Interviews hatte sich Röttgen gegen jegliche Form von "Deal-Politik" | |
ausgesprochen - gerade bei einer so heiklen Entscheidung wie der | |
Verlängerung von Atomlaufzeiten. | |
Der SPD-Politiker Matthias Miersch wertete die Aussagen Röttgens als | |
"deutliche Absetzbewegungen" von dem Vertrag. Das Röttgen als zuständiger | |
Minister nicht eingebunden gewesen sei, sei ein "verfassungsrechtlicher und | |
sicherheitspolitischer Skandal". | |
Auch Jochen Stay von der Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt übte scharfe | |
Kritik. "Der Minister für Reaktorsicherheit und seine Mitarbeiter schlafen, | |
während die Stromkonzerne der Regierung Laufzeitverlängerung diktieren", | |
sagte er. "Deutlicher kann man nicht machen, welchen Stellenwert | |
Sicherheitsfragen in der Atompolitik der Bundesregierung haben, nämlich | |
keine." Mit diesem Vorgehen liefere die Regierung einen weiteren Grund, | |
sich am Samstag an der Großdemonstration gegen die Atomenergie in Berlin zu | |
beteiligen, so Stay. Mittlerweile seien aus 191 Städten Busse oder | |
Sonderzüge angekündigt. | |
Ebenfalls in der Sitzung des Umweltausschusses erklärte Röttgen, dass sich | |
die Regierung in der Frage, ob die im Schnitt 12 Jahre längeren | |
Atomlaufzeiten ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden können, | |
lediglich auf mündliche Stellungnahmen stützt. Diese hatten | |
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister | |
Thomas de Maizière (CDU) kurz vor der Entscheidung im Kanzleramt dargelegt. | |
Die Grünen bewerten als höchst zweifelhaft, dass sich die Regierung in | |
einer so wichtigen Frage nur auf mündliche Aussagen stütze. | |
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisierte das Vorgehen der | |
Koalition zur Durchsetzung ihrer Atompläne. "Ich halte die gefundene | |
Lösung, die auch ohne eine Zustimmung des Bundesrats realisiert werden | |
soll, nicht für einen Geniestreich", sagte er. Der Alleingang berge nicht | |
nur ein "beachtliches verfassungsrechtliches Risiko". Union und FDP würden | |
damit auch auf die Chance verzichten, das Energiekonzept auf die breite | |
Basis zu stellen, die der lange Geltungszeitraum bis 2050 erfordere. | |
15 Sep 2010 | |
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