# taz.de -- Ölförderung in Equador: "Wir brauchen neue Entwicklungswege" | |
> Ecuador will auf Ölförderung im Dschungel verzichten, wenn es dafür Geld | |
> von der internationalen Gemeinschaft bekommt. Das klingt utopisch, ist es | |
> aber nicht, meint Carlos Larrea. | |
Bild: Equador: Gewalt bei Protesten gegen eine Ölpipeline | |
taz: Herr Larrea, Ecuador will Öl im Amazonasdschungel nicht fördern, wenn | |
es dafür die Hälfte des Ertrages von der internationalen Gemeinschaft | |
bekommt. Ist dieser Plan realistisch? | |
Carlos Larrea: Ja, natürlich. Denn wir müssen die Artenvielfalt im Urwald | |
schützen und etwas gegen den Klimawandel tun. Jede Tonne Kohlendioxid | |
bleibt 100 Jahre in der Atmosphäre, richtet also 100 Jahre lang Schaden an. | |
Wenn wir nicht jetzt anfangen, verantwortlich zu handeln, werden die | |
Konsequenzen immer schlimmer. | |
Ecuador soll, wenn der Plan gelingt, auf Einnahmen verzichten. Gibt es | |
Widerstand dagegen in Ecuador? | |
Ja, vor allem Petroecuador, die staatliche Ölgesellschaft, ist dagegen. Sie | |
sagt, dass der Vorschlag utopisch ist, und bereitet die ökologisch | |
verträgliche Förderung des Öls vor. Aber ich bin sehr skeptisch, was | |
sogenannte saubere Formen der Ölförderung im Dschungel angeht. | |
Ist nur Petroecuador für die Ölförderung? Gibt es sonst keine | |
Pressuregroups? | |
Keine bedeutenden. Wir haben in den letzten 40 Jahren erlebt, was | |
Ölförderung bewirkt: soziale Konflikte, Umweltzerstörung, ökonomische | |
Verarmung. Das ecuadorianische Amazonasgebiet, wo heute schon das Öl | |
gefördert wird, ist eines der ärmsten im Land. Diese Zerstörungswirkungen | |
gibt es nicht nur in Ecuador - sie sind typisch für Ölländer mit einer | |
hoher Biodiversität, wie zum Beispiel Nigeria. Die Enttäuschung im wahrsten | |
Sinne des Wortes ist groß. | |
Trotzdem ist Ecuador doch finanziell abhängig vom Ölexport? | |
Genau das ist doch das Problem. Es geht hier um zwei Entwicklungsmodelle. | |
Das traditionelle, und auch das traditionell linke Modell setzt auf die | |
Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, um mit den Exportgewinnen | |
ökonomische Entwicklung in Gang zu setzen. Dabei hat das immer zu | |
ungeheurer sozialer Ungleichheit geführt. Der Vorschlag, das Öl nicht | |
auszubeuten, ist auch der Versuch, einen neuen Weg zu gehen, der die Natur | |
bewahrt und den Menschen gerade dadurch ermöglicht, sich zu entwickeln. | |
Wer unterstützt den Plan, das Öl im Yasuní-Nationalpark nicht auszubeuten? | |
Ist das ein Projekt der Linken? | |
Ja und nein. In der Tat hat die neue linke Regierung von Rafael Correa das | |
Projekt zu ihrer Politik gemacht. Die staatliche Petroecuador hingegen | |
setzt, wie gesagt, auf das traditionelle Modell. Interessant ist, dass der | |
Schutz des Yasuní-Dschungels aber keineswegs nur von Linken oder | |
Umweltgruppen unterstützt wird. Auch die konservative Presse und das noch | |
konservativere Fernsehen in Ecuador unterstützen den Vorschlag, das Öl dort | |
nicht zu fördern. | |
Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa hat nun eine Frist bis zum Juni | |
2008 gesetzt. Bis dahin muss das Geld für einen internationalen Fonds da | |
sein -sonst wird Yasuní doch ausgebeutet. Außerdem ist der Energieminister | |
Alberto Acosta, der den Plan stark gefördert hatte, zurückgetreten. Das | |
sind schlechte Zeichen für Yasuní, oder? | |
Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Denn Acosta ist Spitzenkandidat | |
für die verfassungsgebende Versammlung. Dadurch hat er enormen Einfluss. | |
Wahrscheinlich wird er Präsident der Versammlung und kann darauf hinwirken, | |
dass in der neuen Verfassung ein neues Entwicklungsmodell juristisch | |
festgeschrieben wird, das die Ausbeutung natürlicher Ressourcen stark | |
einschränkt. | |
Ist es denn realistisch, für den Fonds fast 2 Milliarden Dollar in nur 10 | |
Monaten zusammenzubekommen? | |
Das wird knapp, aber es ist möglich. Denn wir wollen verschiedene Zahlungs- | |
und Verrechnungsmöglichkeiten anbieten. Privatpersonen können symbolisch | |
Barrel kaufen. Vor allem aber sollen Schulden gegen Umweltschutz getauscht | |
werden. Ecuador hat im Ausland 10 Milliarden Dollar Schulden. Wenn der | |
Fonds zwischen 1 oder 2 Milliarden Dollar groß wird, reden wir also | |
höchstens über 20 Prozent der Auslandsschuld Ecuadors. | |
Ecuador wird aber nicht alle Schulden gegen die Schonung des Dschungels | |
verrechnen können. | |
Nein, aber das müssen wir auch nicht. Doch schon ein paar Umschuldungen | |
würden einen beachtlichen Anfangsfonds ergeben. Außerdem setzen wir darauf, | |
dass der Emissionshandel und das Kioto-Protokoll nicht genug sind, um den | |
Klimawandel zu stoppen. Wir schlagen weiter reichende Mechanismen vor - | |
nämlich Anreize dafür, erst gar kein CO2 zu erzeugen. | |
Andere linke Regierungen in Lateinamerika, wie etwa die von Chávez in | |
Venezuela, setzten auf Entwicklung durch Öl. Und die staatlichen | |
Ölgesellschaften Venezuelas und Brasiliens wollen Yasuní ausbeuten. Ist das | |
kein Problem für die Correa-Regierung? | |
Es gibt keinen Druck der Regierungen von Brasilien oder Venezuela auf uns. | |
Es stimmt, dass deren Staatsunternehmen sehr interessiert sind an dem | |
ecuadorianischen Öl. Aber aus der brasilianischen Gesellschaft kommen viele | |
positive Reaktionen auf unseren Vorschlag. | |
24 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Karin Gabbert | |
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Lateinamerika | |
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