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# taz.de -- Deutscher Klimaschutz in Ecuador: Öl statt Dschungel
> In einem Schreiben der deutschen Botschaft in Quito setzen sich
> Mitarbeiter für die Ölindustrie ein. Und Minister Dirk Niebel entzieht
> einem Dschungel-statt-Öl-Projekt die Gelder.
Bild: Schnell zu übersehen: Die Öl-Förderung im Dschungel endet für Flora u…
Warum nur hat Dirk Niebel der linken Regierung Ecuadors einen Korb gegeben?
Letzte Woche verkündete der FDP-Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
seine Entscheidung, die sogenannte Yasuní-ITT-Initiative finanziell nicht
zu unterstützen. Mit Hilfe von Millionenbeträgen, die vor allem aus Ländern
des Nordens kommen sollen, will Ecuador die Basis schaffen, um auf die
Ölförderung im extrem artenreichen Teil des Yasuní-Nationalparks im
Amazonas-Regenwald, direkt an der Grenze zu Peru, verzichten zu können.
Bislang war die deutsche Bundesregierung zumindest nach außen hin der
wichtigste internationale Unterstützer des visionären Projekts, das
Präsident Rafael Correa 2007, fünf Monate nach Beginn seiner ersten
Amtszeit, zur Regierungspolitik erklärte. Die Ursprünge reichen aber viel
weiter zurück - nämlich zu den Debatten zwischen ecuadorianischen
Indígenas, UmweltaktivistInnen und Linksintellektuellen in den
Neunzigerjahren.
"Nach den jahrzehntelangen Verwüstungen unseres Amazonasgebiets durch
ausländische Ölkonzerne und ihre einheimischen Helfershelfer haben wir
damals begonnen, über ein Post-Erdöl-Zeitalter nachzudenken", erinnert sich
Mitinitiator Alberto Acosta, den Correa im Januar 2007 zu seinem ersten
Bergbau- und Energieminister ernannte.
Die neuartige Initiative, die in ihrer radikalsten Lesart mit der
marktorientierten Logik des Emissionshandels bricht und damit auch mit den
eingespielten Mechanismen des Kioto-Protokolls, kam jedoch langsamer voran
als erhofft. Am größten war die Begeisterung bei AktivistInnen und
Politikern in Großbritannien und in Deutschland - Initialzündung
hierzulande war übrigens [1][eine zweiseitige Titelgeschichte in der taz
vom 4. Mai 2007].
Ein gutes Jahr später unterstützte der Bundestag das
Dschungel-statt-Öl-Projekt in seltener Einmütigkeit.
Höhepunkt der deutsch-ecuadorianischen Annäherung war im Juni 2009 der
Staatsbesuch des damaligen Außenministers Fander Falconí, ebenfalls ein
überzeugter Ökolinker. Sein wichtigster Gesprächspartner in Berlin war
Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (BMZ).
Die Ecuadorianer erklärten höchst offiziell, dass ihnen Stather 50
Millionen Dollar pro Jahr in Aussicht gestellt habe, und zwar über einen
Zeitraum von 13 Jahren. Der SPD-Mann bestritt, konkrete Zusagen in dieser
Größenordnung gemacht zu haben, zudem hätten die Deutschen keine
Alleingänge machen, sondern nur zusammen mit anderen Partnern der
Europäischen Union einsteigen wollen.
Sie habe die Yasuní-Initiative "immer außerordentlich unterstützt", sagte
die damalige BMZ-Chefin Heidemarie Wieczorek-Zeul" jetzt der taz, "diese
Initiative ist doch beispielhaft in ihrem Verzicht auf die Ölförderung und
dem Ziel, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten".
Doch schon damals versuchte die Öllobby kräftig, Ecuadors Vorzeigeprojekt
zu torpedieren. Auf offene Ohren stießen sie in der deutschen Botschaft in
Quito. [2][Der bislang klarste Beleg dafür ist das der taz vorliegende
Dokument, das eilfertige Diplomaten am 9. Februar 2009 als "Fernschreiben
(verschlüsselt)" nach Berlin schickten.]
In dem "DB" (Drahtbericht) erörtern sie "Vor- und Nachteile der
Ölförderung" im Yasuní-Nationalpark am Beispiel des spanischen Ölmultis
Repsol, der im Jahr 2000 die Konzession über den Block 16 zugesprochen
bekam, ein 3.000-Quadratkilometer-Areal mitten im Regenwald. Dafür wurden
sogar die Grenzen des Yasuní-Parks nach Osten verschoben.
Anders als der "mangels ausreichenden Personals schwache" ecuadorianische
Staat, der "auch mit umfassender, gerade in der betreffenden Region
endemischer Korruption zu kämpfen" habe, setzten die Spanier "den Schutz
des betreffenden Gebiets auch durch", heißt es anerkennend, und zwar
angeblich mit Billigung der Huaorani-Indígenas, "deren Territorium wohl nur
so […] geschützt werden" könne.
Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Die Huaorani-Aktivistin Manuela Ima
schilderte im letzen Jahr der taz die "andere Seite": "Seit den
Sechzigerjahren sind die Multis dabei, unsere Kultur zu zerstören", sagte
die Vorsitzende des Huaorani-Frauenverbands.
"Bei der Ausbeutung der Ölreserven geht Repsol ebenso vor- wie umsichtig zu
Werke", loben hingegen die deutschen Diplomaten nach einer zweitägigen, vom
Petromulti organisierten Stippvisite. Aus ihrer Sicht stellen nicht die
ausländischen, hochmodernen Ölkonzerne, sondern die Indígenas die Bedrohung
des Nationalparks dar.
"Da die Huaorani Halbnomaden sind, also den Park auch durch Rodungen
belasten, wird irgendwann der Punkt erreicht werden, an dem die
Regenerationszeit für die Flora zum Engpassfaktor für das ökologische
Gleichgewicht werden wird", sagen sie voraus. "Dann wird eine Güterabwägung
zu treffen sein zwischen dem Schutz des Waldes und dem Schutz der
Lebensweise einer ethnischen Gruppe." Repsols Vorgehen zeige, "dass es
möglich ist, das Öl in einer Weise zu fördern, welche den Park nicht auf
Dauer in seiner Substanz angreift und den jetzt dort lebenden Huaorani
langfristig die Lebensgrundlage erhält".
Und sie schließen mit der "überraschenden (!) Überlegung, dass es de facto
im Sinne des Schutzes von Park und dessen Ureinwohnern zumindest auf
mittlere Sicht sinnvoller sein kann, eine Ausbeutung der Ölvorkommen im
Park […] zu ermöglichen."
Der Yasuní-Fan und FDP-Bundestagsabgeordnete Harald Leibrecht hat die
Hoffnung auf eine erneute Kehrtwende seines Parteifreunds Dirk Niebel noch
nicht aufgegeben. Ebenso wenig die ecuadorianische Regierung: "Wir müssen
sehen, was in den nächsten Tagen passiert", meinte Vizeaußenminister Kintto
Lucas am Dienstag.
22 Sep 2010
## LINKS
[1] /1/archiv/archiv/
[2] /fileadmin/static/pdf/DB_Quito_Yasuni-Projekt.pdf
## AUTOREN
Gerhard Dilger
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