# taz.de -- Röslers Gesundheitsreform: Patienten sollen Arztkosten vorstrecken | |
> Gesundheitsminister Rösler (FDP) will, dass die gesetzlichen Kassen das | |
> Prinzip der Vorkasse bei Arztbesuchen von den Privaten übernehmen. Die | |
> Gesetzlichen warnen vor der Umsetzung der Pläne. | |
Bild: Erst Geld her, dann Mund auf - das neue Bezahlsystem für die gesetzliche… | |
BERLIN dpa | Gesetzlich Versicherte sollen ihre Behandlung künftig häufiger | |
beim Arzt bezahlen und sich das Geld dann von der Krankenkassen erstatten | |
lassen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will damit die | |
Finanzierung gesetzlicher Kassen stärker am Vorbild privater Versicherungen | |
ausrichten und das Prinzip der Vorkasse attraktiver machen. Dies kündigte | |
Rösler im Interview der Financial Times Deutschland an. | |
Die gesetzlichen Kassen warnten vor einer Umsetzung der Pläne. "Vorkasse | |
heißt, dass den Ärzten den direkten Griff in die Portemonnaies ihrer | |
Patienten ermöglicht wird. Das lehnen wir ab", sagte Florian Lanz, Sprecher | |
des Kassen-Spitzenverbandes. "Das Sachleistungsprinzip ist ein Eckpfeiler | |
der sozialen Krankenversicherung. Wenn kranke Menschen zum Arzt gehen, dann | |
sollen sie sich nicht erst fragen müssen, ob ihr Geld reicht, um in | |
Vorkasse gehen zu können." | |
Die Patienten bekommen beim Arzt in der Regel nichts von den Kosten mit. | |
Bereits heute gibt es allerdings Tarife mit Kostenerstattung. Gesetzlich | |
Versicherte müssen sich dabei auf Jahre an einen Tarif binden und obendrein | |
empfindliche Einbußen hinnehmen. "Das war eine bewusste politische | |
Entscheidung, die unter SPD-Ägide getroffen wurde, um Erstattungstarife | |
möglichst unattraktiv zu machen. Diese Nachteile wollen wir beseitigen", | |
sagte Rösler. | |
Konkret will er die Bindungsfrist von drei Jahren abschaffen und den | |
Wechsel zwischen den Tarifen flexibilisieren. Außerdem sollen die Kassen | |
künftig nicht mehr nur 90 Prozent der Arztrechnung erstatten, sondern den | |
vollen Betrag bis zur Höhe der Erstattung beim normalen Verfahren. Die AOK | |
hatte kritisiert, dass Ärzte von den Kassenpatienten ähnlich wie bei | |
Privatversicherten dann oft wohl mehr verlangen würden - und die Patienten | |
auf diesen Mehrkosten sitzen bleiben. Ob ein Versicherter überhaupt die | |
Vorkasse wählt, soll ihm freigestellt bleiben. Die Änderungen sollten | |
möglichst in die im Kabinett bereits beschlossene Gesundheitsreform | |
eingebaut werden. Ein Ministeriumssprecher sagte, dies könne auch über | |
einen Änderungsantrag aus den Koalitionsfraktionen geschehen. | |
Zudem forderte Rösler gesetzliche und private Kassen zu mehr Zusammenarbeit | |
auf. "Wo sich die Menschen versichern, bei welchem Unternehmen, mit welcher | |
Rechtsform und zu welchen Konditionen, sollte auf lange Sicht Sache des | |
Versicherten sein, der selbst weiß, was die beste Wahl für ihn ist." Dieses | |
Ziel sei aber nicht einmal unter Schwarz-Gelb in dieser Legislaturperiode | |
umsetzbar. Ziel bleibe für ihn das FDP-Modell aus dem Wahlkampf 2009. | |
Rösler: "Die reine Lehre der FDP sieht so aus, dass wir die heutige | |
Versicherungspflicht abschaffen und jeden Menschen verpflichten, sich zu | |
einem Basisschutz bei egal welchem Versicherungsunternehmen zu versichern." | |
Die gesetzlichen Kassen warfen Rösler vor, die Privatkassen bereits mit den | |
auf den Weg gebrachten Änderungen über Gebühr zu stärken. | |
"Besserverdienende sollen schneller wechseln können, von den Ergebnissen | |
der Arzneimittel-Preisverhandlungen der gesetzlichen Kassen sollen auch die | |
privaten Versicherungen profitieren", monierte Lanz. Nun sollten auch noch | |
die Zusatzversicherungen der gesetzlichen Kassen etwa für | |
Chefarztbehandlung eingeschränkt werden. "Das klingt alles sehr nach einem | |
staatlichen Förderprogramm für die private Krankenversicherung als | |
Nischenanbieter." | |
29 Sep 2010 | |
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