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# taz.de -- RECHTSSTAAT: Zeugen Jehovas haben Recht
> Der Wissenschaftliche Dienst der Bürgerschaft hat erklärt, dass die
> Bürgerschaft verfassungswidrig handelt, wenn sie die Anerkennung der
> Zeugen Jehovas verzögert.
Bild: Zeugen-Jehovas-Ästhetik: Gruselbildchen sind kein Grund, den Körperscha…
Am 3. November muss sich der Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft
wieder mit dem Thema "Zeugen Jehovas" befassen. Die Religionsgemeinschaft
hat per Anwalt damit gedroht, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen,
wenn das Parlament die Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts
weiter verzögere. Mit der Bemerkung, man lasse sich nicht unter Druck
setzen, hatten die Rechtspolitiker der Parteien die gesetzte Frist
verstreichen lassen.
Nun liegt ein rechtliches Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der
Bürgerschaft vor, das zu eindeutigen Ergebnissen kommt: Die Zeugen Jehovas
haben auch in Bremen ein Recht darauf, als Körperschaft des Öffentlichen
Rechtes anerkannt zu werden. Das ist ein Verfassungsanspruch, der durch
Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 2000 und ein Urteil des
Oberverwaltungsgerichtes Berlin unterstrichen wurde. Da die Rechtslage für
Bremen "völlig identisch" ist, so die Expertise, müsste jemand, der den
Zeugen die Anerkennung in Bremen verweigern wollte, schon "konkret
darlegen", warum die Entscheidung des OVG Berlin falsch war.
Dies aber ist nicht passiert - immerhin liegt der Gesetzesentwurf aus dem
Rathaus schon seit dem Juni 2009 in der Bürgerschaft. Das Rathaus war
damals schon davon ausgegangen, dass die Sache juristisch völlig eindeutig
sei. Wenn die Bürgerschaft den Beschluss dieses Gesetzes verweigert,
verletzt sie damit einen Verfassungsanspruch der Zeugen Jehovas, sagt nun
der Wissenschaftliche Dienst der Bürgerschaft. Möglicherweise hätten die
Parlamentarier durch das "gesetzgeberische Unterlassen" bereits
verfassungswidrig gehandelt, weil es für die Verzögerung kein triftiges
juristisches Argument gebe. Bloß: Zu einem Gesetz zwingen kann auch das
Bundesverfassungsgericht die Parlamentarier aber nicht.
Die Juristen in den Fraktionen von CDU und Grünen wollen das ausnutzen. Der
Vorsitzende der CDU, der Anwalt Thomas Röwekamp, hatte schon im August 2009
seine Fraktion aufgefordert, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Das gilt bis
heute. Die Grünen, so der Richter Horst Frehe, werben dafür, die Abstimmung
im Parlament "freizugeben", also es ohne Koalitionsabsprache jedem
Abgeordneten zu überlassen, wie er stimmt.
"Abenteuerlich" findet das der Fraktionsvorsitzende der SPD, Björn Tschöpe,
der auch Jurist ist: Nach der Rechtslage gebe es da keinen
Ermessensspielraum, "und ich gehe davon aus, dass Abgeordnete sich
verfassungskonform verhalten".
Der Anwalt Hermann Weber, der die Zeugen Jehovas seit 1990 in diesem
Anerkennungs-Streit bundesweit vertritt und das Verfahren vor dem
Bundesverfassungsgericht erfolgreich geführt hat, meinte, er könne "sich
nicht vorstellen", dass ein Landesparlament bewusst verfassungswidrig
abstimmt - "das wäre einmalig in der Republik". Weber will daher den
Rechtsausschuss am 3. 11. abwarten und den Bremer Parlamentariern insofern
eine Chance geben.
Nur in Bremen und in NRW ist die Anerkennung als Körperschaft nicht Sache
der Verwaltung, sondern des Parlaments. Die CDU-Regierung Jürgen Rüttgers
in NRW stand vor demselben Problem wie der Bremer Senat und wollte das
Parlament dazu bringen, seine Kompetenz, über die Körperschafts-Frage zu
entscheiden, per Gesetz an die Exekutive zu übertragen. Dieser Ausweg wird
auch in Bremen diskutiert, die Exekutive könnte die Rechtslage ohne
Gewissensprobleme zur Grundlage ihrer Anerkennung machen, und die
Abgeordneten könnten ihre Hände in Unschuld waschen.
Sibylle Winther, Rechtspolitikerin der CDU, erklärte, es solle eine
Anhörung geben, auf der auch Vertreter der bremischen Kirchen befragt
werden sollen. Das hatten die Grünen im Frühjahr geplant, die SPD lehnte
aber ab, weil es keinerlei rechtliche Relevanz gehabt hätte.
Die Bremische Evangelische Kirche hatte schon im Jahre 1996 einmal eine
Broschüre "Destruktive Kulte" ihres Sektenbeauftragten den Zeugen Jehovas
gewidmet. Als die gegen die darin aufgestellten Tatsachenbehauptungen
geklagt hatten, machte der Sektenbeauftragte gar nicht erst den Versuch,
sein Werk vor Gericht zu verteidigen, sondern erklärte, dass er "fast
keinen einzigen Satz" mehr so schreiben würde wie in dieser Broschüre.
17 Sep 2010
## AUTOREN
Klaus Wolschner
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